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Multimedia-Visionär und Technikfreak

„Märchenkönig“ Ludwig II. würde 175

Von Sabine Dobel

Ludwig
Ludwig im Alter von 20 Jahren. Gemälde von Ferdinand Piloty (1865).

Pomp und Schulden, Visionen und Menschenscheue: Der unter ungeklärten Umständen gestorbene König Ludwig II. bleibt ein Mythos. Zu seinem Geburtstag vor 175 Jahren loderten in Oberammergau Feuer - und Getreue pilgerten nach Altötting, wo sein Herz bestattet ist.

Herrenchiemsee/Füssen - Er baute die Schlösser Herrenchiemsee, Linderhof und das weltberühmte Neuschwanstein, er hasste Kriege, förderte Richard Wagner, produzierte immense Schulden - und starb entmündigt unter umstrittenen Umständen im Starnberger See. Der „Märchenkönig“ Ludwig II., dessen Leben mehrfach verfilmt wurde, unter anderem von Luchino Visconti, war wohl der schillerndste Regent Bayerns. Anstatt wie andere Herrscher feudal zur Jagd zu reiten oder den Feldherrn zu geben, plante er lieber neue Bauten, tüftelte an raffinierten Erfindungen und träumte vom Fliegen. Bis heute verehren ihn Anhänger - als Visionär, Technikfreak und „Friedensfürsten“. Rund um den 25. August begehen sie seinen 175. Geburtstag.

Auf den Gipfeln bei Oberammergau loderten am Vorabend des Geburtstags zum „flammenden Gedenken“ Feuer. Ursprünglich war ein Gottesdienst in der Münchner Michaelskirche geplant, wo der König beigesetzt ist. „Das ist aber abgesagt worden vor dem Hintergrund der Corona-Krise - mit Bedauern. Wir hätten gerne etwas gemacht“, sagt Marcus Freiherr von Bechtolsheim, Präsident der Verwaltung des Herzogs Franz von Bayern, als Chef des Hauses Wittelsbach.

Nicht abhalten lassen sich die Königstreuen. Sie haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Erinnerung an die Wittelsbacher und ihre Leistungen als bayerische Herrscher hochzuhalten. Bayern, sagt Stefan Jetz, Vorsitzender des Verbands der Königstreuen in Bayern, wäre anders ohne die Wittelsbacher - und ohne Ludwig II.

Einige Getreue wollten zum Grab in der Gruft der Michaelskirche steigen; Jetz selbst besuchte des Königs Herz in der Gnadenkapelle in Altötting, wo die Herzen aller bayerischen Könige beigesetzt sind. Wieder andere pilgerten zum Königshaus am Schachen, wo der König die Berglandschaft genoss. Die Jagd lehnte er ab.

„Er war ein Friedenskönig. Er hat sich mit Händen und Füßen 1866 und 1870 gegen Krieg gewehrt - aber er konnte nicht aus dem Deutschen Bund“, sagt Jetz. „Für mich war er kein Märchenkönig, sondern ein Fantast, er lebte in einer Traumwelt - und er hat Bayern wie kein anderer technisch vorangebracht. Mit Märchen hat das wenig zu tun.“

Der junge König eiferte nicht nur dem Prunk des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwigs XIV. und dessen Versailles nach. Seine Schlösser steckten auch voll ungewöhnlicher Technik. Neuschwanstein wurde durch ein Rohrsystem geheizt, das im Winter warme Luft in die Räume blies. Essen kam per Aufzug von der Küche in den Speisesaal - eine Art „Tischlein, deck dich“. Es gab fließendes, teils warmes Wasser und eine automatische Toilettenspülung.

„Er war nicht nur der Märchenkönig, er war auch ein großer Technikförderer. Man sah damals die Notwenigkeit einer höheren technischen Bildung im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung Bayerns“, sagte 2018 der damalige Präsident der Technischen Universität München, Wolfgang Herrmann, zum 150-jährigen Bestehen der Uni. 1868 hatte Ludwig II. die Uni als Polytechnische Schule München gegründet, nachdem er 1867 die Pariser Weltausstellung besucht hatte.

Sisis Schwester Herzogin Sophie
Versetzte Verlobte: Sisis Schwester Herzogin Sophie in Bayern (1867).

Der Versuch des strengen und kühlen Vaters Maximilian, den Buben zur Sparsamkeit zu erziehen, scheiterten. In Ludwigs Schlössern funkeln Edelsteine, Gold und Glas. Wände in Neuschwanstein sind mit Szenen aus Lohengrin und Parzival bemalt, mit Rittern und Heiligen.

So sehr der gleichermaßen selbstherrliche wie menschenscheue König für Richard Wagner schwärmte und ihn mit Geld förderte, so sehr lehnte er dessen Antisemitismus ab. Als Wagner von dem Hoftheaterdirigenten Hermann Levi den Übertritt vom jüdischen zum christlichen Glauben verlangte, falls er die Uraufführung des „Parsifal“ in Bayreuth dirigieren wolle, griff Ludwig II. ein - die Uraufführung fand unter Levis Leitung statt. Ludwig II. blieb ehelos. Seine Verlobung mit der Herzogin Sophie Charlotte in Bayern 1867 löste er im selben Jahr.

Der Rückzug des Monarchen aus den Regierungsgeschäften und vom höfischen Leben, Gerüchte um sein (am gleichen Geschlecht interessiertes) Intimleben und die enorme Schuldenlast mündeten in seiner Absetzung. Ludwig II. wurde in einem psychiatrischen Gutachten im Auftrag der Regierung für geisteskrank erklärt und abgesetzt. Sein Onkel Luitpold als Prinzregent trat an seine Stelle.

Ludwig II. wurde in seinem Schloss Berg am Starnberger See unter Aufsicht gestellt. Bei einem Spaziergang mit dem Psychiater Bernhard von Gudden am 13. Juni 1886 kamen der König und sein Arzt im seichten Wasser auf bis heute ungeklärte Weise ums Leben.

Mit einer Messe gedenken die Königstreuen alljährlich in festlicher Tracht des ungeklärten Todes ihres „Kini“. Für sie ist klar: Er wurde erschossen. Vieles sei damals unstimmig gewesen, sagt Jetz.

Auch die „Guglmänner SM. König Ludwig II.“, eine auf die Zeit der Kreuzfahrer zurückgehende Bruderschaft, glauben an Mord. Der Geheimbund, dessen Mitglieder in schwarzen Kutten mit Wappenschild der Bayernherrscher und Kapuzen (Gugl) mit Sehschlitzen auftreten, fordert bis heute Aufklärung. Zum 125. Todestag 2011 verlangen sie dazu sogar „Sargöffnung subito“ - worauf allerdings niemand hörte.

2020 warteten die Guglmänner mit einer neuen Idee auf. Sie wollten Ludwigs Konterfei meterhoch in die Kampenwand bei Aschau im Chiemgau meißeln lassen. Von dem Berg aus könne der König direkt auf sein Schloss Herrenchiemsee schauen, hieß es. Es sieht allerdings nicht danach aus, als ob der Plan Aussicht auf Realisierung hätte. (dpa)


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