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„Reichsbürger“-Szene wächst

2000 Extremisten mehr in einem Jahr

Reichsbuerger
Bei einer Razzia führen Polizisten Heinrich XIII. Prinz Reuß (2.v.r.), Kopf des politischen Arms der „Reichsbürger“, ab. (Foto: dpa)

Berlin (dpa/ka) - Die Zahl der sogenannten Reichsbürger ist seit Jahresbeginn stark angestiegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der „Bild am Sonntag“, der Verfassungsschutz schätze das Personenpotenzial in diesem Spektrum inzwischen auf rund 23.000 Menschen - ein Anstieg um rund 9,5 Prozent (rund 2000 Menschen) im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2018 und 2019 rechnete der Inlandsgeheimdienst dieser sehr heterogenen Szene jeweils etwa 19.000 Menschen zu.

Die bundesweiten Zahlen zu verschiedenen extremistischen Strömungen stimmen die Verfassungsschützer von Bund und Ländern jeweils im Dezember ab, bevor der Jahresbericht des Verfassungsschutzes veröffentlicht wird. Im vergangenen Jahr hatte der Verfassungsschutz mehr als fünf Prozent der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ gleichzeitig dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet. Etwa zehn Prozent der „Reichsbürger“ gelten als gewaltbereit. Im Jahr 2021 registrierte die Polizei 239 Gewaltdelikte, die der Szene zuzurechnen sind, deutlich mehr als im Jahr zuvor.

„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen und behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiere. Oft weigern sie sich, Steuern zu zahlen. Manche „Reichsbürger“ erstellen eigene Fantasie-Ausweise. Die Bundesanwaltschaft hatte am vergangenen Mittwoch, 7. Dezember, 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind seit vergangenem Donnerstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten.

Dass die „Reichsbürger“-Szene in den vergangenen zwei Jahren so stark gewachsen ist, führen die Sicherheitsbehörden in erster Linie auf die Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurück. Diese hätten eine „erhöhte Dynamik und Aktivität“ zur Folge gehabt, hieß es bereits im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021.

Nach den Sondersitzungen mehrerer Bundestagsausschüsse beschäftigte sich in dieser Woche auch das Plenum des deutschen Parlaments mit den Umsturzpläne der „Reichsbürger“-Szene. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann warnte davor, die Vorgänge zu unterschätzen. Es gebe keinen Raum für eine „Banalisierung“ des in der Vorwoche ausgehobenen Netzwerks. „Wir müssen diese Gefahren ernstnehmen.“

Dass unter den mutmaßlichen Verschwörern, die in Untersuchungshaft sitzen, auch eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete ist (Alternative für Deutschland), nehmen einige Politiker zum Anlass für Forderungen nach einem neuen Umgang mit der Partei. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle (Freie Demokraten) regte eine Überprüfung der Zugangsberechtigung zum Bundestag für alle ehemaligen AfD-Abgeordneten an. „Die Ereignisse um die frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die wegen ihrer möglichen Verstrickung in Terrorpläne festgenommen wurde, machen eine erneute Überprüfung der Zugänge für frühere AfD-Abgeordnete nötig“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Tatsächlich glaubt etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung, dass von sogenannten Reichsbürgern eine ernste Gefahr für die Demokratie und ihre Repräsentanten ausgeht. Bei einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vertraten 53 Prozent der Teilnehmer diese Ansicht. 31 Prozent der Befragten sehen eine solche Gefahr nicht. 15 Prozent der Teilnehmer der repräsentativen Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur äußerten sich zu dieser Frage unentschieden.

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