Der Fall von Javier Milei ist wirklich auffallend. Dass ein Mann, der so extrem liberale Ansichten vertritt und erst vor kurzem in die Politik eingetreten ist, 13,66 Prozent der Stimmen in der Bundeshauptstadt erhalten konnte, hätte man nicht erwartet. Milei tritt seine längerer Zeit häufig in Fernsehprogrammen auf, und stößt dabei auf großes Interesse, auch weil er mit groben Worten sowohl die Regierung wie die Opposition kritisiert. Er ist ein totaler Außenseiter. Sein Ultraliberalismus erscheint irreal, so z.B. wenn er für die Abschaffung der Zentralbank plädiert. Allein, in einem Land, in dem über ein Drittel der Wirtschaft schwarz ist, entspricht das Modell von Milei dieser Realität, also einer Wirtschaft ohne jegliche staatliche Intervention. Und viele andere spüren den hohen staatlichen Druck und wollen weniger Steuern und mehr Freiheit. Der Liberalismus hatte früher pragmatische Vertreter, wie Alvaro Alsogaray. Doch damals war die Präsenz des Staates nicht so erdrückend und irrational wie jetzt. Ein Extrem bringt das andere.
Das zweite „Triell“, an den Namen kann man sich wirklich nicht gewöhnen, soll ja spannender als das erste gewesen sein. Vor gut zwei Wochen hatten sich die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre Konkurrenten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU/CSU) im Privatfernsehen trielliert. Ich habe das erste „Triell“ nicht gesehen, weil die Kompetenz der Privatsender mehr in der Durchführung von Castingshows liegt als in politischen Formaten. Sollte das zweite Kräftemessen der Kandidatin mit ihren Konkurrenten aber tatsächlich spannender gewesen sein, muss man das erste wirklich nicht gesehen haben. Spannender wäre der „Tatort“-Krimi gewesen, der am Sonntag dem Polit-Geplänkel zum Opfer gefallen ist.
Man muss über das Format solcher Wahlsendungen nachdenken. Grundsätzlich. Ein Triell war das nicht, denn Laschet arbeitete sich ausschließlich an Scholz ab. Das ist verständlich, denn der liegt in den Umfragen weit vorn. Baerbock steht in einigen Umfragen zwar auch vor Laschet, aber ihre Partei wird die Union wohl nicht mehr überholen. Weil sowohl SPD als auch CDU/CSU die Grünen für eine künftige Regierung brauchen, wurde deren Kandidatin auch kaum angegriffen. Die Debatte war ein Duell zwischen Scholz und Laschet, das Baerbock ausgiebig kommentieren durfte. Vielleicht sollte man die Bundestagswahlen komplett an die Privaten verkaufen. Die würden eine Castingshow aus der Sache machen. „Deutschland sucht den/die Kanzler*in.“ Wählen bzw. abwählen könnte man online. Das ist stress- und in Zeiten von Corona auch keimfrei.
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