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Mit Energie und Herzblut

Tamara Kranz: Die Frau hinter dem „Stammtisch“

Von Catharina Luisa Deege

Tamara
Seit fünf Jahren organisiert sie monatlich Treffen für Deutschsprachige in Buenos Aires: Tamara Kranz. (Foto: cld)

Buenos Aires (AT) - „Ich hätte nie gedacht, dass mal einer sagt: ‚Du bist die vom Stammtisch‘“, erzählt Tamara Kranz begeistert. Selbst mir war ihr Gesicht zunächst aus Postings der Facebook-Gruppe „Deutsche in Argentinien“ bekannt - bis ich sie persönlich kennenlernte und sich zu dem Profilfoto eine helle Stimme und spannende Lebensanekdoten gesellten.

Tamara ist in Frankfurt geboren. Der Vater deutsch, die Mutter aus Paraguay mit russischen Wurzeln, verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend zwischen Buenos Aires und Bonn. Als waschechte Globetrotterin muss sie 2016, nach fast zehn aufregenden Jahren in Mexiko, einen Neustart in der argentinischen Hauptstadt hinlegen. Die Riesenmetropole fühlte sich auf einmal menschenleer an - die Nähe zu anderen und der Austausch fehlten Tamara. Auf die Lösung kam sie schnell: Mittlerweile finden sich seit fünf Jahren fast monatlich mal kleinere, mal größere Grüppchen zusammen, um auf Deutsch zu plaudern. Als ich die Initiatorin frage, was sie mit diesen Treffen neben dem sozialen Aspekt gesucht hat, antwortet sie blitzschnell: „Die Sprache - und die Mentalität.“

Das letzte Mal war Tamara Kranz im Jahr 2000 in ihrem Geburtsland; für zwei Wochen, zum Urlaub. Von Heimweh ist die 49-Jährige nicht geplagt: „Ich fühle mich eigentlich viel mehr hingezogen zu Lateinamerika.“ Trotzdem sei sie „in vielen Sachen noch sehr deutsch“. Tamara erklärt, dass sie beibehalten hat, was viele andere Deutsche bei ihrem Aufenthalt in Südamerika schon längst verloren haben. Ein Beispiel: Pünktlichkeit. Gleichzeitig genießt sie es, gerade mit Ausgewanderten Zeit zu verbringen: „Die haben ´nen offenen Kopf.“

Als wir über das Publikum des „Stammtisch“ sprechen, sagt Tamara Kranz: „Es gibt immer Deutsche, die hier schon lange leben und auch mal wieder mit Deutschen zusammen sein wollen.“ Jedoch sind auch Nicht-Muttersprachler*innen herzlich willkommen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Argentinierin Alejandra Santone. Sie studierte an der Musikhochschule Köln und lebte insgesamt sechs Jahre in der Bundesrepublik. Durch die Teilnahme am „Stammtisch“ fühle sie sich in ihre Zeit in Deutschland zurückversetzt. Ein hohes Deutsch-Niveau setzt Tamara Kranz nicht voraus. Man sollte die Sprache jedoch zumindest verstehen können, um mitzumachen.

Dass Tamara noch so gut Deutsch spricht, sorgte nicht nur bei mir für Verwirrung. Schon oft wunderte man sich über ihre akzentfreie Aussprache. Ein besonderes Geheimrezept steckt nicht dahinter: Sie ist von Natur aus ein Sprachtalent. Und das durfte sie bei der Expo 1992 in Sevilla unter Beweis stellen. Tamara haut mich um, als wir über ihren Aufenthalt in Spanien, den sie als schönste Zeit ihres Lebens bezeichnet, reden: Auf einem Event im Rahmen der Weltmesse dolmetschte sie Michail Gorbatschow und seine Frau Raissa Gorbatschowa. Russisch, Spanisch, Deutsch und Englisch - kein Wunder, dass Tamara Kranz auf der Welt umher tingelt. Sie fände rein sprachlich gesehen an vielen verschiedenen Orten gut zurecht. Glücklicherweise ist die gelernte Kauffrau seit einigen Jahren in Buenos Aires. „Argentinien bringt mich immer wieder zurück“, sagt sie schulterzuckend.

Durch ihre Organisation des „Stammtisch“ in Buenos Aires konnte nicht nur die 49-jährige Kranz wieder Fuß in der Großstadt fassen. Auch Klaus Jakob, der durch seinen Ehemann nach Buenos Aires kam, waren die regelmäßigen Treffen eine große Hilfe: „Ich fand den Austausch, gerade in den ersten Monaten in Buenos Aires, für mich extrem wichtig.“ Jakob erklärt, dass besonders die verschiedenen Erfahrungen, die jeder Auswanderer macht, unglaublich gewinnbringend für einen selbst sein können und erzählt weiter: „Nachdem ich mich generell in Buenos Aires zurechtfand, war der Stammtisch einfach eine tolle Sache um neue, und dann auch schon ‚alte‘ Freunde regelmäßig zu sehen.“

Jakob lernte den „Stammtisch“ kennen, als Tamara diesen unter dem Schirm von InterNations, einer Organisation für international eingesetzte Fach- und Führungskräfte, organisierte. Strahlend berichtet Tamara mir, wie sie bei einem Treffen ganze 50 Personen auf einer Terrasse zusammenbrachte. Der Pandemie geschuldet wirkt ein solches Szenario momentan geradezu unvorstellbar.

Kurz bevor das Coronavirus Mitte März vorigen Jahres auch in Argentinien zuschlug, beschloss Tamara, sich von InterNations zu lösen. Während des Lockdowns verzichtete sie dann monatelang auf die Treffen, lehnte eine virtuelle Lösung stark ab. „Es ist nicht das Gleiche“, sagt sie und fährt fort: „Ich glaube, die meisten saßen sowieso, genau wie ich, schon den ganzen Tag vor der Glotze.“

Stammtisch BA
In der Facebook-Gruppe „Stammtisch BA“ kann man sich auf dem neusten Stand halten. (Foto: Privat)

Im argentinischen Frühling vergangenen Jahres ging es dann endlich wieder los. Tamara organisierte fleißig die Zusammenkommen, mal in Parks, mal in Bars; aber immer an der frischen Luft. „Es ist `ne Arbeit“, betont die 49-Jährige. Nach einer derartig langen Pause musste sie quasi von Null anfangen. Auf einmal waren viele neue Gesichter dabei, aufgrund der Quarantäne sind viele deutsche Auswanderer*innen wieder ins Heimatland zurück gereist. Hygienemaßnahmen mussten beachtet werden, Reservierungen in Bars und Restaurants wurden auf einmal komplizierter. Ans Aufhören denkt sie jedoch nicht: „Ich muss sagen, es würde mir sehr wehtun, wenn der ‚Stammtisch‘ ausstirbt. Ich habe dieses Baby wachsen sehen.“

Mittlerweile nimmt sie einen Zuschuss für die Organisation: „Es ist eine wirklich kleine Gebühr, die jeder zahlen kann.“ So vergewissert sie sich, dass die Teilnehmer*innen das Treffen ernst nehmen. Von spontanen Absagen und mehrstündigen Verspätungen ist sie nach der jahrelangen Ausrichtung der Veranstaltungen genervt.

Darius Forghani, der seit 1991 nicht mehr in Deutschland wohnt, findet berührende Worte, um das Erfolgsrezept hinter dem „Stammtisch“ zu beschreiben. Er hebt Tamaras Arbeit hervor, betont die „Energie“ sowie das „Herzblut“, das sie in die Organisation der Treffen steckt: „Das merkt man wirklich und das macht einen Riesenunterschied.“ Im September habe er Argentinien verlassen und vermisse den „Stammtisch“ bereits.

Tamara Kranz dachte vor fünf Jahren, ihre Idee würde in einem „Fiasko“ enden. Ich persönlich konnte mir bereits persönlich ein Bild von den Events machen und bestätigen, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Abende, die Tamara jeweils an verschiedenen Orten der argentinischen Hauptstadt organisiert, sind von interessanten Gesprächen und warmherzigen Begegnungen gezeichnet. Verpassen möchte ich in Zukunft keinen einzigen „Stammtisch“ mehr.



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