Was die Schweiz isst
Von Monique Misteli
Zeig mir was du isst, und ich sag dir wer du bist: Ein Land und seine Leute lernt man durch die Küche kennen, so die viel verbreitete Meinung. Will man die Schweiz durch ihre Küche entdecken, dann wird es gleich etwas komplizierter. Denn eine Nationalküche gibt es nicht, und Käse und Schokolade sind nur ein Teil davon.
Zürich (AT) - Was isst die Schweiz? Na klar, Käse und Schokolade. Das weitverbreitete Image, Schweizer essen vorwiegend Käse und Schoggi kommt nicht von ungefähr: Über 450 verschiedene Käsesorten und 200.000 Tonnen Schokolade wurden hierzulande im vergangenen Jahr produziert. Gegessen wurden im Schnitt pro Kopf 22 Kilogramm Käse und 11 Kilogramm Schokolade. Doch das kulinarische Erbe des kleinen Alpenstaates nur auf die beiden Genussmittel zu reduzieren, greift zu kurz. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man die Vielfalt der Schweiz nicht nur in der Anzahl Landessprachen, sondern auch im Teller.
Esskultur und Sprache
Die Migration hat die Schweizer Esskultur stark beeinflusst und vielfältig gemacht. Einflüsse aus der deutschen, französischen und norditalienischen Küche verbinden die Schweiz. Die verschiedenen Sprachregionen bilden dabei eine Art Grobaufteilung und orientieren sich an deren Nachbarländer. Eine Schweizer Nationalküche gibt es deshalb nicht. Trotz der vielen regionalen Unterschiede, einige Gerichte haben den Sprung über die Sprachgrenzen hinausgeschafft und sind in der ganzen Schweiz bekannt. Etwa Käsefondue, Raclette, Älplermakronen, Rösti, Birchermüesli - natürlich auch Schokolade und Käse.
Von Hungersnöten und Überfluss
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, das kulinarische Erbe der Schweiz vermochte sich über die Zeit zu entwickeln. So wurde die Kartoffel nach der Hungersnot von 1771 zum neuen Volksnahrungsmittel. Grund dafür war, das von der Zürcher Regierung auf Flugblätter gedruckte und verteilte Rezept der Armensuppe. Die Gemüsesuppe ist aus Reis und Kartoffeln, angereichert mit Brot.
Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hielt der Überfluss Einzug in die Schweizer Küche. So verwundert das Ergebnis des schweizerischen Ernährungsbulletins von 2017 nicht, dass gut ein Drittel der weiblichen und rund die Hälfte der männlichen Bevölkerung übergewichtig sind. Die Schweizer essen zu viel, zu süß, zu fett und zu ballaststoffreich.
Essen wird politisch
Der Überfluss zeigt sich auch im Fleischkonsum. Seit dem 19. Jahrhundert kam vermehrt Fleisch auf den Teller. Ab 1950 vervielfachte sich der Verzerr von 31,5 Kilogramm auf einen Höchstwert von 71 Kilogramm pro Kopf im Jahr 1987. Aktuell sind es rund 52 Kilogramm pro Kopf jährlich. Der Fleischkonsum wurde denn auch immer mehr zum Politikum hinsichtlich Nachhaltigkeit oder der Massentierhaltungsfrage und deren ökologischen Folgen. Seit Mai 2017 ist ein Lebensmittelgesetz in Kraft, das Insekten wie Grillen, Mehlwürmer und Wanderheuschrecken für den Verzehr zulässt und als Ersatzproteinquelle für Fleisch dienen soll. Die wichtigsten Detailhändler reagierten unmittelbar mit einem entsprechenden Angebot darauf. Während Wochen waren die gewöhnungsbedürftigen Insekten ausverkauft. Unterdessen hat sich der Rummel gelegt und das Angebot versucht sich im Markt als Nischenprodukt zu etablieren. Bis Insekten als alternative Proteinquelle für die breite Bevölkerung akzeptiert werden, wird es wohl noch eine Weile dauern.
Ein anderer, bekannter politischer Ausdruck hat seinen Ursprung in der Schweizer Kulinarik: der Röstigraben. Bei nationalen Wahlen oder Abstimmungen unterscheiden sich die Ergebnisse oftmals nach den Sprachregionen. Die Westschweiz wählt anders als die Deutschschweiz und umgekehrt. Da die Rösti, eine Kartoffelspezialität aus der deutschsprachigen Schweiz stammend, in der Romandie kein traditionelles Gericht ist, nennt man die Unterschiede zwischen Deutsch- und Westschweiz neckisch den Röstigraben.
Fleisch, Süßes, Brot und Wein
Um zu erfahren, was im Alpenlande gerne gegessen wird, macht eine Unterteilung nach Produkten Sinn. Aber auch hier zeigen sich feine Unterschiede entlang der Sprachgrenzen.
Trockenfleisch wie das Walliser Trockenfleisch oder das Bündnerfleisch werden gerne gegessen, können aber nur im Bergklima hergestellt werden. Nebst diesen Klassikern wird in der Westschweiz vor allem die sogenannte Saucisson, eine aus Schweinefleisch hergestellte Rauchwurst, gegessen, in der Nordschweiz die herzhafte Wurst “Schüblig”.
Aber auch Süß- und Backwaren haben eine lange Tradition in der Schweiz. Typische Backwaren sind d' Nidleflade oder Wähe (Kuchen) in süßer und salziger Form. Bestellt man sich einen Käsekuchen, dann aufgepasst: Serviert wird nicht ein süßes Dessert, sondern vielmehr einen salzigen Käse-Eierguss mit gehackten Zwiebeln auf dünnem Mürbe- oder Blätterteig gebacken.
Sogar beim Schokoladenkonsum gibt es Unterschiede entlang der Sprachregionen. Die Deutschschweizeressen mehr Milchschokolade, die Westschweizer bevorzugen mehr dunkle. Landesweit wird die Schoggi traditionell in Tafelform gegessen.
Auch beim Brot machen sich die verschiedenen Sprachregionen bemerkbar. Während in der Deutschschweiz mehr dunkle Brote gegessen werden, mögen die Westschweizer und die italienische Schweiz mehr Weißbrot. Egal ob Weiß- oder Ruchbrot, es gibt über 200 Brotsorten in der Schweiz. Beim Betreten einer kleinen Bäckerei erkennt man die Vielfalt. Im Angebot ist eine Vielzahl an verschiedenen Broten. Schweizer Brot ist deutlich kürzer haltbar als deutsches Brot, da es in der Regel nicht mit Sauerteig, sondern Hefe hergestellt wird.
Zu einem guten Essen gehört auch ein guter Tropfen. Es ist wenig bekannt, dass die Schweiz ein nicht unbedeutendes Weinproduktionsland ist. Das liegt daran, dass nur ein bis zwei Prozent der Weine in den Export kommen. Die Schweizer*innen trinken ihren Wein selbst. Aber außer in den beiden Kantonen Uri und Appenzell Innerrhoden wird in jedem der 26 Kantone Wein angebaut. Über 40 Prozent der produzierten Weine stammen aber aus dem Kanton Wallis. Die bekanntesten sind der Weißwein Fendant (Gutedel) und der Dôle-Rotwein.
Käse und Cervelat
Zum Schluss bleibt noch der Käse. Der beliebteste ist der Greyerzer aus den Waadtländer Alpen und Freiburg. Die gibt es in milden und kräftigen (rezent) Varianten. Bekannt gemacht und das Bild eines typischen Schweizer Käses geprägt hatte der Emmentaler - der große runde bis zu 100 Kilogramm schwere Käselaib mit den großen Löchern. Übrigens: Das Fondue wurde erst 1930 dank einer geschickten Werbeaktion der damaligen Käseunion als Nationalgericht erkoren. Allerdings tauchte das erste Fondue-Rezept in der Schweiz bereits Ende des 17. Jahrhunderts auf, angeblich von Sennern erfunden.
So vielfältig die Schweizer Küche ist und geprägt von den unterschiedlichen Sprachregionen, bleibt eines gleich: Am Nationalfeiertag wird überall die wohl beliebteste Wurst der Schweiz, die Cervelat, auf einen Holzstock gespießt und im 1. Augustfeuer gebrätelt.
In diesem Sinne, alles Gute zum Geburtstag und “e´Guete”!
Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti
Zutaten (4 Personen):
400 g Kalbfleisch, 200 g Kalbsnierli, Öl oder Bratbutter zum Anbraten, Salz, Pfeffer aus der Mühle, 1 EL Mehl
Fleisch und Nierli schnetzeln und mit den Zutaten bestreuen. Portionsweise in einer Pfanne im zerlassenen Fett ganz kurz anbraten und in vorgewärmter Schüssel im auf 60 Grad vorgeheizten Ofen warm stellen. Bratfett mit Haushaltspapier auftupfen.
Sauce:
1 EL Margarine oder Butter in derselben Pfanne warm werden lassen. ½ Zwiebel, fein gehackt beigeben und andämpfen. 200 g Champignons in Scheiben, 1 TL Zitronensaft zu den Zwiebeln geben und mitdämpfen. 1 dl Weißwein dazugießen, auf die Hälfte einkochen. 1 dl Fleischbrühe, 2 dl Sahne, 1 EL Mehl im Messbecher mischen, beigeben und kurz kochen. Fleisch wieder beigeben, evtl. nochmals erwärmen und mit ein wenig Salz und Pfeffer aus der Mühle würzen. Mit feingehackter Petersilie bestreuen.
Man kann die Nierli weglassen auch und das Geschnetzelte mit 600 g Fleisch zubereiten.
Rösti:
1 kg leicht mehlige Kartoffeln in einem Liter Wasser mit etwas Salz aufkochen und etwa 20 min köcheln lassen und dann gut auskühlen lassen.
Kartoffeln schälen, mittelfein reiben und in Schweineschmalz oder Butter auf kleinem Feuer unter gelegentlichem Wenden leicht anbraten, Salz zugeben. Zu Kuchen formen, nicht mehr bewegen, und zudecken. Auf kleinem Feuer weiter braten,bis sich nach 15 Minuten eine goldgelbe Kruste gebildet hat. 1 EL Margarine oder Butter in kleinen Stückchen ringsum am Pfannenrand verteilen, schmelzen lassen und 5 min weiter braten. Rösti auf Platte stürzen.
Tipp:
Kartoffeln am Vortag kochen. Fertige Rösti im auf 60 Grad vorgeheizten Ofen 1-2 Stunden warm stellen.
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