Der Zyklus der Schmetterlinge
Wir, die an der Goethe-Schule arbeiten, sind der Meinung, dass die Schule auch ein Ort des Abenteuers sein kann – und sollte. Aus diesem Grund lassen wir uns manchmal auf Erfahrungen ein, die uns von Computern, Büchern, Arbeitsblättern und Notizheften wegführen, um erfahrungsorientiertes Lernen zu fördern.
Gemeinsam mit den Jungen und Mädchen der Klasse 1B (Primaria) machten wir uns auf den Weg, um in einem Zusammenspiel aus Theorie und Praxis alles über die Welt der Schmetterlinge zu erfahren. Wir begannen mit der Frage: Was wollen wir über die Welt der Schmetterlinge wissen? Diese Frage führte zu vielen anderen: Was sind Schmetterlinge? Wie werden sie geboren? Was essen sie? Wo leben sie?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, holten wir eine kleine Raupe in unser Klassenzimmer. Sie war aus einem Ei unter dem Blatt einer Asclepia geschlüpft, der Pflanze, von der sie sich ernährt und die daher für ihr Überleben wichtig ist. Die kleine freundliche Raupe wurde für uns zu einem täglichen Begleiter: Wir sahen, wie sie auf ihrer Lieblingspflanze auf und ab lief, und wir sahen auch, wie sie auf den Blättern Spuren aus kleinen Löchern hinterließ. Klar, sie musste ja auch etwas essen.
Während wir beobachteten, wie sich die Raupe in einen Schmetterling verwandelte, lernten wir eine Menge Dinge. Das „Raupenstadium“ – auch Larvenstadium genannt – dauert etwa zwei Wochen. Während dieser Zeit ernähren sich die Larven von Blättern. Ihr einziges Ziel ist, zu wachsen und Kraft zu sammeln. Am Ende dieses Zeitraums hängen sie an einem Zweig und beginnen, eine Puppe um diesen herum zu weben.
Heute wissen wir, dass dieses zweite Stadium zwischen 8 und 15 Tagen dauert. In dieser Zeit verändert sich der ursprüngliche Körper der Raupe und sie nimmt allmählich seine neue Gestalt an. Die Flügel erscheinen als letzte: Sie werden am Tag vor dem Schlüpfen des Schmetterlings gebildet.
Als wir die Veränderungen Tag für Tag beobachteten, bemerkten wir noch etwas anderes, das ebenso besonders ist wie jedes andere Detail dieses Prozesses: Nicht nur die Raupe verändert sich, sondern auch die Puppe – die Hülle, in die sich die Larve während ihres Umwandlungsprozesses „einhüllt“ – verändert ihre Form und ihre Farbe. Eine Verwandlung innerhalb einer Verwandlung: Während sie zu Beginn dieser Phase grün und undurchsichtig ist, wird die Puppe in den letzten Tagen transparent. So konnten (durften!) wir den Schmetterling im Innern perfekt bewundern.
Endlich war der lang erwartete Zeitpunkt gekommen. In einem für uns alle magischen Moment wurden wir Zeugen einer wunderbaren Verwandlung, einer von vielen, die die Natur hervorzubringen vermag. Der Schmetterling schlüpfte aus seiner Puppe, bereit, uns kennenzulernen. Wir reichten ihn von Hand zu Hand. Dann ließen wir ihn fliegen.
Und was wir zuletzt gelernt haben: Wenn die Schmetterlinge geboren sind, sind ihre Flügel noch schwach und ihr Körper ist voller Flüssigkeit, also beginnen sie zu flattern, bis sie stärker werden. In Zweiergruppen zeichneten und beschrieben wir jede der Phasen. Dann ja, dann griffen wir zu Papier und Stift, um alles, was wir erlebt und gelernt hatten, festzuhalten.
Nancy Marmo,
Lehrerin der 1. Klasse der Primaria der Goethe-Schule
Übersetzung von Lena Seebeck
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