25 Jahre "Ständige Vertretung"
Von Andreas Rabenstein
Rheinland, Karneval und Kölsch auf der einen Seite. Preußische Metropole mit Großstadtschnauze auf der anderen. Bonn und Berlin verbindet wenig. Eine Kneipe schaffte die Verbindung zwischen der alten und neuen Hauptstadt.
Berlin - Jüngere Menschen können es sich vielleicht gar nicht mehr vorstellen, aber vor vielen Jahren hieß die deutsche Hauptstadt nicht Berlin, sondern: Bonn. Nach der Wiedervereinigung zog die Bundesregierung 1998 von Bonn nach Berlin, zahlreiche Politiker und Bonner Beamte mussten folgen. Sie trafen auf eine laute Großstadt - und eine Bonner Nostalgie-Kneipe, in der es Kölsch aus kleinen Gläsern und rheinische Spezialitäten gab und die Wände gepflastert waren mit Fotos der rheinischen Polit-Prominenz seit Adenauer.
Nicht umsonst hieß die Kneipe "Ständige Vertretung" (StäV) so wie die Diplomatische Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, der Hauptstadt der DDR. Vor 25 Jahren öffnete sie und wurde eine der bekanntesten Kneipen Berlins: Prominente Politiker als Gäste, Abend für Abend volle Tische und Kassen, laute Karnevalspartys mit Anzeigen der Nachbarn und zahllose Medienberichte. Am Montagabend wird das Jubiläum gefeiert. Zur Gratulation kommen die früheren Bürgermeister von Berlin und Bonn, Klaus Wowereit und Bärbel Dieckmann.
Einer der beiden Gründer war ausgerechnet Friedel Drautzburg (geb. 1938), einst Jurastudent, dann Wahlkämpfer mit Günter Grass für Willy Brandt und später Bonner Stammwirt von Politikern und Journalisten, und Anfang der 90er-Jahre dann glühender Berlin-Gegner.
Als Bonn den Kampf verlor, siegte Drautzburgs Geschäftssinn. Zusammen mit seinem elf Jahre jüngeren Kompagnon Harald Grunert eröffnete er die "Ständige Vertretung" direkt an der Spree nahe der Friedrichstraße - und landete damit einen gastronomischen Erfolg sondergleichen. Auch weil die Medienprofis intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben: Es gab das "Kölsche Survival Package Berlin" mit einem Karnevals-"Stimmungsbeutel" mit Konfetti und Luftschlangen für die Abgeordneten.
Die Polit-Prominenz der 1990er und 2000er-Jahre in der "StäV" ist in einem früheren Jubiläumsband abgebildet: Bundespräsidenten wie Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Johannes Rau, die Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder, auch die noch jüngere Angela Merkel kam zu Besuch. Dazu Minister, viele mit Kölschgläsern in der Hand: Hans Eichel, Wolfgang Clement, Heiner Geisler, Rudolf Scharping, Andrea Nahles, Oskar Lafontaine und Guido Westerwelle. Außerdem Moderatorin Sabine Christiansen am Arm des Wirts und Schauspieler Ben Kingsley sowie Regisseur Wim Wenders am Zapfhahn.
Zwischenzeitlich wurde Wirt Grunert zum Berliner Karnevalsprinz Harald I. gekürt. Versuche, in Berlin einen jährlichen Karnevalszug zu etablieren, scheiterten allerdings bald an der preußischen Realität.
Im Lauf der Jahre drängten sich Rheinländer in der Diaspora an den Tischen und vor allem immer mehr Touristen, die die Friedrichstraße und die nahen Theater besuchen oder aus Ausflugsschiffen und Reisebussen stiegen. Drautzburg und Grunert eröffneten weitere Kneipen und Restaurants in Berlin und vergaben Lizenzen für weitere "Stävs" in anderen Städten. 2017 verkauften sie die "Ständige Vertretung" und setzten sich zur Ruhe.
Heute führen jüngere Gastronomen den Laden. Viele Politiker auf den alten Fotos sind inzwischen tot. Mit den Erinnerungsstücken an Bonn und den Umzugsstreit nach der Wiedervereinigung hat die Kneipe längst Museums-Charakter. Die aktuelle Politik hält nur noch ab und zu Einzug. Im Frühjahr wurden Fotos von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) aus den Speisekarten entfernt, weil er sich trotz des Kriegs in der Ukraine nicht vom russischen Staatschef Wladimir Putin distanzierte. Schröder war neben der angebotenen Currywurst zu sehen, als deren Fan er gilt.
Die Verbindung von rheinischem Sauerbraten und Berliner Eisbein, die unter den Fotos von Konrad Adenauer, Helmut Schmidt und Michail Gorbatschow verzehrt werden, bleibt aber beliebt und ist in allen Reiseführern zu finden. Und Drautzburg, inzwischen 84 Jahre alt, erhielt das Bundesverdienstkreuz. Zur Begründung hieß es, die "Ständige Vertretung" in der neuen Hauptstadt Berlin stehe für ein wichtiges Zeichen des gesamtdeutschen Zusammenwachsens. (dpa)
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