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Platz für alle

Ausstellung über die soziale Aufgabe von Architektur und Stadtplanung

Von Karoline Richter

Platz fuer alle
Ideen aus aller Welt: Vor Buenos Aires war die Wanderausstellung bereits in Berlin, Pittsburgh und Montevideo. (Foto: Michael Lapuks)

Buenos Aires (AT) - Was macht die Stadt von heute lebenswert? Wie können Architekten helfen, den Alltag der Bewohner angenehmer, sozialer, umweltverträglicher zu gestalten? Diesen Fragen geht die Ausstellung „An Atlas of Commoning: Orte des Gemeinschaffens“ nach, die vom 21. Oktober bis zum 2. Dezember 2022 im Museum für Architektur und Design (MARQ) in Buenos Aires zu sehen ist. Gemeinsam mit Architekten, Stadtplanern und Künstlern hat das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) eine Wanderausstellung konzipiert, die bereits in Berlin, Pittsburgh und Montevideo gastierte. Ihr Anliegen: Die soziale Aufgabe von Architektur wiederentdecken, inspiriert von Ideen und Erfahrungen aus aller Welt.

Entstanden ist eine beeindruckende Dokumentation argentinischer, aber auch internationaler Initiativen, die Nachbarn, Künstler oder Studenten ins Leben gerufen haben, um ihre Stadtviertel, Wohnanlagen oder Arbeitsstätten nachhaltig zu verbessern. Auf den vier Ebenen eines alten Wasserturms stellt das MARQ diese Projekte mittels Kunstwerken, Fotografien, Audio- oder Videoinstallationen vor.

„Warum brauchen wir kollektive Produktionsräume?“, fragte der deutsche Botschafter Dr. Ulrich Sante anlässlich der Eröffnung der Ausstellung am vergangenen Freitag. Heutzutage dominiere Individualismus, verstärkt durch moderne Medien, man müsse über die Rolle von Räumen und ihre Bedeutung für Begegnungen nachdenken.

Städtische Gemeingüter, etwa Wohninitiativen, Kunstprojekte, Gemeinschaftsgärten, stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Bue-nos Aires sei dafür das beste Beispiel, findet der deutsche Architekt und Co-Kurator der Schau, Stefan Gruber. Die Stadt sei von unten konzipiert: „In den informellen Siedlungen, den Villas, steckt so viel Kreativität und städtische Intelligenz, davon können wir Städteplaner nur lernen.“ Beeindruckt habe ihn etwa die Kooperative Bella Flor, eine Genossenschaft nahe des Recyclingzentrums Norte III, die 1998 hervorgegangen sei aus einer Siedlung, die von den Abfällen der Stadt lebt. Mittlerweile generiere die Kooperative genügend Einkommen für alle, es gebe ein Gemeindezentrum mit Kindergarten, eine Volksküche, einen Garten. „Zu sehen, wie aus dieser gemeinschaftlichen Arbeit soziale Infrastrukturen entstehen, nicht vom Staat, sondern von den Menschen aus, das ist beeindruckend“, so Gruber.

Die Theatergruppe „Catalinas Sur“ im südlichen Stadtteil La Boca ist ein weiteres Vorzeigebeispiel. Anwohner hatten vor 35 Jahren begonnen, auf den Plätzen des Viertels Theater zu spielen. Heute besteht das Ensemble aus 500 Mitgliedern aller Altersgruppen, es gibt Theaterworkshops, Shows mit Kindern, eine Puppenwerkstatt. All diese Initiativen dokumentiert der „Atlas of Commoning“ mit Fotos, Interviews und Artikeln, an jedem Ausstellungsort kommen neue Beispiele dazu.

„Ohne gemeinschaftliches Handeln würde Buenos Aires nicht funktionieren“, ist sich der Architekt Markus Vogl, der die Schau vor Ort begleitet, sicher. „In vielen informellen Siedlungen sind Staat und Verwaltung wenig präsent. Die Kommunen entwickeln ihre eigene Logik des Zusammenlebens, Gärten oder Wohnprojekte entstehen aus der Notwendigkeit heraus.“ Die Bewohner fühlten sich vom Staat im Stich gelassen. Lokale Initiativen gäben ihnen mehr Lebensqualität und das Gefühl, selbst aktiv zu werden.

Eine Hommage an die lokale Wirtschaft findet sich am Eingang der Ausstellung: Zwei Straußenvögel fallen ins Auge, entworfen hat sie der argentinische Künstler Gaspar Libedinsky. Ihr Federkleid besteht aus je 40 Staubwedeln, gemacht aus Straußenfedern, in Buenos Aires „Plumero“ genannt. Kleine Läden im Stadtteil Retiro verkaufen sie an gut betuchte Wohnungsbesitzer. Er wolle die Verwandlung des Gewöhnlichen ins Ungewöhnliche zeigen, sagt Libedinsky: „Handwerker fertigen die „Plumeros“, Händler verkaufen sie, sie gehen durch viele Hände. Und bei mir werden sie wieder zu Straußenfedern. Der perfekte Wirtschaftskreislauf!“

Die Ausstellung wurde mit Unterstützung der Deutschen Botschaft, des Goethe-Instituts und der Facultad de Arquitectura, Diseño y Urbanismo organisiert (www.goethe.de/ins/ar/es/index.html).

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