Wie Seilbahnen unsere Städte nachhaltiger machen könnten
Berlin (dpa/wvg) - In Mexiko-Stadt ist das v.öllig normal, auch in Bogotá und La Paz findet keiner was dabei: mit der Seilbahn von A nach B zu kommen, hoch über den Dächern. Fahren bald auch in deutschen Städten die Menschen so zur Arbeit, über Häuser und Staus hinweg zum Einkaufen und zur Schule? Berlin will als erste Stadt bundesweit eine Seilbahn komplett in den öffentlichen Nahverkehr integrieren.
Für die Menschen in einigen Großstädten Südamerikas ist Seilbahn fahren bereits völlig normal. La Paz etwa hat insgesamt 27 Kilometer Seilbahn, das dichteste Netz der Welt. Boliviens Hauptstadt hat bis zu 1000 Meter Höhenunterschied zu überwinden - Berlin hat den Kienberg. Das ist eine Anhöhe aufgestockt mit Kriegstrümmern und Bauschutt, gut 100 Meter hoch. In Berlin heißt so etwas Berg. Hier, in Marzahn am Ostrand der Stadt, fährt die Seilbahn.
Wer die U5 verlässt, braucht nur ein paar Schritte zur Seilbahnstation, durch die 64 Gondeln gleiten. Zu Füßen liegt der Kienbergpark mit den Gärten der Welt, ein beliebtes Ausflugsziel. Aus Anlass einer Gartenausstellung 2017 wurde die Seilbahn gebaut.
Die Seilbahnfahrt ist bislang jedoch ein Selbstzweck, eine Besucherattraktion. Auf dem Weg durch die Stadt kommt damit niemand schneller zum Ziel. Dennoch: Die rot-grün-rote Koalition hat beschlossen, dass man sie künftig mit dem normalen ÖPNV-Ticket nutzen kann. Sie setzt damit ein Zeichen. Eine Studie soll nun bis 2023 zeigen, ob weitere Seilbahnen den Nahverkehr sinnvoll ergänzen können.
Bereits konkreter denkt München über eine mehrere Kilometer lange Seilbahn im Norden der Stadt nach, Bonn erwägt eine Überquerung des Rheins. „Zurück von der autogerechten Stadt hin zu einem Lebensraum mit besserer Luft und weniger Lärm“, heißt es in der Bundesstadt.
Auch der Bund kann dem Verkehrsmittel etwas abgewinnen. „Klimafreundlich, preiswert, zuverlässig“, so die wichtigste Attribute. Außerdem seien Seilbahnen schnell zu verwirklichen. „Sie können Lücken im ÖPNV schließen, Busverkehre ersetzen oder den ländlichen Raum anbinden.“ Auch das Bundesministerium lässt eine Studie erarbeiten.
„Eine Seilbahn allein ist nicht die Lösung aller Verkehrsprobleme“, dämpft das Haus aber die Begeisterung. Als Stetigförderer könne die Seilbahn nicht große Massen in kurzer Zeit von A nach B bringen. „Unsere Frage ist vielmehr: Wann kann eine Seilbahn eine sinnvolle Ergänzung zum ÖPNV sein? Wo kann sie ihre spezifischen Stärken ausspielen?“ Städte müssten die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen.
So sehen es auch die Nahverkehrsbetriebe in Deutschland. „Man kann Seilbahnen schnell bauen, sie brauchen wenig Platz und liefern permanenten Verkehr“, sagt Lars Wagner, Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. Wichtig sei jedoch, dass der verkehrliche Nutzen stimme - auch weil dann eine Förderung durch den Bund möglich werde. Seilbahnen wurden erst letztes Jahr in das entsprechende Gesetz aufgenommen. Es bleibe aber eine Hürde: „Sie bekommen von denen, die an der Strecke wohnen, wenig Beifall.“
In Hamburg etwa ist ein Seilbahn-Plan schon vor Jahren gescheitert. Bürger lehnten die Bahn von St. Pauli über die Elbe und auf die andere Hafenseite in einem Entscheid ab. Gegner sorgten sich unter anderem um das Stadtbild.
Aus der Studie für das Bundesverkehrsministerium soll daher auch ein Leitfaden hervorgehen, wie Städte Seilbahnprojekte am besten anschieben. „Bei allen Infrastruktur-Projekten ist eine frühzeitige offene und transparente Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern nötig“, meint Beck.
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