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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Protokollpunkt Massenmord

Regisseur Matti Geschonneck stellt seinen Film „Die Konferenz“ in Argentinien vor

Von Karoline Richter

Die Konferenz
Reinhard Heydrich vom Reichsicherheitshauptamt eröffnet die Wannseekonferenz: „Nüchterne, professionelle, sachbezogene Tonlage.“ (Foto: cinealeman.com.ar)

Buenos Aires (AT) - Fünfzehn Herren und eine Dame, die Protokollantin, sitzen um einen u-förmigen Holztisch. Draußen, vor den Fenstern, glitzert der Wannsee in der Wintersonne. Die Herren sprechen sich mit Dienstgrad und Doktortitel an, der Ton ist höflich und distanziert. Sie sprechen über „Wagonisierung“, „Wegarbeiten“, „Verbringung“. Die Kellner schenken Kaffee nach. Das Wort „Mord“ wird nicht fallen. Es ist der 20. Januar 1942. Die Herren haben ein gemeinsames Ziel: Die Auslöschung jüdischen Lebens in Europa.

Anlässlich des 80. Jahrestags der historischen Wannsee-Konferenz hat der Regisseur Matti Geschonneck diese fast zweistündige Sitzung der Nazi-Funktionäre für das ZDF verfilmt. Entstanden ist ein Kammerspiel, dessen bürokratische Brutalität nur schwer auszuhalten ist. Das Erschreckende sei für ihn „die Selbstverständlichkeit des Vorgangs“, sagt Geschonneck, der zum argentinischen Kinostart nach Buenos Aires gereist ist, im Gespräch mit dem Tageblatt.

Als ihn das Filmunternehmen Constantin 2017 fragte, ob er einen Film zum Thema machen wolle, habe er lange gezögert. Erst nach Studium des historischen Materials, u.a. des Original-Ergebnisprotokolls zur Konferenz, sei ihm klar geworden, dass er sich nur auf den Vorgang der Konferenz an sich fokussieren wolle, den „üblichen Nazi-Sprech“ und sämtliche Klischees anderer Verfilmungen, dokumentarische Bilder sowie die Musik als filmisches Stilmittel komplett weglassen wolle. Sein Film solle nicht verharmlosen, nichts dürfe ablenken. Und so erinnert „Die Konferenz“ den Zuschauer an eine Vorstandsitzung „mit Frühstück“, wie es im Original-Protokoll heißt, sachlich, ordentlich, ohne Emotion, wie sie jederzeit wieder stattfinden könnte.

„Acht der 15 Konferenzteilnehmer waren promoviert, zehn Männer hatten studiert, alle waren sie preußische Ministerialelite“, sagt Geschonneck. „Interessant ist, dass fast alle jung waren. Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, war Ende 37, Adolf Eichmann war 35 Jahre alt. Was die für Karrieren gemacht haben innerhalb kürzester Zeit.“


Entsprechend jung mussten die Schauspieler sein, seine Auswahl des Ensembles habe er intuitiv getroffen, sagt Geschonneck. Tatsächlich ist die Besetzung herausragend: Jakob Diehl als Gestapo-Chef Heinrich Müller, der fast ohne Mimik und Gestik auskommt, sowie Philipp Hochmair als Reinhard Heydrich überzeugen in der Darstellung der nüchternen, professionellen Massenmörder. Für die Rolle des zurückhaltenden Bürokraten Adolf Eichmann wählte Geschonneck den Schauspieler Johannes Allmayer, der sich bei der Verteilung der Rollen betroffen fragte: „Warum ich?“ Dafür spielt Allmayer den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, der später nach Argentinien auswanderte und unweit von Buenos Aires lebte, mit einer in seiner Beflissenheit geradezu schmerzhaften Banalität. Der entscheidende Hinweis, der damals zur Ergreifung Eichmanns durch israelische Agenten führte, kam übrigens von Lothar Hermann, einem KZ-Überlebenden und regelmäßigem Leser des Argentinischen Tageblatts.

Die Dreharbeiten zum Film fanden innerhalb von nur sechs Wochen im Winter 2020 u. a. am Originalschauplatz statt. „Ich erklärte allen: Konzentriert Euch, die Konferenzteilnehmer müssen ein Problem lösen. Vergesst, dass ihr gefährlich seid, dass ihr Nazis seid, das erledigt schon die Uniform“, erinnert sich Geschonneck. „Die nüchterne, professionelle, sachbezogene Tonlage entsteht dann wie von selbst.“

Dass Fürchterliches geplant worden sei, habe man beim Drehen gar nicht mehr gemerkt. So fragt Heydrich in einer Filmszene den SS-Kommandeur Lange, der Massenerschießungen in Lettland befehligt, knapp: „Probleme?“ Lange antwortet: „Der Boden ist gefroren.“ Woraufhin Heydrich entgegnet: „Wie behelfen Sie sich?“ „Stapeln“, sagt Lange nur.

Für Geschonneck, dessen Vater - der bekannte DDR-Schauspieler Erwin Geschonneck - selbst Opfer der Nazis wurde, hat „Die Konferenz“ bis heute Relevanz: „Ich will zeigen, wozu Menschen imstande sind. Das sind keine Außerirdischen, das sind Leute wie wir.“

„Die Konferenz“ wurde mit Unterstützung des Goethe-Instituts im Rahmen des deutschen Filmfestivals gezeigt. Am 15. September startete der Film landesweit in den argentinischen Kinos.

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