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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Natalia Sáenz Valiente und ihre „Ocioteca“

Von Marion Kaufmann

Vor ein paar Tagen hat mich Natalia besucht.

„Du wirst es nicht glauben“, sagte mein Gast, „als ich 20 war, war ich ein Mannequin; sechs Jahre lang widmete ich mich der Mode und pendelte immer zwischen Lissabon, Madrid und Caracas.“ Ich schaue sie an, es ist lange her, dass sie 20 war und inzwischen hat sich der Beruf in eine Berufung verwandelt, Menschen zu helfen.

Statt auf dem Laufsteg zu wandeln, nimmt sie eine große Tasche, voll mit Büchern und besucht ältere und alte Menschen. „Ich bin jemand, der gerne mit Menschen spricht, habe keine Hemmungen einen Fremden auf einer Plaza oder im Bus zu fragen, ob er gerne Bücher liest und gegebenenfalls welches Genre er bevorzugt“, und da sind wir schon bei Natalias „Arbeit“, die sie liebt und die sie „Ocioteca“ nennt. Mit einer Anzahl eigener oder gespendeter Bücher besucht sie ältere und alte Menschen in deren Wohnungen oder geht zu Seniorenheimen. Ihre Lieblingsziele aber sind die Plazas, zum Beispiel Plaza de Mayo, der Platz am Kongress oder in Monserrat. Viele ältere Männer und Frauen wissen nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, sie fühlen sich vereinsamt, werden deprimiert... Ihnen möchte Natalia helfen und animiert sie zum Lesen. Manchmal liest sie ihnen auch vor oder vergibt ein Buch, wenn jemand es selber, zu Hause, lesen möchte.

Ich frage sie, welche Art Literatur am meisten interessiert.

„Alles, natürlich auf Spanisch: Romane, Kurzgeschichten, allgemeine Themen, aber besonders gefragt ist die Poesie.

„Wenn ich auf einer Plaza ein Buch kommentiert oder ein paar Seiten vorgelesen habe und jemand dafür bezahlen möchte, dann erkläre ich, dass meine Tätigkeit, die „Ocioteca“, absolut kostenfrei ist, denn es handelt sich um ein kulturelles Vorhaben, um den Menschen nicht nur die Einsamkeit zu erleichtern sondern auch die Lust zum Lesen zu erwecken und gleichzeitig Dichter und Schriftsteller bekannt zu machen.“

Meine einzige bezahlte Arbeit ist der Job im Centro Cultural Rojas, wo ich die Anträge der Kursteilnehmer bearbeite.

„Und was bedeutet die „Ocioteca“ für dich selbst?“

„Mein ganzes Leben hat sich geändert, denn ich habe das Zuhören gelernt. Oft möchte jemand etwas sagen, aber es fällt ihm schwer, zu sprechen. Man muss ihm helfen; manchmal ist auch das Schweigen dabei wichtig. Deshalb ist es notwendig, nicht nur zu sprechen, sondern sich die Zeit zu nehmen, um aufmerksam zuzuhören.

Musst du dich dafür vorbereiten?

„Überhaupt nicht. Ich habe an der UBA „Filosofía y Letras“ studiert,

und an der Universität Untref den Umgang mit Kunst und Kultur gelernt und jetzt bin ich dabei, mich in Bibliothekologie auszubilden. Aber das Beste, was ich kann, ist mit Menschen zu sprechen!

Seit einiger Zeit ist Natalia oft unterwegs. Sie ist nicht nur in Buenos Aires bekannt, sie reist auch häufig in die Provinzen, wo man sie von Seniorenheimen und diversen anderen Institutionen auffordert, über ihre Arbeit zu sprechen. Dann reist sie nicht mit einem Koffer voller Kleider, wie einst, sondern mit Taschen und Beuteln voller Bücher.

Info: N. Sáenz Valiente

Tel. 11-2638-6527

nataliapaolasvaliente@gmail.com

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