Von Juan E. Alemann
Luiz Inacio „Lula“ da Silva ist mit einer äußerst knappen Stimmenmehrheit erneut zum Präsidenten von Brasilien gewählt worden. Er ist inzwischen älter geworden, hat Erfahrung gesammelt, und steht vor einer völlig neuen Lage. Brasilien hat sich verändert, die Welt ist anders. An erster Stelle besteht jetzt eine von Bolsonaro vereinigte Opposition, die das Parlament beherrscht und in Sao Paulo u.a. wichtigen Staaten den Gouverneur gestellt hat. Bei seinen früheren Regierungen war die Opposition verzettelt und schwach. Lula muss sich somit mit der Opposition irgendwie verständigen, und auf alle Fälle extreme Positionen beiseitelassen. Lula sollte vermeiden, dass es mit der Opposition zu einer tiefen Kluft kommt,wie sie in Argentinien besteht. Denn das würde ihm schaden.
In den letzten Jahren, seit Dilma Roussef, seine Nachfolgerin, regierte, hat sich vieles verändert. Der Interimspräsident Michel Temer hat eine grundsätzliche Reform der Arbeitsgesetzgebung durchgesetzt, die Brasilien erlaubt hat, die Beschäftigung und die Produktivität zu erhöhen. Dabei gab es keinen Protest der Gewerkschaften. Ein Beispiel für Argentinien. Diese Reform hat Lula auch während seiner Wahlkampagne nicht beanstandet. Bolsonaro hat dann die zweite wichtige Reform durchgesetzt, die das Pensionierungssystem betrifft. Bisher wurden für die Pensionierung nur 30 Beitragsjahre gefordert, aber es gab kein Mindestalter. Wer mit 18 Jahren zu arbeiten begann, konnte somit mit 48 Jahren in Pension gehen, Das hält kein Pensionierungssystem aus. Jetzt werden 67 Jahre, bzw. 62 bei Frauen gefordert. Dann hat Bolsonaro ein Gesetz über Beschränkung der Staatsausgaben durchgesetzt und Privatisierungen eingeleitet.
Brasilien ist unter Bolsonaro gewachsen und hat die Inflation erfolgreich bekämpft. In 12 Monaten liegt die Inflationsrate jetzt bei 7%, weniger als in den USA und der EU. Lula kann es sich politisch nicht leisten, dass die Inflation wieder in die Höhe springt. Doch das zwingt ihn zu einer orthodoxen Wirtschafts- und Geldpolitik.
Eine populistische Politik, mit erhöhten Sozialausgaben und allgemeinen Lohnerhöhungen hat jetzt Grenzen. Lula muss zeigen, dass er zu den Erfolgen von Bolsonaro weitere hinzufügt, und das zwingt ihn, sein ursprüngliches sozialistisches Konzept aufzugeben, die Marktwirtschaft zu bejahen und auf dem aufzubauen, das er von Bolsonaro geerbt hat. Er hat schon Signale in diesem Sinn gegeben. Doch was noch fehlt, ist eine grundsätzliche Erklärung seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, um die Wirtschaftswelt zu beruhigen, so dass weiter investiert und auf Wachstumskurs gesteuert wird. Und gleichzeitig muss er sein Publikum befriedigen, und auch das ist nicht einfach.
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