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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Peronismus heute

Von Juan E. Alemann

Letzten Samstag feierte der Peronismus den 75. Jahrestag seines faktischen Entstehens, das zunächst in einer großen Anhängerschaft des damaligen Oberst Juan Domingo Perón bestand, eine der Hauptfiguren des Militärputsches vom 4. Juni 1943, der den gewählten Präsidenten Ramón Castillo absetzte. Perón wurde später Vizepräsident und gleichzeitig Leiter des Arbeitsamtes. Doch im Oktober 1945 hatte innerhalb der damaligen Militärdiktatur die Gruppe die Macht übernommen, die gegen Perón eingestellt war und diesen festgenommen hatte. Daraufhin riefen Gewerkschafter u.a. die Arbeiter auf, sich auf der Plaza de Mayo zu versammeln, um die Freilassung von Perón zu fordern. Der Platz wurde im Laufe des Nachmittags voll.

Die Militärs, die die Regierung übernommen hatten, wurden unruhig, und brachten schließlich Perón ins Regierungsgebäude. Dieser sagte dem damaligen Präsidenten, General Edelmiro Farrell, die einzige Lösung sei die Einberufung von Wahlen. Und dann bat ihn Farrell, dafür zu sorgen, dass die Menschen auf der Plaza de Mayo nach Hause gingen.

Als Perón auf dem Balkon der Casa Rosada erschien, war er selber überrascht, so viele Menschen zu sehen, die ihm zujubelten. Es dauerte eine Weile, bis er sich bewusst wurde, was hier geschehen war und mit seiner Rede in Schwung geriet. In diesem Moment hat er begriffen, dass er Präsident werden würde.

Perón hatte schon vorher eine Machtstruktur aufgebaut. Zunächst hatte er, lange vor dem Putsch vom 4. Juni 1943, das GOU (Grupo de oficiales unidos) innerhalb des Heeres gebildet, Dann hat er enge Beziehungen mit der katholischen Kirche aufgebaut. Und schließlich hat er den Gewerkschaften die Einbehaltung des Arbeitnehmerbeitrages durch die Unternehmen gewährt, womit die Gewerkschafter plötzlich über viel Geld und eine große Macht verfügten. Denn vorher zahlten nur wenige den Beitrag. Und außerdem traf er zahlreiche Entscheidungen zu Gunsten der Arbeiter. Er gewann schließlich die Wahl mit überwältigender Mehrheit. Doch darüber hinaus hatte er eine Anhängerschaft, die weit über die formelle Partei hinausging, die heute noch besteht.

Einige Monate vor seinem Tode sagte Perón in einem Vortrag im Theater Cervantes, in dem er sich kategorisch für Privatisierungen einsetzte, dass das einzig Unabänderliche des Justizialismus (der formelle Name der peronistischen Partei) der Begriff der sozialen Gerechtigkeit sei. Doch die Sozialpolitik, die damit gemeint ist, wird heute nicht mehr als solche, sondern nur in ihrer konkreten Form diskutiert. Der Peronismus hat im Grunde seine Differenzierung eingebüßt, und die Peronisten wissen selber nicht, wo sie ideologisch stehen.

Die von den Gewerkschaften zum 75. Jahrestag jenes 17. Oktobers 1945 organisierte Feier war keine Volkskundgebung und erscheint im Vergleich zu den Menschenmassen, die am Montag im ganzen Land auf die Straße gegangen waren, politisch unbedeutend. Das hängt auch damit zusammen, dass Argentinien zu einer Mittelstandsgesellschaft geworden ist, während das Land 1943 ein großes Lumpenproletariat aufwies, das Perón direkt ansprach und “Hemdlose” (descamisados) getauft hatte. Am Samstag sind die Peronisten in Automobilen aufgetreten…

Der Peronismus besteht als Mythos weiter, auch mit Politikern und Gewerkschaftern, die sich bemühen, ihm ein zeitgemäßes Antlitz zu geben. Das hatte Mauricio Macri schon begriffen, als letztes Jahr er den Peronisten Miguel Angel Pichetto als seinen Vizepräsidentschaftskandidaten aufnahm. Und jetzt sagte er, der Kirchnerismus habe den Peronismus entführt, was effektiv den Tatsachen entspricht. Ob und wie er sich befreien kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

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