Argentinien hat in den letzten Tagen einen Höhepunkt bei der Pandemie erreicht, die vor 450 Tagen eingesetzt hat. Die Zahl der Toten, der Infizierten und der in Intensivstationen behandelten Kranken erreichte einen Rekord. Im internationalen Vergleich steht Argentinien besonders schlecht da, mit ganz wenigen Ländern, die höhere Koeffizienten von Toten und Infizierten aufweisen. Die Regierung hat auf dies mit einem fast totalen Lockdown für neun Tage reagiert - und das ist in Ordnung. Doch dies sollte dazu dienen, um eine Strategie zur Vermeidung von Ansteckungen in Gang zu setzen, mit mehr Impfungen, die außerdem gezielt den Risikogruppen den Vorrang geben. Und dann muss mit harter Hand gegen Massenversammlungen aller Art vorgegangen werden, die die Hauptquelle der Ansteckungen darstellen und bisher von der Regierung passiv geduldet wurden.
In Chile haben die Wahlen für die Verfassungsreform und für den Bürgermeister von Santiago eine dreifache tiefe Veränderung der politischen Landschaft zum Vorschein gebracht: Es gab einen notorischen Linksrutsch, es trat eine neue politische Generation auf, und die Jugend machte wie nie zuvor mit. Dass dies in einem Land geschieht, das in den letzten Jahrzehnten einen kontinuierlichen Fortschritt aufweist, auch auf sozialem Gebiet, und abwechselnd von Parteien regiert wurde, die leicht links und rechts von der Mitte liegen, ist zumindest überraschend. Die Hauptstadt wird jetzt eine kommunistische Bürgermeisterin von 30 Jahren haben. Doch die Grundfrage, die sich jetzt stellt, ist wie weit die Verfassung einen sozialistischen Einschlag erhält, im Sinne der sozialen Begrenzung des Eigentumsrechts. Mit diesen Wahlen ist in der Politik eine Stärkung der Extreme aufgekommen, wie sie vor der Pinochet-Diktatur bestand und nach der Rückkehr zur Demokratie durch gemäßigte Parteien ersetzt wurde.
Kriegt sie noch die Kurve? Kurz, bevor Angela Merkels Amtszeit als Kanzlerin endgültig beendet ist, schwächt die Corona-Pandemie in Deutschland ab. Öffnungen in weiten Teilen und das Aufheben der Impfpriorisierung bleichen die Flecken aus der verschmutzten weißen Weste der Regierung heraus. Nach einem chaotischen und langen Winter ist nun Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Fast übermütig formulierte Merkel: „In Deutschland scheinen wir auch die dritte Welle gebrochen zu haben.“ Der nationale Flickenteppich bleibt zwar bestehen, es hängt schließlich von den verschiedenen Inzidenzen ab, wie viele Freiheiten sich die jeweiligen Regionen erlauben können. Allerdings sind diese glücklicherweise - und neben den Impfungen wohl auch des wärmeren Klimas wegen - in den allermeisten Regionen unter 100 gefallen. Bis zur Bundestagswahl im September könnte sich die Merkel-Partei also diese positive Stimmung zu Nutze machen und das Vertrauen der Bürger*innen zurückgewinnen; vorausgesetzt, die Temperaturen bleiben bis Ende September mild.
Comments