top of page
  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Landwirtschaft und Landbesitz

Von Juan E. Alemann

Argentinien lebt von seiner Landwirtschaft, die direkt und indirekt mit über zwei Dritteln zum Export beiträgt. Außerdem hat die Landwirtschaft intern als Lokomotive der Wirtschaft gewirkt: die Gesamternte von Getreide und Ölsaat ist heute etwa 10 Mal so hoch wie in den 40er und 50er Jahren, und drei Mal so hoch wie in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Kein anderer Bereich hat sich so umwälzend modernisiert wie die Landwirtschaft, die heute hochtechnologisch ist, und entsprechend viel von den Unternehmern der Branche fordert. Sie müssen sich ständig mit Bodenstudien, optimaler Düngung, Auswahl von Saaten, Einsatz von genetisch verändertem Saatgut, Optimierung der Aussaat (was sich auch auf den Abstand unter der einzelnen Pflanzen bezieht), Klima, Marktstudien und Einsatz der geeigneten Maschinen befassen. Auch bei der Rinderwirtschaft hat ein grundlegender Wandel stattgefunden, mit besseren künstlichen Wiesen und Feed-lots, Überwindung der Maul- und Klauenseuche, und Erhöhung der Geburtenrate, die zu einer viel höheren Fleischproduktion geführt hat. Unternehmer, die Fabriken betreiben, haben es meistens einfacher, weil ein Produktionsprozess, die sich in Gang befindet, normalerweise lange Zeit unverändert fortgeführt wird. Der Anteil von Akademikern an den landwirtschaftlichen Unternehmer ist in Argentinien höher als in den Vereinigten Staaten.

Dennoch zeigt die Bevölkerung der Großstädte wenig Verständnis für die Landwirtschaft, und die Politiker, deren Stimmen mehrheitlich von Stadtbewohnern stammen, auch nicht. Das kommt dann in einer Haltung der Regierung zum Ausdruck, die die Landwirte als Rentner betrachtet und der Landwirtschaft Hindernisse schafft. Dass bei Sojabohne ein Exportzoll von 33% besteht (der jetzt bis Ende des Jahres leicht gesenkt wurde), den es weder in den USA noch in Brasilien (den zwei Konkurrenzländern) gibt, zeugt von einem totalen Unverständnis der Landwirtschaft. Ohne diesen hohen Exportzoll könnte viel mehr Sojabohne erzeugt werden (in Gegenden mit ungünstigeren Klimaverhältnissen), die Argentinien dringend benötigt, um den Export zu erhöhen.

Auch die andere Landwirtschaft, also Anbau von Gemüse, und die regionalen Produktionen werden nicht ausreichend verstanden. Auch hier könnte mehr produziert und exportiert werden.

Die These der Agrarreform, also der Enteignung von größeren landwirtschaftlichen Betrieben, um sie unter kleinen Bauern aufzuteilen, kommt gelegentlich wieder auf. Juan Grabois, der dem Kirchnerismus nahe steht, und angibt, benachteiligte soziale Gruppen zu vertreten und auch eine Partei hat, die bei der Regierungskoalition mitmacht, hat dies unlängst mit einem Überfall auf eine “Estancia” in Entre Ríos wieder zum politischen Thema gemacht. Ein schlichtes Verbrechen wurde als sozialer Fortschritt dargestellt.

Dabei vergisst man, dass die Landwirtschaft nicht nur Boden, sondern sehr viel Kapital (Anlagen und Maschinen, eventuell auch Rinder), technologische Kenntnisse und viel Arbeit und Unternehmertalent erfordert. In Venezuela hat Hugo Ch{avez Agrarland beschlagnahmt und an städtische Menschen verschenkt, was eine Katastrophe war. Diese Menschen haben als Landwirte versagt und bald aufgegeben, und sind in die Städte zurückgewandert. Doch die Folge dieser Fehlentscheidung verblieb: die Produktion von Milch, Mais u.a. landwirtschaftlichen Produkten ging stark zurück, und Venezuela muss seither Nahrungsmittel importieren, die früher im eigenen Land erzeugt wurden. Und wenn der Import nicht möglich ist, weil die Devisen fehlen, wie es jetzt der Fall ist, dann kommt es zu extremer Knappheit und Hunger, was ohne die Landreform von Chávez nicht der Fall gewesen wäre.

Präsident Alberto Fernández sah sich jetzt auch gezwungen, zum Thema Stellung zu nehmen. Er sprach sich gegen die Agrarreform aus, und bezeichnete diejenigen, die sie befürworten (also auch Grabois), als Idioten. Dann sprach er sich für die Übertragung von unproduktivem staatlichem Landbesitz an diejenigen aus, die das Land bearbeiten. In der Tat besitzt der Staat viel Land, aber zum größten Teil handelt es sich um extrem trockene und/oder bergige Gebiete, oder solche, die oft überschwemmen. Gutes Land besitzt jedoch das Heer, das diese “Estancias” für Polospiel einsetzt oder ineffizient betreibt, eben weil sich Offiziere und nicht ausgebildete Landwirte damit befassen. Ebenfalls gibt es dabei krumme Geschäfte, indem Dritten gestattet wird, ihr Vieh auf diesem Land zu weiden, und dann irgend jemand, aber nicht das Heer, das entsprechende Geld dafür kassiert.

Beiläufig sagte AF dann, dass die Idee von Grabois, Menschen Land zur Verfügung zu stellen, damit sie es bearbeiten können, sei nicht unsinnig. Das zeugt von einem Unverständnis der Landwirtschaft. Wenn diesen neuen Landwirten kleine Flächen gegeben werden, dann können sie sich nicht dem Anbau von Getreide und Ölsaat und auch nicht der Rinderzucht widmen. Denn dafür sind größere Flächen notwendig, um eine minimale Rentabilität zu erhalten. Sie müssten ihr Land somit verpachten oder in einen Pool einbringen, der eine große Fläche verwaltet. Sie wären dann reine Rentner. Doch das ist wohl nicht der Zweck dieser Schenkung von Land.

Wenn der Präsident dabei an Anbau von Gemüse denkt, so soll er sich bewusst sein, dass dies nur Sinn in der Nähe von Städten hat, weil sonst hohe Transportkosten entstehen. Aber außerdem ist der Anbau von Gemüse mit intensiver Arbeit verbunden, die diejenigen, die der Präsident begünstigen will, scheuen. Der Anbau von Gemüse wird weitgehend von Bolivianern u.a. sehr armen Einwanderern vollzogen. Und schließlich wird ohnehin jetzt schon viel mehr Gemüse erzeugt, als verbraucht wird. Ein Teil des Gemüses wird nicht einmal geerntet und ein anderer Teil verdirbt. Bei Gemüse besteht das Problem gegenwärtig darin, dass der Preis, den der Landwirt erhält, etwa ein Fünftel des Preises darstellt, der der Konsument beim Händel zahlt. Hier stimmt etwas (oder vieles) nicht, aber das hat nichts mit Landreform zu tun.

Das Agrarland ist in Argentinien schon stark aufgeteilt. Eine Studie des Verbandes “Sociedad Rural Argentina”, die 1973 durchgeführt wurde (“La verdad sobre la propiedad de la tierra en la Argentina”) erklärt den historischen Prozess der Aufteilung des Landbesitzes durch Erbschaft und Verkauf, so dass der Landbesitz zum allergrößten Teil aus kleinen Flächen besteht, und die großen “Estancias” Aktiengesellschaften mit vielen Aktionären sind. Seit 1973 ist auch ein neues Phänomen aufgetreten, mit neuen Großgrundbesitzern, die nicht aus den traditionellen Familien stammen, wie Elsztain und Grobocopatel. Ebenfalls fällt auf, dass bei der Liste der reichsten Menschen in Argentinien kein einziger aus den traditionellen Familien stammt, die vor hundert Jahren mit ihren großen Landbesitzen noch an der Spitze standen.

Hinzu kommt noch, dass in keinem anderen Land der Welt so viel landwirtschaftlicher Boden verkauft wird wie in Argentinien. Der Zugang zum Boden ist einfacher als in Europa u.a. Ländern. Doch der Bodenbesitz allein genügt eben nicht. Danach muss viel investiert werden, meistens mehr als der Boden gekostet hat, und man muss auch viel wissen, um den Boden zu bearbeiten und davon leben zu können.

Schließlich besteht auch ein aktiver und umfangreicher Markt für Landpachten. In früheren Zeiten waren die Pächter arme Landwirte, die die Arbeit beitrugen, um fremden Boden zu bearbeiten. Gelegentlich verloren sie ihre Pachtverträge, und dabei entstand ein soziales Problem, weil sie nicht wussten, wohin sie gehen sollten. Diese kleinen Pächter bildeten die Grundlage des Verbandes “Federación Agraria Argentina”, der heute jedoch nicht viel anders ist, als die anderen landwirtschaftlichen Verbände. Viele Pächter von damals sind zu Landbesitzern geworden, andere widmen sich anderen Tätigkeiten. Heute sind die Pächter meistens landwirtschaftliche Unternehmer, die schon Land besitzen und eine Struktur (mit Landmaschinen, Personal u.s.w.) haben, die sie mit mehr Fläche besser auslasten wollen. Oft sind diese Pächter reicher als die Besitzer des Landes, das sie pachten. Menschen mit unternehmerischem Talent und Risikobereitschaft bietet sich dabei die Möglichkeit des wirtschaftlichen Aufstiegs.

Die argentinische Landwirtschaft hat sich nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Struktur stark verändert, sondern sie ist auch vom soziologischen Standpunkt ganz anders geworden. Was Politiker vom Schlage von Grabois äußern, beruht auf Vorurteilen und einer Welt, die nicht mehr existiert. Sie sind ein Anachronismus, den jedoch viele Politiker ganz oder halbwegs teilen. Auch bei Präsident Fernández ist man nicht ganz sicher, wo er steht. Und bei Cristina noch weniger.



0 visualizaciones0 comentarios
bottom of page