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Mit kleinen Schritten gelangt man nicht zum Ziel

Von Juan E. Alemann

Massa
Wirtschaftsminister Sergio Massa.

Wirtschaftsminister Sergio Massa war von ersten Tag an sehr aktiv, und hat zahlreiche Maßnahmen getroffen, die in die richtige Richtung gehen, oder zumindest konkrete Probleme lösen, aber nicht ausreichen, um das strukturelle Ungleichgewicht der Wirtschaft zu überwinden. Dessen ist sich die Wirtschaftswelt bewusst, und das führt zu einer skeptischen Haltung, mit beschränktem Vertrauen in Massas Erfolg. Hinzu kommt noch, dass Präsident Alberto Fernández und viele seiner Mitarbeiter, die wichtige Entscheidungen treffen, nicht verstanden haben, dass die Sparpolitik, die einen der Grundpfeiler der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik ist, alle Staatsbereiche umfasst, und dabei ein klares Beispiel auf höchster Staatsebene gegeben werden muss.

Doch gerade das ist nicht der Fall. Dass der Präsident mit über 40 Begleitern nach New York reist, ist ein verheerendes Signal. Die ganze Reise hatte wenig Sinn, und für die Begleiter war es Tourismus. Der Spaß hat gesamthaft weit über eine halbe Million Dollar gekostet. Auch, dass der Senat, geleitet von Cristina, die Belegschaft unlängst um weitere 250 unnötige Angestellte erhöht hat, ist ein falsches Signal. Der Kongress beschäftigt ohnehin schon enorm viele unnötige Angestellte, besonders in der wenig besuchten Bibliothek, die eine mehr als doppelt so hohe Belegschaft wie die nationale hat, die von Studenten u.a. viel besucht wird. Deputierte und Senatoren haben zahlreiche Berater, die effektiv nichts tun. Es sind in Wirklichkeit nur politische oder persönliche Freunde, die auf diese Weise eine Subvention erhalten. Es ist eine milde Form der Korruption. In der Staatsverwaltung gibt es immer noch Mogeleien, um das Dekret über Einfrierung der Beamtenzahl zu hintergehen, auf die die Regierung nicht reagiert. Hier ist eine strenge Kontrolle notwendig.

Massa müsste die aufgeblähte Staatsstruktur ins Visier nehmen. Viele Ämter, die die Kirchners geschaffen haben, nur um ihren Leuten eine gut bezahlte Stellen zu geben, müssen abgeschafft werden, wie das sinnlose Ministerium der Frau. Andere müssen stark verringert werden. Wenn die überschüssigen Angestellten nicht entlassen werden können, weil sie Beamtenstatus haben, müssen sie in einer Stelle zusammengefasst werden, wo sie andere Ämter beanspruchen können, wo Personal fehlt. So etwas wurde 1960 mit Alvaro Alsogaray als Wirtschaftsminister schon vollzogen. Dieser verringerte die Staatsstruktur um ca. 100.000 Angestellte, und sein Nachfolger, Roberto Alemann, fügte dann noch einmal so viele hinzu. Insgesamt wurde unter Präsident Frondizi die Zahl der Angestellten des Bundestaates um 200.000 Personen verringert. Es wäre gut, wenn man sich dieses Beispiel vor Augen halten würde.

Die Wirtschaftswelt erwartet Maßnahmen, die bei der Ausgabenverringerung eine größere Bedeutung haben, und als Signale wirken. Das bezieht sich an erster Stelle auf die Schließung des Kohlenbergwerkes Río Turbio, dass den Staat über eine Milliarde Dollar jährlich kostet und überhaupt keinen Sinn hat, einmal weil die Kohle minderwertig ist und zu einem Preis verkauft wird, der nicht einmal die variablen Kosten deckt, dann weil der Bestand an Kohle sehr gering ist und hohe Investitionen notwendig sind, um ihn auszubeuten, und schließlich, weil die Welt aus der Kohle wegen ihres hohen CO2-Ausstosses aussteigt. Der Ausstieg aus der Kohle hätte außerdem eine große Signalwirkung auf die ganze Welt, die die USA, die EU u.a. eventuell mit einer wohlwollenden Haltung beim argentinischen Finanzproblem honorieren würden.

Aber auch die anderen Staatsunternehmen müssen sparen. Die Verwalter müssten unter Druck gesetzt werden, was jedoch nicht der Fall ist. Im Gegenteil: YPF kündigt immer mehr Investitionen an, jetzt auch zur Lithiumausbeutung, die nichts mit ihrer Tätigkeit zu tun hat. Ohnehin hat YPF schon eine komplizierte finanzielle Lage, mit einer untragbar hohen Verschuldung. Die Belegschaft wurde nach der Rückverstaatlichung im Jahr 2012 sofort etwa verdoppelt. Aerolíneas Argentinas steuert weiter auf Expansionskurs, statt sich zu überlegen, welche Verluststrecken mit weniger Flügen den Gesamtverlust verringern könnten. Massa muss Druck auf die einzelnen Unternehmensleiter ausüben, und einige sofort rausschmeißen. Sonst geschieht nichts.

Allein, abgesehen vom Staat bedarf es in Argentinien auch anderer Reformen, an erster Stelle bei der Arbeitsgesetzgebung. In Brasilien bestand auch ein Problem dieser Art, das der Übergangspräsident Michel Temer mit einer tiefgreifenden Reform gelöst hat, die jetzt nicht mehr zur Diskussion steht, auch bei der gegenwärtigen Wahlkampagne nicht. Doch wir verlangen in Argentinien nicht so viel. Auf alle Fälle sollten Arbeitsminister Claudio Moroni, auch Staatssekretär Gabriel Rubinstein u.a. sich über die Reform von Temer gut informieren.

Der Megakonflikt in der Reifenindustrie gibt der Regierung die Gelegenheit, Reformen bei der Arbeitsgesetzgebung durchzuführen, die über den Konflikt hinausgehen. Der Konflikt, der von einer kommunistisch orientierten Gewerkschaftsführung provoziert wurde, rein politisch ist, und schon fünf Monate andauert, hat zum Ausfall der Produktion von über 1,3 Mio. Reifen geführt, zur Schließung der Reifenfabriken der drei Unternehmen der Branche gezwungen (FATE, Bridgestone und Pirelli), sich auf die Kfz-Fabriken ausgewirkt, ebenfalls auf Lastwagenunternehmen, Omnibusse und private Automobile, die ihre Reifen nicht erneuern können, und ein Risiko laufen wenn sie mit defekten Reifen weiter fahren.

Der Konflikt geht weit über eine Diskussion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinaus, und erfordert eine staatliche Intervention. Der Staat verfügt schon über Mittel, um die Gewerkschaft unter Druck zu setzen, wie der Entzug der sogenannten Gewerkschaftspersönlichkeit, so dass die Gewerkschaft nicht als Vertretung der Belegschafen gegenüber den Unternehmen gilt. Doch darüber hinaus muss es einen Strafprozess gegen diejenigen geben, die in der Vorwoche eine ganze Nacht ein Büro des Arbeitsministeriums besetzt haben. Und schließlich müsste das Streikrecht eingeschränkt werden, und Streiks illegal erklärt werden, wenn sie eine starke Breitenwirkung aufweisen, wie in diesen Fall. Und dann sollten die paritätischen Verhandlungen geregelt werden, und Lohnerhöhungen, die auf die Preise abgewälzt werden, oder einfach überhöht sind, prinzipiell nicht zugelassen werden. Und es kommt noch mehr dazu. Die Gelegenheit, die sich jetzt bietet, sollte Massa beim Schopf fassen. Wir bezweifeln jedoch, dass er dies begriffen hat.

Noch einen guten Rat: als unter der Regierung von Fernando de la Rúa ein sehr gutes Reformgesetz der Arbeitsgesetzgebung ausgearbeitet wurde, wurden zunächst Ökonomen und nicht Juristen zu Rate gezogen. Die Arbeitsrechler haben der Reform dann die juristische Form gegeben. Aber der Inhalt wurde vom ökonomischen Standpunkt bestimmt. Massa sollte somit Gabriel Rubinstein und seine anderen Wirtschaftsberater mit der Arbeit betrauen, und Arbeitsminister Claudio Moroni draußen lassen. Die Reform von de la Rúa wurde Jahre später außer Kraft gesetzt, mit dem Argument, dass Schmiergelder an die peronistischen Abgeordneten gezahlt worden seien. Das ist jedoch keine Kritik am Gesetz selber, das sehr gut war, und wieder aufgenommen werden sollte. U.a. bestimmte es, dass Arbeitsverträge auf Unternehmensebene Vorrang vor den Gesamtarbeitsverträgen einer Branche haben. In der Praxis ist es heute weiter so, aber es fehlt die gesetzliche Grundlage, um Konflikte zu vermeiden.


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