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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Randglossen

Die Wahlen am Sonntag finden unter eigenartigen Umständen statt. Obwohl sie sehr wichtig sind, weil dabei entschieden wird, ob die Regierung auch die Deputiertenkammer beherrscht und dabei fast allmächtig wird, interessieren sich weite Kreise der Bevölkerung kaum um dies. Bei den jüngsten Provinzwahlen lag die Wahlbeteiligung um 15 bis 18 Prozentpunkte unter 2019. Die sieben Millionen Jugendlichen, die keine Zukunftsaussichten empfinden, werden weder von Regierung noch von Opposition angesprochen. Die großen Themen, wie Sicherheit und Beschäftigung, werden von den Kandidaten der Regierungskoalition nicht erwähnt, und die Opposition sorgt nur dafür, dass irritative Fälle, wie das Fest in Olivos, in den Vordergrund rücken. Die Opposition hat es leicht, wenn es darum geht diese Regierung zu kritisieren, denn Alberto und Cristina sorgen ständig für neues Material. Aber konkrete Vorschläge, um die Lage der Menschen zu verbessern, die von Krise hart betroffen sind, vermisst man bei ihr ebenso sehr wie bei der Regierung.


Die Wahlprogramme der deutschen Parteien werden immer unverständlicher. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie der Universität Hohenheim. Vollgelabert mit Anglizismen und teils wirren Wortneuschöpfungen stehen die Wähler*innen bisweilen recht ratlos vor den bunten Hochglanzbroschüren. Was meinen die Unionsparteien, wenn sie einen "Agri-FoodTech-Wagniskapitalfonds" fordern, welche Probleme haben Linke und FDP mit der "Quellentelekommunikationsüberwachung"? Auch die Länge der politischen Absichtserklärungen sprengt inzwischen jeden Rahmen. Während 1949 ein Wahlprogramm durchschnittlich 5500 Zeichen umfasste, sind es heute 43.500. Und damals war das Parteienspektrum noch recht übersichtlich.


Allerdings gibt es heute ausgeklügelte Werkzeuge, die einem die Wahlentscheidung erleichtern können. Der „Wahl-O-Mat“ ist so eines. Er präsentiert 38 Thesen, die der unschlüssige Wähler bzw. die Wählerin beantworten und gewichten kann. Bei 39 Parteien ist das schon eine enorme Hilfe. Ich habe mich an die Arbeit und Gedanken darüber gemacht, ob ich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen will oder keinen Familiennachzug von anerkannten Asylbewerbern. Jetzt weiß ich, dass meine politischen Überzeugungen zu 76,2 Prozent mit dem Südschleswigschen Wählerverband übereinstimmen. Das bringt Probleme: Die Partei der dänischen Minderheit tritt in Süddeutschland nicht an, und steht mir geografisch weniger nah als die italienische Lega Nord. Jetzt muss ich wohl die „Tierschutzpartei“ wählen. Sie kommt mit 73,8 Prozent auf Platz 2.

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