Diese Woche hat die Regierung den Inhabern von argentinischen Staatstiteln, die auf Dollar lauten, die der US-Gerichtsbarkeit unterstehen und insgesamt u$s 64,8 Mrd. ausmachen, eine neuen Vorschlag unterbreitet, angeblich der allerletzte. Wenn keine Mehrheit von 75% oder eventuell etwas weniger zustande kommt, die den Vorschlag annimmt, kommt es somit zum befürchteten Default. Wirtschaftsminister Martín Guzmán rechnet damit, das dieser Vorschlag in letzter Minute angenommen wird, weil er nicht weit entfernt von der Forderung der wichtigsten Gläubiger ist, und ein Default schließlich den Investmentfonds, die die Staatstitel halten, nicht konveniert. Es ist ein Pokerspiel bis zur letzten Minute.
Die Frist für den Abschluss eines Abkommens läuft am 24. Juli 2020 ab. Doch nachdem die Frist schon zwei Mal einseitig von Argentinien verlängert wurde, und dies von den Gläubigern stillschweigend zugelassen wurde, kann man eine weitere Verlängerung nicht ausschließen. Doch dabei besteht die Gefahr, dass ein einziger Inhaber der Staatspapiere, die umgeschuldet werden sollen, die Fristverlängerung nicht anerkennt und Klage vor Gericht einreicht, womit dann die ganze Verhandlung zusammenbricht.
Inzwischen sind in den letzten Tagen Zahlungen für insgesamt u$s 100 Mio. fällig geworden, die nicht gezahlt wurden. Es ging einmal um einen Halbjahrescoupon, der sich auf Zinsen des Bonds auf 100 Jahre bezieht, und dann auf u$s 570 Mio. eines Discount-Bonds. Diese Zahlungsausfälle kommen zu dem der Zinszahlung von u$s 503 Mio. hinzu, die am 22. Mai verfallen ist. Diese Haltung, keine fälligen Zahlungen von Zinsen und Amortisationen zu zahlen, ist ein weiteres Zeichen der Verhärtung. Denn wenn es zu einem Default kommt, haben diese Zahlungen keinen Sinn.
Die neue Offerte der Regierung, die mit Beratung der Schweizer Bank UBS zustande gekommen ist, enthält Änderungen, aber der Betrag der Gesamtrechnung bleibt unverändert. Beim Gegenwartswert der Gesamtschuld, einschließlich der Zinsen, bei Annahme eines Zinssatzes von 10%, gelangt man jetzt auch auf 50%, während die Gläubiger 52% bis 54% gefordert hatten. Doch die Zahlung der Zinsen wurde in einigen Fällen vorverlegt, so dass sie schon ab 2021 bezahlt werden. Die Initiative, einen Bonus zu zahlen, der an eine eventuelle Exportzunahme gebunden ist, wurde fallen gelassen. Ein Bonus, der an die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes gebunden ist, wie er bei der Umschuldung von 2005 bestand, den einige Gläubiger gefordert hatten, wurde von vornherein ausgeschlossen.
Beim Schnitt der Gesamtschuld muss berücksichtigt werden, dass das Kapital kaum angetastet wird, und die Zinsen dem Stand angeglichen werden, der heute auf dem internationalen Finanzmarkt gilt. Die Zinsen, die Argentinien jetzt anbietet, liegen über der Rendite der US-Schatzscheine (“Treasuries”). Es ist nicht das gleiche, einen direkten Verlust beim Kapital zu erleiden, als niedrigere Zinsen hinzunehmen, die ohnehin in einem Zeitraum von vielen Jahren gezahlt werden. Dieses Argument wird von der argentinischen Regierung nicht hervorgehoben, obwohl es die offizielle Offerten in einem besseren Licht erscheinen lässt.
Es bestehen auch Differenzen juristischer Art, die sich auf bestimmte Klauseln eines Umschuldungsabkommens beziehen. Die Bondsinhaber fordern, dass diese Klauseln die gleichen sein müssen, die für die Bonds galten, die 2002 und 2010 ausgegeben wurden, während die Regierung von den Klauseln ausgeht, die für die ab 2014 ausgegebenen Titel gilt. Es geht dabei grundsätzlich um die Mehrheit, die notwendig ist, um alle Bondsinhaber zu verpflichten, die bei den Macri-Bonds zwischen 65% und 75% liegt, die es bei den Bonds von 2005 nicht gab. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, da durch ein Mehrheitsbeschluss, der für alle Inhaber eines Titels bindend ist, verhindert wird, dass Geierfonds einen geringen Betrag von defaultierten Titel kaufen und einen Prozess anstrengen, bei dem ihnen schließlich die Zahlung von 100% des Nennwertes plus Zinsen, Gerichtskosten und (hohe) Anwaltshonorare anerkannt wird.
Bei den Gläubigern ist die Haltung unterschiedlich. Eine Gruppe hat eine freundlichere Haltung und ist angeblich mit dem argentinischen Vorschlag im Prinzip einverstanden (die Fonds Gramercy, Greylock Capital, Fintech und Oaktree), und eine andere Gruppe nimmt eine sehr unnachgiebige Haltung ein. Unter diesen befinden sich die Fonds BlackRock, Ashmore und Fidelity, die in den USA sehr einflussreich sind. Sie haben unlängst erklärt, dass die Verhandlungen seit dem 17. Juni abgebrochen sind. Laut Sprechern des Wirtschaftsministeriums gewinnen die “freundlichen” Fonds in letzter Zeit an Gewicht. Die “harten” Fonds halten u$s 21 Mio. (gleich 32%) an Global-Bonds, die die Macri-Regierung ab 2016 ausgegeben hat, und 32% der Bonds, die aus den Umschuldungsrunden von 2005 und 2010 stammen. Sie können somit verhindern, dass eine Mehrheit zustande kommt, die alle Bondsinhaber verpflichtet. Die Regierung müsste somit erreichen, dass einige Fonds aus dieser Gruppe austreten.
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