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"Lange Sanktionsspirale"

EU reagiert auf Zwangslandung eines Flugzeugs in Belarus

Ryanair-Flieger
Der Ryanair-Flieger landete nach seinem Zwangsaufenthalt in Belarus im litauischen Vilnius. (Foto: dpa)

Lissabon (dpa) - Außenminister Heiko Maas droht Belarus nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs mit weiteren harten Sanktionen. Sollten die eingeleiteten Strafmaßnahmen der EU den dortigen Machthaber Alexander Lukaschenko nicht zum Einlenken bewegen, "muss man davon ausgehen, dass das der Beginn einer großen und langen Sanktionsspirale sein wird", sagte Maas (SPD) gestern bei einem Treffen der EU-Außenminister im portugiesischen Lissabon. Das Verhalten Lukaschenkos habe "terroristische Züge".

Als erstes Signal von Belarus erwarte die EU nun die Freilassung von mehr als 400 politischen Gefangenen. "Solange das nicht der Fall ist, kann es bei der Europäischen Union auch kein Nachlassen geben, wenn es darum geht, neue Sanktionen auf den Weg zu bringen."

Die belarussischen Behörden hatten am Sonntag eine Passagiermaschine der irischen Fluggesellschaft Ryanair auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gebracht - angeblich wegen einer Bombendrohung. Die stellte sich später als Fehlalarm heraus. Mehr als 100 Menschen waren an Bord, darunter der Regierungskritiker Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega. Beide wurden festgenommen. Ihr Schicksal ist ungewiss.

In Folge der Ereignisse hatten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bereits am Montag neue Sanktionen gegen die frühere Sowjetrepublik auf den Weg gebracht. Gestern berieten die Außenminister über die konkrete Umsetzung. Erst in den kommenden Wochen soll dann entschieden werden, gegen welche Unternehmen oder Wirtschaftszweige Sanktionen verhängt werden.

"Klar ist aber, dass wir uns nicht mit kleinen Sanktionsschritten zufrieden geben wollen, sondern dass wir die Wirtschaftsstruktur und den Zahlungsverkehr in Belarus mit Sanktionen ganz erheblich belegen wollen", kommentierte Maas. Seinen Worten zufolge könnte zum Beispiel die Kali- und Phosphatindustrie ins Visier genommen werden. Zudem stellt sich laut Maas die Frage, ob Belarus nicht über die Europäische Zentralbank die Ausgabe von Staatsanleihen erschwert werden kann.

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis brachte zudem Hersteller von Ölprodukten ins Spiel. Beides sind wichtige Exportgüter. Einigkeit besteht darüber, dass Branchen oder Unternehmen ausgewählt werden sollen, mit denen man die Staatsführung möglichst hart und die Bevölkerung möglichst wenig trifft.

Der luxemburgische Außenministers Jean Asselborn forderte die EU dazu auf, sich nicht von möglichen eigenen wirtschaftlichen Einbußen von ihrem Sanktionskurs abbringen zu lassen. Wenn man das Regime in die Schranken weisen wolle, koste das auch Opfer. "Das sind Banditenstreiche, die dort verübt werden", sagte er. "Da müssen wir wirtschaftliche Interessen hinten dran setzen." Deutschland ist nach Angaben des Auswärtigen Amts der wichtigste Handelspartner von Belarus in der EU.

Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg mahnte, dass einzelne Sanktionen nach hinten losgehen könnten. So wolle man den Dialog mit der Zivilgesellschaft verstärken. Die Sperrung des EU-Luftraumes für Flugzeuge aus Belarus werde aber nun dazu führen, dass Vertreter der Zivilgesellschaft nur noch unter großen Mühen zum Beispiel über Moskau in die EU reisen könnten. Da schneide man sich eigentlich ins eigene Fleisch.

Die staatliche Fluggesellschaft Belavia aus Belarus kündigte gestern von sich aus an, alle Flüge nach Deutschland, Polen, Italien, Österreich, die Niederlande, Spanien und Belgien vorerst einzustellen. In Deutschland sind Verbindungen nach Frankfurt, Berlin, Hannover und München betroffen.

Landsbergis äußerte die Befürchtung, dass die frühere Sowjetrepublik Belarus von Russland annektiert werden könnte. Lukaschenko arbeite daran, die Verfassung zu ändern, so dass es möglich wäre, aus Russland und Belarus ein einziges Land zu machen. Heute reist Lukaschenko zu einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin.

 

Dissident Protassewitsch

Minsk (dpa) - Der in Belarus festgenommene Roman Protassewitsch ist ein gutes Beispiel für viele junge Menschen in der Ex-Sowjetrepublik, die nach einem Leben in Freiheit streben. Der 26-Jährige ist schon seit Teenager-Zeiten politisch aktiv. Einem größeren Publikum wurde er bekannt als Mitbegründer des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta (gesprochen Nechta), der im vergangenen Jahr zur Zeit der Massenproteste in Belarus gegen Machthaber Alexander Lukaschenko ein Millionenpublikum erreichte.

Zum Ärger von Lukaschenko gab der Kanal immer wieder genaue Hinweise zu Uhrzeiten und Routen der Protestmärsche in der Hauptstadt Minsk. Seit die Behörden den Kanal im vergangenen Jahr als extremistisch einstuften und verboten, läuft auch die politische Verfolgung der Blogger auf Hochtouren.

Protassewitsch verließ Nexta voriges Jahr und gründete bei Telegram den politischen Kanal @belamova, um seine Karriere als Journalist voranzutreiben. Dabei pflegte er auch enge Kontakte mit der belarussischen Opposition im Exil.

 

Die Schweiz lehnt ab

Bern/Brüssel (dpa) - Die Schweiz will keine engere Bindung an die Europäische Union. Nach sieben Jahren hat sie Verhandlungen über einen geplanten Rahmenvertrag mit der EU einseitig beendet. Es habe keine Einigung über entscheidende Punkte gegeben, sagte der Schweizer Präsident Guy Parmelin am Mittwoch in Bern. Die EU bedauerte die Entscheidung.

Er habe EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich per Telefon informieren wollen, aber von der Leyen habe das Gesprächsangebot nicht angenommen, sagte Parmelin. In seinem Brief an von der Leyen schrieb Parmelin, es sei der Wunsch der Schweiz, die Beziehungen zur EU "zu pflegen und zu vertiefen".

Im Verhältnis der Schweiz zur EU ändert sich zunächst nichts. EU-Bürger können sich weiter in der Schweiz niederlassen und die Schweiz hat weiter Zugang zum EU-Binnenmarkt. Allerdings sprach die EU-Kommission in Brüssel von weitreichenden Konsequenzen. So werde die EU ab sofort nicht mehr automatisch schweizerische Zertifizierungen für Medizinprodukte anerkennen. Dann müssen Hersteller, die in die EU exportieren, eine Zertifizierung in der EU beantragen. Zudem sollen zum Beispiel die Verhandlungen über einen Zutritt der Schweiz zum europäischen Strommarkt und über ein Gesundheitsabkommen mit der EU nicht fortgeführt werden.

Über das Rahmenabkommen wurde seit 2014 verhandelt. Es war als eine Art Leitlinie für die bestehenden Verträge gedacht. Damit sollten etwa automatische Anpassungen bei aktualisierten EU-Richtlinien geregelt werden. Die Schweiz monierte aber neue Regeln in dem Vertrag, gegen die Gewerkschaften, Staatsrechtler und die rechte Partei SVP Sturm liefen. Dabei ging es unter anderem um Regeln zu Staatshilfen, Maßnahmen zum Schutz der hohen Schweizer Löhne und den Zugang von EU-Bürgern zu Schweizer Sozialkassen.


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