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Revolver, Schnee und Knickerbocker

Erste Fußball-WM vor 90 Jahren in Uruguay

Uruguayische Spieler bejubeln ihren WM-Sieg
Uruguayische Spieler bejubeln ihren WM-Sieg. (Foto: CAFO)

Montevideo (dpa) - Vor dem ersten WM-Finale in der Fußballgeschichte wird erst einmal abgerüstet: Weil Schiedsrichter John Langenus befürchtet, dass bei der Partie zwischen den Erzrivalen Argentinien und Uruguay die Emotionen hochkochen, verlangt er strenge Waffenkontrollen. Und tatsächlich werden am 30. Juli 1930 vor dem Anpfiff im Estadio Centenario in Montevideo rund 1600 Revolver von den Zuschauern eingesammelt. Trotzdem geht der Unparteiische auf Nummer sicher: Im Hafen wartet ein Boot, um ihn notfalls in Sicherheit zu bringen.

Vor den unbewaffneten Fans schlägt Gastgeber Uruguay die Nationalmannschaft von Argentinien schließlich mit 4:2 und krönt sich zum ersten Fußballweltmeister. Viele argentinischen Schlachtenbummler bekommen die Niederlage aber gar nicht mit: Sie sitzen auf Schiffen auf dem Río de la Plata fest, die wegen des dichten Nebels nicht anlegen können.

Ohnehin klappte bei der ersten Fußballweltmeisterschaft nicht alles auf Anhieb. Zwar gab es keine Qualifikation - teilnehmen durfte praktischer jeder, der wollte. Dennoch fiel es der Fifa zunächst schwer, genug Mannschaften für die WM zu begeistern. Vor allem die Teams aus Europa scheuten die mühsame Anreise über den Atlantik.

Gerade einmal 13 Nationalmannschaften machten schließlich mit - darunter nur vier aus Europa. Die Spieler aus Frankreich, Belgien und Rumänien reisten gemeinsam auf dem Linienschiff "Conte Verde" an, später stiegen auch noch die Brasilianer zu. Das jugoslawische Team fuhr erst einmal drei Tage lang mit dem Zug nach Marseille und trat von dort die zweiwöchige Atlantiküberquerung auf der "SS Florida" an.

Zwar wurden die Mannschaften im Hafen von Montevideo begeistert empfangen, schrieb Schiedsrichter Langenus, der stets korrekt in Knickerbocker und Krawatte auflief. Neben seiner Tätigkeit als Unparteiischer arbeitete er in Uruguay auch als Korrespondent für das Fachblatt "kicker". Allerdings froren die Spieler erst einmal ganz ordentlich: Im Juli ist Winter auf der Südhalbkugel - die ersten Spiele wurden im Schneegestöber ausgetragen.

Das erste WM-Tor erzielte der Franzose Lucien Laurent im Spiel gegen Mexiko. "Nach meinem Tor, dem ersten des Turniers und gleichzeitig meinem ersten für die französische Nationalmannschaft, haben wir uns gegenseitig gratuliert, aber wir sind uns nicht in die Arme gesprungen, wie man es heute im Fußball oft macht", erzählte er einmal.

Auch bei den Spielstätten hapert es zunächst. Heftiger Regen verzögerte die Fertigstellung des neuen Estadio Centenario. Die ersten Partien zwischen Mexiko und Frankreich sowie Belgien und den USA wurden deshalb in anderen Stadien in Montevideo ausgetragen. Erst fünf Tage nach den ersten Spielen zogen alle Mannschaften dann feierlich ins Centenario ein.

Der Weg ins Finale war holprig für die Gastgeber. Beim Spiel gegen Frankreich kam es zum ersten WM-Skandal, als der brasilianische Schiedsrichter Rego die Partie bei einer 1:0-Führung der Uruguayer sechs Minuten zu früh abpfiff. Im Halbfinale setzten sie sich zwar deutlich mit 6:1 gegen Jugoslawien durch - allerdings mit nicht gerade regelkonformer Schützenhilfe von der Seitenlinie. So sollen Polizisten oder Fotografen in einem Moment den Ball von der Außenlinie zurück ins Spielfeld geflankt haben, was zum dritten Tor führte.

Im Finale schien es zunächst, als würde Erzrivale Argentinien den Pokal mit nach Hause nehmen. Zur Halbzeit führten die Argentinier mit 2:1. Dann wendete sich das Glück allerdings - auch weil die Argentinier in deutlicher Unterzahl spielten. "Wir waren bereits nur noch zu zehnt und dann fielen noch zwei meiner Mitspieler mit Verletzungen aus. Auswechslungen gab es damals noch nicht, und zu acht waren wir chancenlos", erzählte der Argentinier Francisco Varallo kurz vor seinem Tod 2010 in einem Interview. "Die Uruguayer, die nach der Pause deutlich stärker wurden, hatten den Sieg absolut verdient - aber für uns war es natürlich eine ganz bittere Niederlage."

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