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Meine Pflicht

Actualizado: 26 jun 2022

Eine theatralische Interpretation Tschechows Erzählung „Die Feinde“

Von Catharina Luisa Deege

Die Feinde
Eduardo D‘Alessandro und Nicolás Juan Porras spielen in „Adversarios“. (Foto: María Noble)

Buenos Aires (AT) - Tritt man in das Theater hinein, sind zunächst ein paar Treppenstufen hochzugehen. Die Wände sind in einem edlen hellblau gestrichen, der Spielsaal ist klein und dunkel. Es ist kein Bühnenpodest zu sehen, nein, Zuschauende und Schauspieler befinden sich sozusagen auf Augenhöhe. Dann geht es los: Ein Mann tritt ein, er wirkt niedergeschlagen. Es handelt sich um einen Arzt, wie man schnell feststellt.

„Adversarios“ (deutsch etwa: Widersacher), eine Adaption von Anton Pawlowitsch Tschechows Erzählung „Die Feinde“, feierte bereits im Oktober 2021 im Teatro La Golondrina Premiere. Nach einer Pause wurde vergangenen Samstag nun die Wiederaufnahme gefeiert; und zwar leicht verändert. Teil des Theatererlebnisses ist nun auch eine nachträgliche Publikumsdebatte. Die etwa halbstündige Interpretation Tschechows Erzählung bietet nämlich jede Menge Diskussionsstoff.

Während der Arzt, gespielt von Regisseur und Inhaber des Theaters Nicolás Juan Porras, frustriert in Medizinbüchern blättert, nachdem sein einziger Sohn kurz zuvor verstarb, klopft es auf einmal an der Tür. Ein nobler Herr (Eduardo D‘Alessandro) tritt aufgeregt in die Räumlichkeiten ein und bittet den Arzt um sofortige Hilfe - seine Frau sei schwerkrank und müsse augenblicklich behandelt werden. Der Mediziner, genervt von der aufdringlichen und unsensiblen Art des Spießbürgers und schwermütig durch den Tod seines eigenen Sohnes, lehnt den Auftrag stur ab, bis er sich schlussendlich überzeugen lässt - es stünde schließlich ein Menschenleben auf dem Spiel. Doch das, was den Arzt bei dem wohlhabenden Herren zuhause erwartet, lässt alle Stricke reißen.

„In anderen Zeiten oder sogar jetzt, wo es sich um eine Pandemie oder einen Krieg handeln könnte, wird uns deutlich vor Augen geführt, dass die Umstände oft über uns hinausgehen und an das appellieren, was wir tun können“, erklärt Nicolás Porras im Interview mit dem Argentinischen Tageblatt. Er führt gemeinsam mit seiner Frau María Noble Regie. Noble selbst ist Ärztin und kann sich mit dem Inhalt von „Die Feinde“ nur zu gut identifizieren, betont dennoch, dass sich die Bredouille, in der sich der Mediziner im Stück befindet, auf viele verschiedene Situationen beziehen lässt. Sie erzählt: „Wir haben uns für Kostüme und Kulissen entschieden, die sich nicht auf eine Epoche oder einen geografischen Ort festlegen lassen, weil wir der Meinung waren, dass die Geschichte so universell ist, dass sie zu jeder Zeit und an jedem Ort spielen kann.“

Anton Pawlowitsch Teschechow ist nicht nur einer der wichtigsten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, sondern zu seiner Zeit auch Doktor gewesen. Wird das Stück dahingehend beeinflusst? Keinesfalls, zumindest die Inszenierung im Teatro Golondrina lädt dazu ein, eher über das Verhältnis von eigenem Leid und „Pflichten“ zu reflektieren, als sich für eine Seite der beiden Protagonisten zu entscheiden.

Auch lädt das Theater dazu ein, nach der Vorführung an einer Zuschauerdiskussion teilzunehmen. Dabei anwesend: Schauspieler Eduardo D‘Alessandro sowie die beiden Regieführenden Nicolás Porras und María Noble. „Wir versuchen, dass diese Debatte dazu dient, dem Autor näher zu kommen“, erklärt Porras. Noble ergänzt: „Uns interessierte auch der Gedanke, dass Theaterstücke durch den Zuschauer vollendet werden.“

„Adversarios“ ist noch bis Ende Juli jeden Samstag um 21 Uhr zu sehen, Einlass ist bereits ab 20:30 Uhr (Adresse: Sarmiento 2615). Karten können unter der Telefonnummer 1149361234 oder der E-Mail teatrolagolondrina@gmail.com reserviert werden und liegen bei 1000 Pesos. Es ist ein kurzes aber intensives Theaterspektakel, das nicht nur durch die Grundlage des russischen Autors überragend tiefgründig ist, sondern den Zuschauenden vor allem durch die liebevolle Inszenierung und das packende Schauspiel der beiden Protagonisten mitnimmt.

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