Von Juan E. Alemann
Die argentinischen Staatsfinanzen befinden sich in einer äußerst kritischen Lage, nachdem die Sozialausgaben wegen Corona-Pandemie und Krise enorm gestiegen und die Steuereinnahmen gleichzeitig brutal eingebrochen sind. Wenn nichts unternommen wird, endet das hohe Defizit, das schließlich mit Geldschöpfung finanziert wird, unvermeidlich in Hyperinflation. Die Regierung muss sich darum kümmern, dass überall gespart wird, auch bei der Justiz.
Statt dessen schlägt der Präsident eine Reform der Struktur der Justiz vor, die zusätzliche Staatsausgaben von geschätzten 5 Milliarden Pesos jährlich verursacht. Denn es werden dabei 279 zusätzliche Richter, Staatsanwälte und Strafverteidiger ernannt, wobei noch Personal hinzukommt und auch Büros gemietet und ausgestattet werden müssen. Dieser Reformvorschlag geht an den echten Problemen vorbei, die bei der Justiz bestehen, und schafft zusätzliche.
Als erstes sollte man zum US-System übergehen, bei dem eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes in einem Fall bindend für alle analogen Fälle ist, die noch in unteren Instanzen behandelt werden. Der Verfassungsrechtler Roberto Saba schreibt (Clarín vom 30.7.20), dass der argentinische Gerichtshof pro Jahr an die 7000 Urteile fällt, 70 Mal so viele wie der der USA, mit einer gut 8 Mal so großen Bevölkerung. Wenn die Belastung des Obersten Gerichtshofes stark abnimmt, dann hat eine Erhöhung der Zahl der Richter plus Erweiterung der Struktur noch weniger Sinn, als es ohnehin schon der Fall ist.
Doch darüber hinaus gibt es viele Möglichkeiten, um die Justiz zu verbilligen und zu verbessern. Als erstes sollte ein integrales Informatiksystem eingeführt werden, bei dem die Anwälte ihre Schriften per Internet einreichen und auch auf diese Weise Einsicht in die Gerichtsakten erhalten. Das verringert die Arbeit der Gerichte stark, weil die Angestellten den Anwälten nicht mehr die Akten aushändigen müssten, und der ganze Papierkram entfällt. Die Gerichte könnten dann mit weniger Personal auskommen.
Aber es gibt noch weitere Sparmöglichkeiten. Das System der Vermittlung, das bei Arbeits- und Handelsprozessen dem eigentlichen Gerichtsverfahren vorausgeht, das sehr erfolgreich war und die meisten Prozesse vermieden hat, sollte auf andere Bereiche ausgedehnt werden. Im gleichen Sinn wird jetzt im Parlament eine Initiative behandelt, die eine Verwaltungsinstanz vorsieht, die Konkursverfahren vorausgeht. Wenn dies gelingt, und noch mehr, wenn der Staat mit einer direkten Vertretung mitmacht und bei Lösungen mitwirkt, entfällt in viele Fällen das komplexe Konkursverfahren.
Ebenfalls sollte das Pensionssystem für Richter und Justizpersonal dem allgemeinen System angepasst werden. Pensionen, die weit über dem Höchstbetrag liegen, der allgemein gilt, erscheinen zu hoch, und auch die Pensionierung ohne das allgemein geforderte Alter erreicht zu haben, müsste revidiert werden. Denn Richter und Gerichtspersonal sind öffentliche Angestellte, wie alle anderen.
Die Arbeit der Richter sollte vom Richterrat kontrolliert werden. Wenn ein Fall nicht in der gesetzlich vorgesehenen Frist entschieden wird, sollte der Richter eine Erklärung geben und der Rat entscheiden, ob sie gültig ist. Ebenfalls sollte der Richterrat Stichproben bei den Urteilen der Richter machen, um ihre Qualität zu prüfen. Viele Richter würden bei dieser Prüfung durchfallen und sollten dann auch abgesetzt werden können.
Schließlich besteht die Möglichkeit, eine Initiative in Gang zu setzen, die bisher nicht vorangekommen ist: eine Sonderjustiz für Klagen, die sich auf wenig bedeutende Tatbestände bezieht (“Justicia de menor cuantía”). Das würde die Gerichte entlasten.
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