Angesichts riesiger finanzieller Belastungen durch die Corona-Krise hat die Industriestaatenorganisation OECD ihre Mitgliedsländer dazu aufgerufen, Erbschaften verstärkt zu besteuern. Dazu müssten diese Steuern aber besser ausgestaltet werden, erklärte der führende Steuerexperte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Pascal Saint-Amans, am Dienstag in Paris. In der Tat wirft diese Steuer viele schwierige Probleme auf, die sich auf technische Aspekte und ungewollte Folgen beziehen.
Rund zwei Drittel der zusammen 37 Mitgliedsländer der OECD besteuern Erbschaften bereits. Steuern auf Erbschaften und Schenkungen könnten dazu beitragen, soziale Ungleichheiten in den Ländern zu verringern und die Lage der öffentlichen Kassen zu verbessern, heißt es in einem Bericht. Erbschaftsteuern seien auch leichter zu erheben als andere Steuern auf Vermögen. In den Ländern, in denen Erbschaften und Schenkungen besteuert werden, machen diese Abgaben bisher im Schnitt nur 0,5% der gesamten Steuereinnahmen aus, wie die OECD berichtete. In den USA werden überhaupt nur 0,2% der Erbschaften besteuert, im Kanton Zürich in der Schweiz sind es hingegen 12,7% . Sehr hoch ist auch der Anteil in der Region der belgischen Hauptstadt Brüssel mit 48%. Die OECD machte darauf aufmerksam, dass nicht für alle Länder Angaben vorliegen.
Die Erbschaftssteuer wird mehrere Probleme auf. Beim Mittelstand führt sie dazu, dass Unternehmen verkauft oder liquidiert oder teilweise verkauft werden müssen, um die Steuer zahlen zu können. Dadurch wird die normale Übertragung von einer Generation auf die nächste gestört. Gelegentlich tritt das Problem auch bei Wohnungen auf, die von Vater auf Sohn übergehen. In den Vereinigten Staaten ist der von der Steuer befreite Betrag sehr hoch, so dass diese Probleme nur selten auftreten.
Eine hohe Erbschaftssteuer wirkt gelegentlich auch als Abschreckung für Kapitalinvestitionen. Doch wenn die Inhaber der Investitionen ihren Steuersitz im Ausland haben, dann werden sie dort besteuert. In diesem Fall würde ein schon im Empfängerland der Investition gezahlter Betrag von diesem angerechnet und im Land, aus dem die Investition stammt, vom Betrag der Steuer abgezogen werden. Dazu bedarf es jedoch ein Doppelbesteuerungsabkommen.
In Argentinien bestand schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Erbschaftssteuer. Sie wurde dann in den 40er Jahren abgeschafft und bei Aktiengesellschaften durch eine Kapitalsteuer ersetzt, die als Ersatzsteuer der Erbschaftssteuer benannt wurde, weil diese dabei angeblich in Raten schon vor dem Tod des Kapitalinhabers gezahlt wurde. Die Kapitalsteuer wurde später verallgemeinert. Nach 1973, unter den Regierungen von Cámpora, Perón und Isabel Péron, wurde die Erbschaftssteuer wieder eingeführt, wies jedoch große technische Mängel auf, so dass sie Erbschaften verzögerte und juristische Probleme schuf.
Mit der Militärrevolution wurde die Erbschaftssteuer im April 1976 wieder abgeschafft, und auch unter Alfonsín, Menem und den nachfolgenden Regierungen nicht wieder eingeführt. Indessen wurde die Steuer unter Daniel Scioli als Gouverneur der Provinz Buenos Aires (2007-2015), in dieser wieder eingeführt, was ein Problem schuf und viele Leute dazu veranlasste, ihren steuerlichen Wohnort auf die Bundeshauptstadt zu verlegen. Die Erbschaftssteuer muss national sein. Doch bisher ist keine Initiative, im Kongress oder in der Regierung, aufgekommen, um sie wieder einzuführen. Die Zunft der Anwälte ist besonders dagegen, weil das Erbschaftsverfahren zur Berechnung der
Steuer komplex ist (angefangen mit der Bewertung vom Immobilien) und die Erbschaftsverfahren verzögert, so dass sie auch ihre Honorare mit Verspätung erhalten. Ein besonderes Problem stellt sich in Argentinien wegen der Inflation, die die Bewertung der Vermögenswerte erschwert und auch die Gefahr mit sich bringt, dass ein fester Betrag, bis zu dem ein Vermögen keine Erbschaftssteuer zahlt, so dass das oben erwähnte Problem der Zerstörung von Familienbetrieben nicht auftritt, in realen Werten mit der Zeit schmilzt und an Bedeutung verliert. (dpa/AT/jea)
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