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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Porträts für die Ewigkeit

„Lest we forget“-Ausstellung zur Erinnerung an Holocaust-Opfer

Von Catharina Luisa Deege

Jedinak
Rachel Jedinak. (Foto: Luigi Toscano)

Paris/Buenos Aires (AT) - „Erinnert Euch einfach daran, dass ich unschuldig war, und dass ich, genau wie Ihr Sterblichen an jenem Tag, hatte ich, auch ich, ein Gesicht gezeichnet von Wut, von Mitleid und von Freude, das Gesicht eines Menschen, schlicht und einfach!“, zitiert UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay den im Holocaust ermordeten Benjamin Fondane. Azoulay spricht in eine Videokamera und eröffnet die Ausstellung „Lest we forget“ (deutsch etwa: Auf dass wir niemals vergessen mögen) von Künstler Luigi Toscano mit ihren Worten.

Seit diesen Montag lässt sich die anlässlich zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (27. Januar) organisierte Ausstellung besichtigen. In den Hallen sowie rund um den UNESCO-Hauptsitz in Paris befinden sich die insgesamt 200 Porträts Holocaust-Überlebender, die auf eindrückliche Weise an die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes erinnern. „Sie stehen für all die zerbrochenen Träume und Leben, die die Nazis vollständig auszulöschen versuchten“, sagt UNESCO-Projektmanager Karel Fracapane über die Fotografien.

Es sind riesige Fotoleinwände, von denen einige nun am Zaun der internationalen Organisation hängen. Mal bilden sie Frauen, mal Männer ab. Die Gesichter sind in die Jahre gekommen, es lassen sich Falten, Muttermale, Augenringe erkennen. Mal zeichnen die Lippen ein leichtes Lächeln, meistens sind sie ernst. Der Blick ist müde, der Ausdruck trotzdem bei allen gleichermaßen stark.

Audrey Azouley erklärt: „Gesichter, so der französische Philosoph Emmanuel Levinas, geben Anlass zur Verantwortung. Gesichter sind ethische Imperative, die uns zur Rechenschaft ziehen.“ Sie mahnt: „Es ist unsere individuelle und kollektive Verantwortung, uns zu erinnern. Um uns an all jene zu erinnern, deren Gesichter nie alt geworden sind.“ Dazu dankt die Generaldirektorin dem Deutschitaliener Luigi Toscano, er sei um die Welt gereist, um diese Bilder einzufangen. „Durch seine Arbeit trägt er dazu bei, die Erinnerung an die Opfer in ihrer ganzen Einzigartigkeit zu bewahren.“

Heiko Maas - Luigi Toscano
Heiko Maas (l.) und Künstler Luigi Toscano. (Foto: Twitter)

Bei der pandemiebedingt online stattfindenden Eröffnung der Ausstellung kam auch der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) zu Wort. Er appellierte: „Ihr Zeugnis lebt in diesen Bildern weiter. Es ist unsere Verantwortung es als Demokraten, als Mitmenschen zu bewahren." Die Kunstausstellung ist ein Projekt der UNESCO und entstand in Zusammenarbeit mit den Ständigen Vertretungen Deutschlands, Österreichs, Frankreichs und der Europäischen Union, des Jüdischen Weltkongresses, des Repräsentativen Rates der jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF), der Nationalen Kulturinstitute der Europäischen Union (EUNIC), der Österreichischen Botschaft und des Polnischen Instituts in Paris.

Besonders berührend bei der Online-Zeremonie waren die eingeblendeten Interviews mit einigen Personen, deren Gesichter auf Toscanos Fotografien abgebildet sind. Élie Buzyn betrachtet im Video sein riesiges Porträt, ihm kommen die Tränen. Im aufgezeichneten Gespräch sagt er: „Ich denke, da nur noch wenige von uns am Leben sind, müssen wir dafür sorgen, dass die jüngeren Generationen sich daran erinnern, dass es uns gab, dass wir gelebt haben.“ Er führt fort: „Und dass unsere Eltern in gewisser Weise noch am Leben sind, dank der Tatsache, dass wir noch über sie sprechen.“

Auch Rachel Jedinak erzählt ihre Geschichte: „Ich habe es geschafft, mit meiner Schwester aus einem Internierungslager zu fliehen. Meine Mutter wollte, dass wir fliehen. Ich wollte sie nicht verlassen, ich hatte schreckliche Angst. (...) Also hat mich meine Mutter geohrfeigt, die einzige Ohrfeige, die ich je bekommen habe. Aber ich habe später verstanden, dass diese Ohrfeige mein Leben gerettet hat.“ Bis zum 12. Februar sind die Porträts noch im Hauptsitz der UNESCO in Paris zu besichtigen. Die Fotos und die Geschichten, die Luigi Toscano eingefangen hat, bleiben jedoch unvergänglich.


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