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Machtkampf in Tunesien

Parlament geschlossen / Ermittlungen gegen Parteien

Tunesien
Anhänger des tunesischen Präsidenten Saied demonstrieren vor dem Parlamentsgebäude in Tunis. (Foto: dpa)

Tunis (dpa/wvg) - Der politische Machtkampf in Tunesien spitzt sich weiter zu: Die tunesische Justiz ermittelt nun gegen die islamisch-konservative Ennahda-Partei sowie die ihr nahestehende Partei Kalb Tounes. Beiden wird vorgeworfen, unter anderem für Wahlkämpfe Geld aus dem Ausland erhalten zu haben, wie ein Gerichtssprecher am Mittwoch mitteilte. Im Falle eines Schuldspruchs könnten demnach Gelder der Parteien eingefroren und Reiseverbote für ihre Mitglieder verhängt werden.

In Tunesien liefert sich Präsident Kais Saied seit Monaten einen Machtkampf mit der Ennahda. In einem überraschenden Schritt enthob er am Sonntagabend Ministerpräsident Hichem Mechichi seines Amtes und setzte die Arbeit des Parlaments zunächst für 30 Tage aus. Damit schwächte er auch die Position der als moderat geltenden Islamisten. Bereits am Tag darauf entließ er auch die Minister für Justiz und Verteidigung. Saied habe am Montag einen entsprechenden Erlass verabschiedet, teilte das Präsidialamt mit.

Mechichi hatte als Ministerpräsident Rückhalt bei der Ennahda sowie auch bei Kalb Tounes (Herz Tunesiens). Die beiden stärksten Parteien im Parlament liegen wie auch Mechichi mit Präsident Saied über Kreuz. In dem Streit geht es vor allem darum, wie die Macht zwischen Präsident, Regierung und Parlament verteilt werden soll.

Die Ennahda sprach nach den umstrittenen Maßnahmen Saieds am Sonntagabend von einem „Staatsstreich“. Der frühere Juraprofessor Saied beteuert dagegen, sich im Rahmen der 2014 in Kraft getretenen Verfassung zu bewegen. Diese räumt ihm in Artikel 80 das Recht ein, bei drohender „Gefahr für Einheit, Sicherheit und Unabhängigkeit des Landes“ außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings muss er sich dafür mit dem Regierungschef beraten. Ein Recht zur vollständigen Auflösung des Parlaments sieht Artikel 80 nicht vor.

Die Reaktionen in der Region auf die Entwicklungen in Tunesien fielen gemischt aus. In drei der dort einflussreichsten Länder - Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten - werden Saieds Schritte aber als wichtiger Schlag gegen Islamisten gefeiert. Kairo, Riad und Abu Dhabi betrachten mit den Muslimbrüdern verbündete Bewegungen als ernsthafte Bedrohung und zählen auch die Ennahda dazu. Die Partei hat Verbindung zur Muslimbruderschaft, die in den Ägypten, Saudi-Arabien und den Emiraten verboten ist, abgestritten.

Tunesien hat als einziges Land in der Region nach den Aufständen von 2011, bei denen Langzeitherrscher Zine El Abidine Ben Ali gestürzt wurde, den Übergang zur Demokratie geschafft. Seitdem hat das Land aber mehr als zehn Regierungswechsel erlebt. In Protestwellen machten Tausende Demonstranten ihrem Ärger unter anderem wegen hoher Arbeitslosigkeit und der immer noch verbreiteten Korruption Luft. In den vergangenen Tagen kam es wegen stark steigender Corona-Fallzahlen und der anhaltenden Wirtschaftskrise erneut zu Protesten.

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