Am Donnerstag der Vorwoche fand eine Gipfelkonferenz der Mercosur-Staaten statt, die per Internet durchgeführt wurde, an der sich die Präsidenten von Brasilien (Jair Bolsonaro), Argentinien (Alberto Fernández), Uruguay (Luis Lacalle Pou), und Paraguay (Mario Abdo Benitez), als Mitglieder beteiligen, aber auch die von Chile (Sebastián Piñera) und von Bolivien (Yeanine Añez) mitmachten, weil Freihandelsabkommen mit dem Mercosur bestehen. Hier gab es einen ersten Konflikt, weil AF den abgesetzten Evo Morales für den rechtmäßigen Präsidenten von Bolivien hält. Ebenfalls besteht ein Konflikt bei der Haltung gegenüber Venezuela, weil AF das Land nicht verurteilen will, nachdem es unter Chávez und Maduro zum Kirchner-Klub gehört.
Erneut kamen grundsätzliche Differenzen zum Vorschein. Die Präsidenten waren sich darin einig, den Mercosur beizubehalten und zu stärken, aber es besteht eine tiefe Differenz zwischen Argentinien und Brasilien. Bolsonaro strebt eine Liberalisierung an, mit weiteren Freihandelsabkommen, die die Eingliederung in die Weltwirtschaft fördern, aber Argentinien besteht auf einer gewissen Abschließung gegenüber Drittländern, bei Förderung des Handels unter den Partnern. Das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union muss noch von den Parlamenten der einzelnen Staaten genehmigt werden, was auf Schwierigkeiten stößt. Ob es in Argentinien genehmigt wird, ist fragwürdig. Und die Abkommen mit Südkorea u.a. Staaten, die die Mercosur-Leitung zur Zeit der Macri-Regierung eingeleitet hat, werden von der Regierung von Fernández nicht befürwortet, oder bestenfalls sehr beschränkt.
Das Mercosur-Abkommen sieht einen gemeinsamen Zollsatz gegenüber Drittländern vor, der jedoch bisher nicht eingeführt wurde, was beiläufig ein Problem schafft, wenn es um Teile eines Produktes geht, das nachher zollfrei unter den Mitliedern gehandelt werden kann. Bosonaro befürwortet, dass der Zollsatz von 14%, der in Brasilien besteht, auf 5% verringert wird, und dass dies für alle Mitglieder gilt. Womit Argentinien nicht einverstanden ist. Auf der anderen Seite besteht in Argentinien ein Nullzoll für Kapitalgüter, weil diese Industrie abgesehen vom Bereich der Landwirtschaftsmaschinen eine geringe Bedeutung hat. Hingegen schützt Brasilien diese Industrie mit einem Zollsatz von 14%, weil das Land eine ausgedehnte Kapitalgüterindustrie hat. In Brasilien selber besteht seit Jahren eine Diskussion über diesen Fall, da die Industrie im allgemeinen Maschinen letzter Generation haben will, um Kosten senken zu können, und diese eben aus Deutschland, der USA oder anderen Ländern importiert werden müssen.
Ebenfalls fordert Brasilien, dass Zucker, der gegenwärtig vom freien Handel ausgeschlossen ist, voll aufgenommen wird. Darauf kann Argentinien nicht eingehen, weil dann die ganze lokale Zuckerindustrie verschwinden würde, was ein unerträglicher Schlag für die nordwestlichen Provinzen, Tucumán, Salta und Jujuy, wäre. Brasilien erzeugt über zehn Mal so viel Zucker wie Argentinien, zahlt niedriges Löhne, subventioniert den Zucker über einen relativ hohen Preis für das Spaltprodukt Alkohol (der zu Bioethanol verarbeitet und dem Benzin beigefügt wird) und weist allgemein größere Fabriken auf, die allein deshalb niedrigere Einheitskosten aufweisen.
Uruguay und Paraguay stehen bei der Zollfrage grundsätzlich auf der Seite Brasiliens, weil beide Länder eine viel offenere Wirtschaft als Argentinien haben.
Der Mercosur kann, so wie er ist, kaum beibehalten werden. Es bestehen zwei Möglichkeiten: 1. Das Abkommen über den gemeinsamen Markt in eine Freihandelszone zu verwandeln, bei der unterschiedliche Bedingungen für einzelne Produkte ausgehandelt werden können; 2. Den Mercosur in einen “unvollkommenen” gemeinsamen Markt zu verwandeln, bei dem es Ausnahmen gibt. Allein, bei den Verhandlungen wird dies überhaupt nicht erwähnt, und es wird somit um den heißen Brei herum geredet.
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