Von Juan E. Alemann
Das argentinische System der Betreuung der Gesundheit der Bevölkerung ist nicht schlecht, könnte aber mit geringem Aufwand viel besser sein. Die Pandemie hat gezeigt, das die Infizierten sofort behandelt werden konnten, wenn notwendig auch in Intensivstationen. Zudem wurden auch Hospitale erweitert und ausgestattet. Ärzte und Krankenschwestern (und auch männliche Pfleger) haben sich gut bewährt.
Das argentinische Gesundheitssystem deckt die gesamte Bevölkerung, mit öffentlichen (unentgeltlichen Hospitalen), gewerkschaftlichen Sozialwerken, dem Sozialwerk für Pensionäre PAMI, privaten Systemen (sogenannte “prepagas”, bei denen die Mitglieder einen festen Betrag pro Monat zahlen und voll gedeckt sind) und schließlich rein privater ärztlicher Betreuung. Als System ist das argentinische besser als das der Vereinigten Staaten, das sehr teuer ist und Menschen mit niedrigem Einkommen einen unzureichenden Dienst bietet, wobei sie sich oft hoch verschulden müssen, um eine komplexe Behandlung zu beanspruchen. Die Medizin ist in den USA technologisch sehr fortgeschritten, aber das kommt vornehmlich den Reichen zugute.
Argentinien verfügt über 172.000 Ärzte, was fast 4 Ärzte pro 1.000 Einwohner darstellt, etwa ebenso viel wie Spanien, Italien und die Schweiz (Angaben von Prof. Dr. Roberto Borrone, La Nación,18.9.20). Es ist einer der höchsten Koeffizienten der Welt. Die Ärzte haben eine gute Ausbildung und verrichten ihre Arbeit ordentlich. Allein, die Ärzte sind im Land ungleich verteilt, mit sehr vielen in der Bundeshauptstadt und zu wenigen in entlegenen Gegenden. Ebenfalls fehlen gelegentlich bestimmte Spezialisten.
Bei den Krankenschwestern liegt der Fall anders. Allgemein fehlen in den öffentlichen Hospitalen ausgebildete Schwestern, und allgemein sind es zu wenige. Von den Krankenschwestern hängt es ab, ob ein internierter Patient schnell heilt, und dass der Arzt gut informiert wird und in Krisensituationen gerufen wird. Mit mehr gut ausgebildeten Krankenschwestern kann die Kapazität der Hospitale erhöht werden, weil die Permanenz der Patienten verkürzt wird. Und außerdem wird die Qualität des Dienstes dabei besser. Die öffentlichen Hospitaler hängen fast alle von den Provinzen und der Stadt Buenos Aires ab, die einen Überschuss an Verwaltungspersonal haben. Es wäre einfach, dem Personal, vor allem dem weiblichen, den Übergang auf eine Beschäftigung als Krankenschwester zu bieten, mit Ausbildung und einem besseren Lohn. Auch Absolventen der Sekundarschule sollte dies geboten werden, einschließlich einer Subvention für das Studium, das viel kürzer und einfacher als bei einer vollen Ausbildung zum Arzt ist.
Die öffentlichen Hospitale sind allgemein mangelhaft verwaltet, weil der Staat ein schlechter Verwalter ist. Als Antonio Cafiero Gouverneur der Provinz Buenos Aires war (1987/91), hat er die Verwaltung der Hospitäler von Tigre und San Pedro auf die Ärzte und den lokalen Gemeinschaftsverband (“unión vecinal”) übertragen. Er übergab ihnen dabei Pauschal den gleichen Betrag, den die Hospitäler vorher erhielten, Es war ein großer Erfolg: der Dienst wurde viel besser, die finanziellen Mittel wurden vernünftiger eingesetzt, die Zahl der Patienten und Behandlungen nahm zu. Cafiero hatte diese Dezentralisierung als Probe gemacht, und wollte in einer zweiten Amtszeit das System auf sämtliche Hospitäler der Provinz ausdehnen. Aber die Verfassungsreform für eine zweite Amtszeit, die damals verboten war, gelang ihm nicht, und so wurde dies von seinem Nachfolger, Eduardo Duhalde, nicht weitergeführt. Schade.
Schließlich sollte der Akzent mehr auf die Erhaltung der Gesundheit als auf die Heilung von Krankheiten gesetzt werden. Das beginnt mit einer ausgeglichenen Ernährung, mit weniger Fleisch und Teigwaren und mehr Gemüse und Obst. Ernährungsuntersuchungen haben in Argentinien eindeutig ergeben, dass zu wenig Gemüse gegessen wird, obwohl Überangebot und oft die Möglichkeit der Eigenproduktion besteht. Zu diesem Zweck sollte es Kurse in den Schulen geben. Und dann muss auch für körperliche Bewegung, Hygiene und guten Schlaf gesorgt werden. Wenn die Menschen von Anfang an gesünder leben, beanspruchen sie das Gesundheitssystem weniger und leben länger.
Es ist somit durchaus möglich das argentinische Gesundheitssystem im öffentlichen Bereich ohne Errichtung neuer Hospitäler, mit einem beschränkten Aufwand, wesentlich zu verbessern. Es geht um eine Erhöhung der Zahl und Ausbildung der menschlichen Ressourcen, um effiziente Verwaltung und auch um eine Modernisierung der Ausstattung der Hospitale. Ein guter Gesundheitsdienst stellt eine qualitative Verbesserung des Wohlstandes der Bevölkerung dar.
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