Am letzten Freitag trafen sich Alberto Fernández und Cristina Kirchner anlässlich der Feier zum hundertjährigen Bestehens von YPF in Tecnópolis. Während 95 Tagen hatten sie nicht miteinander gesprochen, und sie hatte auch seine Telefonanrufe nicht angenommen. Nach Abschluss der Feier nahm jeder seinen Weg. Es gab keine Versöhnung, sondern nur weitere Vorwürfe der Vizepräsidentin. Sie sagte ihm erneut, dass er den Federhalter benutzen sollte, also Entscheidungen treffen, bezog dies jedoch darauf, dass er gegenüber den Großunternehmern zu nachgiebig sei. Sie äußerte ohne Umschweife ihre Ansicht, dass die Unternehmer zu viel verdienen, und machte sie dabei für die hohe Armut verantwortlich. Ihre feindliche Haltung gegenüber der Marktwirtschaft und ihr fester Glaube, an einen großen Staat, der überall eingreift, kam bei ihrer Rede klar zum Ausdruck. Doch Alberto ist, als Pragmatiker der er ist, anderer Meinung, aber ohne Überzeugung und mit vielen Zweifeln. Und das kommt in seiner Regierungstätigkeit voll zum Ausdruck.
Die Briten haben schon ein seltsames Verhältnis zur Demokratie. Ein rituelles, und das ist nach so viel Jahrhunderten demokratischer Prozesse verständlich. Wenn man hört, dass sich der britische Premier Boris Johnson einem Misstrauensvotum unterziehen muss, denkt man natürlich, dass dies im Parlament vonstatten geht. Dabei lästern die Briten gerne über die deutsche Variante des „konstruktiven Misstrauensvotums“, bei der dem Regierungschef nur dann das Misstrauen ausgesprochen werden kann, wenn ein Nachfolger gewählt wird. Wahrhafte Demokraten halten dies für eine Einschränkung der Demokratie. In gewisser Hinsicht trifft das auch zu. Wenn man jemanden loswerden will, sollte man das auch tun können, ohne gleich einen Nachfolger zu wählen.
Dennoch ist die britische Variante nicht eben demokratischer. Denn dort entscheidet nicht das Parlament, sondern die Fraktion des Regierungschefs. Ein seltsames Ritual, wenn man davon ausgeht, dass diejenige Institution einen Premier abwählen können sollte, die sie gewählt hat. Selbstverständlich sollte man vorher abklären, ob diese Person überhaupt noch den Rückhalt der eigenen Partei hat. Boris Johnson hat diesen Rückhalt. 211 von 359 Tory-Abgeordneten sprachen ihm das Vertrauen aus. 148 wollten ihn in die Wüste schicken. Weniger als 60 Prozent Zustimmung in der eigenen Partei würde für jeden Regierungschef das Aus bedeuten. Im Vereinigten Königreich nicht unbedingt. Zumindest nicht wenn die 148 Johnson-Gegner bei Abstimmungen im Unterhaus nicht gegen ihn votieren.
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