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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Leserbriefe

Neuer Strom

Als ich noch ein Kind war, versorgten zwei Gesellschaften den Großraum Buenos Aires mit elektrischem Strom. Das waren die CADE und Italo. Die Erstgenannte bediente den nördlichen, die andere den südlichen Teil der Stadt und Umgebung. Nach dem 2. Weltkrieg und mit der Ankunft des Präsidenten Juan D. Perón (1946-1955) verschlechterte sich die Stromversorgung zusehends. Aus dem Inneren des Landes strömten viele Menschen in die Hauptstadt; der Strombedarf stieg. Wir spürten das auch zu Hause im täglichen Leben. Gegen Abend fiel die Spannung auf 180 oder 150 Volt. Das Licht wurde schwächer und sogar der Plattenspieler des “Combinado” lief langsamer; die Musik leierte ungenießbar. Man musste auch befürchten, dass der Elektromotor des Kühlschranks durchbrannte.

Zur Behebung dieser Mängel schaffte mein Vater einen Transformator an, genannt “elevador de voltaje”, mit dem man die Stromleistung erhöhen konnte. Allmählich kamen aber auch andere Verbraucher auf diesen trickreichen Einfall, und der Elevator gehörte bald zur Standardeinrichtung eines jeden Haushalts. Nachdem sich aber alle Nachbarn gegenseitig den Strom wegnahmen, war der Endeffekt Null. Offenbar hatten die Kraftwerke CADE und Italo nicht ausreichend investiert, bzw. wurden sie durch die strenge Devisenbewirtschaftung daran gehindert.

Später, nach dem Sturz Peróns und auch während der Frondizi-Regierung, verbesserte sich die Stromversorgung für einige Jahre. Die neuen Wasserkraftwerke in Patagonien (El Chocón, Cerros Colorados) sowie die ersten Kernkraftwerke trugen wesentlich dazu bei.Unter der Regierung Alfonsín wurden die Dienstleister CADE und Italo verstaatlicht und der Gesellschaft SEGBA einverleibt. Mangelhafte Instandhaltung und unzureichende Tarifanpassungen bei galoppierender Inflation brachten die Stromversorgung zu einem Kollaps. Zum Ende der Alfonsín-Regierung wurden regionale Stromsperren von bis zu sechs Stunden täglich verhängt. In meiner Firma lief nichts mehr. Die Computer standen still, die Jahresbilanz konnte nicht termingemäß erstellt werden.

Mit den Privatisierungen unter der Menem-Regierung verbesserte sich die Energiewirtschaft wesentlich. Segba wurde von der spanischen EndeSA übernommen, und es entstanden die heute noch fungierenden Stromerzeuger und -verteiler Edenor und Edesur. Außerdem wurde das große

Wasserkraftwerk Yaciretá nach langen Verzögerungen fertiggestellt und an das Netz angeschlossen. Einige Jahre gab es Ruhe, und man sprach sogar von einem Energieüberschuss. Die Freude darüber währte nur kurz, denn Néstor Kichner fiel es ein, dass die Stromwirtschaft vom Staat gelenkt werden müsse. Per Dekret fror er die Strom- und andere Tarife ein, er bestimmte, wie und wann investiert werden musste, und brach damit die Konzessionsverträge mit den Dienstleistern. Andere privatisierte Unternehmen wurden rückverstaatlicht. EndeSA verließ das Land und überließ Edenor und Edesur argentinischen Investoren. Sehr bald begann eine neue Energiemisere. Wegen fehlender Wartung und Ersatzinvestitionen gab es wieder unerwartete und programmierte Stromausfälle. Eine leichte Erholung ließ sich während der Macri-Regierung verspüren, da die Tarife, wenn auch nicht ausreichend, etwas angehoben werden konnten.

Nun erfahren wir, dass Edenor an drei, etwas zwielichtige Unternehmer und ex Politiker für rund US$ 100 Mio. verkauft wurde (siehe AT vom 31.12.2020). Man muss sich die Frage stellen: Wer kann sich für hochverschuldete Unternehmen der Stromerzeugung und -verteilung interessieren, die infolge willkürlich vom Staat gesteuerter Tarife hohe Verluste erleiden ? Was steckt da wohl wieder dahinter ?

Als Nicht-Fachmann muss ich mich auch fragen. Warum ist hier mit Edenor nur ein Stromverteilungsunternehmen gemeint? Ist Edenor nicht auch Erzeuger? Wem gehören dann die Wärmekraftwerke, die den Strom erzeugen? Was spielt Cammesa - ein reines Staatsunternehmen - für eine Rolle? Wieso schuldet Edenor dem Grossisten Cammesa $ 14 Mrd. und nicht umgekehrt? Normalerweise hat der Stromlieferant Forderungen und nicht Schulden. Alles sehr undurchsichtig, ja suspekt.

Das AT könnte vielleicht dem Otto-Normalverbraucher erklären, wie die verschiedenen Akteure in diesem Zusammenspiel wirken. Ich glaube, Herr Juan Alemann ist ein Kenner auf dem Gebiet. Offenbar sind alle peronistischen Regierungen (Ausnahme Menem) große Spezialisten in der Vernichtung der Energiewirtschaft, und das hat wohl seine (Hinter)-Gründe, wie auch jetzt.

Jürgen Linder

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