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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Mein Jahr: Schwierige Monate

Von Wim van Geenen

(Foto: Privat

Manchmal kommen die Dinge anders als geplant - und so begann das Jahr 2020 aller Vorfreude zum Trotz unter düsteren Vorzeichen. Während ich die ersten Monate des Jahres mit dem Epstein-Barr-Virus und Pfeifferschem Drüsenfieber zu kämpfen hatte, verbreiteten sich aus China Nachrichten über ein anderes Virus: Ein neues Coronavirus (Sars-Cov2), das sich - wie in einer globalisierten Welt zu erwarten - in Windeseile über den Planeten verbreitete.

Während man sich in Argentinien noch in trügerischer Sicherheit wiegte, mehrten sich aus Europa Bilder von leergefegten Innenstädten und überfüllten Intensivstationen. Aufmerksamen Beobachter*innen war bereits zu diesem Zeitpunkt klar: Das Coronavirus wird sich - wenn es nicht schon längst angekommen ist - in absehbarer Zeit auch in Argentinien verbreiten. Am 3. März wurde der erste Covid-19-Fall in Argentinien bestätigt und nur zwei Wochen später begann eine Phase, die sich bereits jetzt ins kollektive Gedächtnis der Argentinier*innen eingebrannt hat. Als Präsident Fernández am 19. März zunächst für zwei Wochen eine Quarantäne mit Ausgangssperre verkündete, wurde die eigentlich geräumige 4-Zimmer-Wohnung plötzlich ziemlich klein. Nach hundert Tagen Ausgangssperre waren uns die Scherze in der WG längst vergangen: Die schlaflosen Nächte wurden länger, die Tage kürzer und aus der drögen Routine wurde eine lähmende Ereignislosigkeit.

Auch politisch stand das Jahr im Zeichen der Pandemie. Mit den sogenannten „Querdenkern“ verbreiteten sich (nicht nur) in Deutschland Einstellungsmuster, die stark an jene der „Pegida“ erinnerten: Ob die ungewöhnliche Zusammensetzung der Demonstranten, die häufig verschwörungstheoretisch begründete Fundamentalkritik am „System“ oder der dahinter verborgene Egoismus: Was ab 2015 im Osten belächelt wurde, verbreitete sich mit Corona in Gesamtdeutschland. In beiden Diskursen geht es um die Folgen der Globalisierung, letztendlich aber um Solidarität, sei es mit Geflüchteten oder mit Corona-Risikogruppen. Die Diagnose ist traurig: Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung scheint ein maskenfreies Shoppingerlebnis oder einen Discobesuch für wichtiger zu halten als die Gesundheit der Mitmenschen.

Dennoch war Corona nicht das einzige Thema des Jahres: Die Anschläge von Hanau und Halle erinnerten schmerzhaft daran, dass im Jahr der Ermordung George Floyds auch in Deutschland noch ein langer Weg zu gehen ist. Die Reaktionen aus der Politik waren - gelinde gesagt - enttäuschend: Die Bundesregierung gründete einen „Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus“, der nur aus weißen Personen bestand und so in keiner Form eine Betroffenenperspektive abbildete. Die leidliche Debatte um Horst Seehofers „Polizeistudie“ gab ebenfalls wenig Anlass zur Hoffnung.

In gewisser Form spiegelten sich die Konfliktlinien des Jahres auch im coronabedingt verlängerten Wettbewerb um den CDU-Vorsitz. Obwohl keiner der Kandidaten eine progressive Lichtgestalt ist, wird sich an der Wahl des neuen Vorsitzenden zeigen, ob das Erbe Angela Merkels Bestand hat: Während Polit-Fossil Friedrich Merz die Partei in den männerbündischen Mief des vergangenen Jahrhunderts zurückversetzen möchte, besteht bei den anderen Kandidaten Hoffnung, dass die in den letzten Jahren vorgenommene Modernisierung zumindest erhalten bleibt. Gleichzeitig hängt vom Ausgang der Wahl ab, ob wichtige Themen wie Klimaschutz, Anti-Rassismus und soziale Gerechtigkeit in einer möglichen Koalition mit den Grünen sinnvoll bearbeitet werden können.

Während die Ereignisse vergangener Jahre sich im Rückblick wie eine Kette erinnerungswürdiger Momente präsentieren, hinterlässt das Jahr 2020 eine Art Vakuum. Insbesondere in Argentinien verschwimmen die Monate der Quarantäne in der Erinnerung zu einer großen Leere. Man hat zwar irgendwas gemacht, aber passiert ist: Nichts.

Die Vorzeichen stehen gut, dass 2021 ereignisreicher wird. Die Impfungen gegen Covid-19 haben in vielen Ländern bereits begonnen und auch politisch riecht es nach Morgenluft. Bereits im Januar wird der neue US-Präsident Biden vereidigt; in Deutschland wird die Ära Merkel im Herbst unabwendbar zu Ende gehen. Die Zeichen stehen auf Schwarz-Grün. Vielleicht beginnen die 2020er-Jahre in diesem Sinne erst mit dem Jahr 2021.

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