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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Reformation

Von Pastorin Karin Krug

Am Sonntag feiert die protestantische Welt den Reformationstag und erinnert an den 31. Oktober 1517, als der Augustinermönch Martin Luther in Wittenberg 95 Sätze („Thesen“) an die Türen der Schlosskirche genagelt haben soll. So regte man damals, als es noch keine sozialen Medien gab, eine akademische Diskussion an. Die Wirkung war enorm, Luther selbst hatte sie bestimmt nicht in dem Ausmaß erwartet. Sein Anliegen war Reform, nicht Kirchenspaltung, zu der es dann leider gekommen ist.

Die Frage Luthers war: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Das war nicht nur Luthers Frage. Viele Menschen im Mittelalter fragten so. Christus kannte man nur als den auf Wolken thronenden Richter der Lebendigen und der Toten. So, und nicht als der Heiland der bekümmerten Seelen, predigte ihn die damalige Kirche. Immer wenn seine Gedanken zu Christus eilten, fuhr seine Seele erschreckt zusammen, sagte Luther später. Nur die Heiligen konnte er mit einigem Vertrauen anrufen. „Maria hilf!“ rief er, als er sich einmal mit seinem Degen selbst eine lebensgefährliche Wunde zugefügt hat. Noch trüber wurde seine innere, friedlose Stimmung und seine Gewissensangst, als einer seiner Freunde nachts auf der Straße erstochen wurde. Nur mit Entsetzen konnte Luther daran denken, dass er selbst so plötzlich vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen müsste. Als ihn am 2. Juli 1505 beim Dorf Stotternheim ein starkes Gewitter überraschte, da war’s ihm, als hörte er in dem Donnern die Posaune des jüngsten Gerichts. Ein gewaltiger Blitz schlug dicht neben ihm ein und voller Todesangst rief er aus: „Hilf, St. Anna, ich will ein Mönch werden!“ Zwei Wochen später tat er es.

„Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Eigentlich war das damals von der Kirche geregelt. Man musste sich eben sehr anstrengen. Da gab es bis zu 130 Fastentage im Jahr, an denen man auf Alkohol und Fleisch verzichten musste und Feldarbeiten, Reiten und die Abwicklung von Handelsgeschäften verboten waren. Da gab es aber auch Bußübungen. Man konnte Wallfahrten zu heiligen Stätten machen. Und man konnte für die Sünden mit barer Münze zahlen und einen sogenannten Ablassbrief erwerben. So versuchte der Dominikanermönch Johannes Tetzel die Menschen zum Kauf von Ablassbriefen zu bewegen. Auf dem Kasten, in dem das Geld aufbewahrt wurde, ließ Tetzel einen Teufel malen, der die armen Seelen im Fegefeuer quält. Darüber stand geschrieben: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt. “

Aber all das konnte das Gewissen der Menschen nicht beruhigen. Sie kamen sich nicht erlöst vor. Die Angst vor Hölle, Tod und Teufel hatte sie weiter im Griff. Wahrscheinlich hatten sie ein sicheres Gespür dafür, dass Gott sich nicht bestechen lässt.

Im Grunde hat man auf das Verhältnis zu Gott das gleiche Prinzip angewendet, das für das tägliche Leben in Beruf und Arbeit gilt. Da heißt es „ohne Fleiß kein Preis“. Es gehört zur menschlichen Würde, dass man das Beste aus sich machen soll. Man muss nicht der Beste auf Erden sein. Aber man sollte in seinem Beruf und Leben so gut sein, wie man kann. Natürlich sage ich das jetzt sehr vereinfachend. Denn die Ausgangsbasis ist für viele Menschen sehr unterschiedlich, der Konkurrenzkampf ist groß und viele bleiben trotz übermenschlicher Anstrengung auf der Strecke. Man nennt sie dann die Versager, die es zu nichts im Leben gebracht haben. In unserer Zeit ist das ein vernichtendes, gnadenloses Urteil. Für viele Menschen ist es deshalb nicht die Frage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, sondern „Wie bekomme ich einen gnädigen Nächsten?“

Gnade heißt auf Latein „Gratia“ und da steckt das Wort „gratis“ drin. So war es die Entdeckung der Reformation, dass der Mensch gar nichts tun kann und auch gar nichts tun muss, um Gott gnädig zu stimmen. Da passt das menschliche Schema des Verdienenmüssens und der Anstrengung nicht. Gott schenkt seine Gnade - nicht, weil der Mensch ihn irgendwie gnädig stimmen kann, sondern weil Gott von sich aus gnädig ist. Das kann man nur im Glauben annehmen.

Mit der Botschaft von Gottes Liebe kann der Mensch seine Angst vor Hölle und Verdammnis getrost vergessen und das eigene Leben in Liebe zu sich selbst, zu seinem Nächsten und zu Gott gestalten. Dann werden „gute Werke“ zweifellos folgen.

Für Luther kam dies besonders gut in der Kindertaufe zum Ausdruck: Bevor der Mensch etwas tun kann um Gottes Gnade zu verdienen, nimmt Gott ihn schon bedingungslos an. Bevor der Mensch irgendetwas tun kann, das Gott beleidigen könnte, hat der schon seine Liebe zugesagt: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“

„Gnade“ und „Glauben“ mögen unseren Stolz beleidigen, der sich nichts schenken lassen und alles selbst verdienen will. Aber es geht nicht anders. Vielleicht ist das ganz gut so.

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