Auf nach Skandinavien
Argentinien (E-Mail)
Im Argentinischen Tageblatt werden wöchentlich in der Wirtschaftsübersicht vernünftige Vorschläge zur Verbesserung der konjunkturellen Situation unterbreitet, in dem Wissen, dass diese Ratschläge bei dieser Regierung und auch bei den vorigen keine Beachtung finden. Bei seiner Amtseinführung rief der jetzige Präsident, Alberto Fernández, seinen Gefolgsleuten mit Vehemenz und Begeisterung zu: “Wir werden Argentinien wieder auf die Füße stellen!” Es passiert genau das Gegenteil - mit oder ohne Corona.
Eigentlich müsste diese Republik - wenn man sie noch so nennen kann - grundlegend verändert werden. Eine echte Staatsreform. Brauchen wir eigentlich 24 Provinzen (einschl. Distrikt CABA)? Die Hälfte würde genügen. Brauchen die Provinzen 2 Kammern? Dass im nationalen Kongress jeder Abgeordnete im Schnitt 20 Angestellte (Fahrer, Berater, Sekretärinnen, Schreibkräfte usw.) zu Lasten des Steuerzahlers unterhält, ist ein Skandal. 3,5 Millionen Staatsbedienstete (davon 1 Million während der Kirchnerregierungen eingestellt) sind eine Absurdität, wenn unter Berücksichtigung der heutigen Informationstechnologie die Hälfte ausreichen müsste. Ebenfalls wurden während der Regentschaft von CFK über 3 Millionen Menschen in das Rentensystem der ANSES aufgenommen, die nie einen Heller in die Kassen der Altersversorgung eingezahlt haben. Hinzu kommen die zahlreichen Sozialpläne für Behinderte, Arbeitslose, alleinstehende Mütter, usw. Das Resultat ist: ein Drittel der aktiven und arbeitenden Bevölkerung des privaten Sektors muss zwei Drittel Passive, vom Staat Abhängige, unterhalten. Das funktioniert einfach nicht, nirgends.
Neben der Verkleinerung und Rationalisierung des gesamten Staatsapparates müssten noch flankierende Maßnahmen angepeilt werden. Mit Lohnsteuern und Sozialabgaben dürften die Arbeitnehmer nur bis zu 15% belastet werden. Der maximale Satz für die Einkommensteuer (hier Gewinnsteuer benannt) sollte bei 25 % liegen. Die Mehrwertsteuer 15 %. Alle müssen Steuern zahlen, Schwarzarbeit wird geahndet und steht unter Strafe.
Der Staat hat sich hauptsächlich um Erziehung, Gesundheit, Sicherheit und Justiz zu kümmern. Die Lehrer in den öffentlichen Erziehungsanstalten müssen sehr gut ausgebildet, aber auch sehr gut bezahlt werden. Für je zwei Lehrer gibt es einen Ersatzlehrer (heute: für jeden Lehrer zwei Ersatzkräfte, die nichts tun). In den 3-monatigen Sommerferien müssen die Lehrer einen Monat lang Fortbildungskurse besuchen und sich Eignungstests unterziehen. Sie dürfen nicht streiken. Auch die Polizei und sonstige Sicherheitskräfte müssen gut entlohnt und angemessen ausgerüstet werden. In den Gewerkschaften müssen öffentlich überwachte Wahlen stattfinden. Die Gewerkschaftsführer dürfen nur einmal wiedergewählt werden. Jeder Arbeitnehmer kann selbst entscheiden, ob und welcher Gewerkschaft er beitritt. Die Beiträge an die Gewerkschaft muss er selbst entrichten und nicht sein Arbeitgeber. Das Gesundheitswesen sollte im Prinzip gemischt bleiben: Privatversicherung und kommunale Hospital-Versorgung, mit gutem Überwachungssystem, aber keine gewerkschaftliche Medizinbetreuung.
Mit einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ließe sich die Machbarkeit einer derartigen Reform simulieren.
Ich weiß, das ist alles Utopie, denn wer in unserem politischen System würde im Parlament solchen Gesetzesvorlagen zustimmen und sich den bequemen Ast absägen, auf dem er sitzt? So eine dringend notwendige Veränderung kann nur eine Diktatur durchsetzen und das wollen wir ja auch nicht.
Nun, Herr Fernández hat gesagt, dass er sich wünsche, ein Land wie Schweden, Norwegen oder Finnland zu sein. Im Moment lässt er sich viel mehr in Richtung Venezuela steuern.
Jürgen Linder
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