Von Juan E. Alemann
Die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen dem Mercosur und der Europäischen Union, die überraschend am Donnerstag der Vorwoche erfolgte, hat zunächst in Argentinien weniger wirtschaftliche als politische Folgen. Zunächst fehlen noch Aufklärungen und Ausführungsbestimmungen, die in vielen Fällen entscheidend sind, nachdem sich Importhindernisse in der EU oft nicht auf den Zollsatz, sondern auf technische und sanitäre Forderungen, sowie direkte und verkappte Subventionen für landwirtschaftliche Produkte beziehen, mit denen die importierten konkurrieren. Dann muss das Abkommen von den Parlamenten der EU und dem Mercosur bestätigt werden, und schließlich von denen der einzelnen Staaten. Das ist ein langer und holpriger Weg, bei dem noch viel geschehen kann. Schließlich tritt das Abkommen ohnehin schrittweise in Kraft, so dass unmittelbar wenig geschieht.
In Argentinien tritt die Unterzeichnung des Vertrages mit der Wahlkampagne zusammen, bei der es u.a. um den grundsätzlichen Gegensatz zwischen einer zunehmend offenen und in die Welt integrierten Wirtschaft geht, die Macri befürwortet, und eine mehr geschlossenen Wirtschaft, wie sie der Kirchnerismus vertritt. Dass Bolsonaro, der sich für Öffnung eingesetzt hat, und seine Amtszeit erst vor kurzem begonnen hat, dieses Abkommen unterzeichnet hat, ist logisch. Aber bei Macri, der sich fünf Monate vor Ende seiner Amtszeit befindet, und nicht weiß, ob er ein zweites Mandat haben wird, liegt der Fall anders. Er ist jetzt ein schwacher Präsident. Wenn er meint, dass er durch die Entscheidung politisch gestärkt wird, irrt er sich gründlich.
Im Wesen ist das Abkommen für die Landwirtschaft und auch für Industrien auf der Grundlage landwirtschaftlicher Produkte günstig. Doch die Wähler aus diesen Bereichen stimmen ohnehin schon für Macri und seine Koalition. Aber das Abkommen stellt eine Gefahr für viele Industriebranchen dar, die einer intensiveren Konkurrenz durch EU-Produkte ausgesetzt werden. Die betroffenen Unternehmer werden somit nicht so glücklich über das Abkommen sein, und das dürfte dazu führen, dass auch viele, die prinzipiell Macri unterstützten, sich schließlich Cristina entscheiden. Denn sie wollen an erster Stelle überleben. Gewerkschafter, die Arbeitnehmer der betroffenen Branchen vertreten, haben sich sofort sehr kritisch geäußert. Außerdem wissen die Gewerkschafter, dass eine Öffnung der Wirtschaft die lokalen Unternehmer zwingt, bei Lohnerhöhungen vorsichtig zu sein, und auf Produktivität zu pochen, was ihre Forderungen bremst.
Der EU ist jetzt etwas gelungen, was den Vereinigten Staaten mit dem ALCA-Projekt einer Freihandelszone für den ganzen amerikanischen Kontinent misslungen ist, nachdem Néstor Kirchner dagegen war, und bei einer Veranstaltung in Mar del Plata, wo auch US-Präsident George W. Bush anwesend war, gleichzeitig eine Veranstaltung in kurzer Entfernung organisierte, in der Venezuelas Präsident Hugo Chávez mit groben Worten gegen die ALCA-Initiative Stellung nahm. Die ALCA stellte im Prinzip das gleiche Problem wie das Abkommen mit der EU, nämlich, dass die Landwirtschaft nur zum Teil im Freihandel eingeschlossen wird.
Die US-Regierung wird kaum Freude am Abkommen Mercosur-EU haben, bei dem EU-Lieferanten von Automobilen, deren Zubehörteilen, und vielen anderen Industriegütern beim Import im Mercosur bevorzugt werden. Argentinien konnte 2018 eine phänomenale Finanzkrise nur vermeiden, weil US-Präsident Trump sich beim IWF für einen Megakredit an Argentinien einsetzte. Das Abkommen Mercosur-EU wird Trump gewiss nicht als Dank empfinden.
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