Letzten Dienstag hat die Zentralbank ein eigenartiges System für die Verrechnung des Erlöses von Sojaexporten eingeführt, das bis Ende August 2022 gilt. Für ZB-Präsident Miguel Angel Pesce geht es darum, die Lücke der Zahlungsbilanz zu stopfen, die angeblich nur bis September besteht, wenn der Import von teurem Gas abnimmt, weil die Temperatur steigt und kaum noch geheizt wird. Präsident Alberto Fernández hatte darauf hingewiesen, dass die Landwirte die Ernte von Sojabohne einbehalten, statt sie sofort zu exportieren. Wie üblich reagiert die Regierung fallweise für einzelne Probleme, statt zu einer Gesamtlösung zu greifen. Dadurch wird das Kurs- und Devisensystem immer komplizierter und undurchsichtiger, und dabei wird auch die Kontrolle, um Manöver zu vermeiden, immer schwieriger.
Das neue System ist ziemlich kompliziert. Es besteht in folgenden Aspekten:
Bei Exporten von Sojabohne darf 30% des Erlöses zum sogenannten “solidarischen Dollarkurs” verrechnet werden, der an diesen Tag bei $ 226 pro Dollar lag. Dieser Kurs ergibt sich aus dem offiziellen Dollar plus der Steuer “Pais” von 30%, plus der Einbehaltung, die dann von der Gewinnsteuer abgezogen wird. Es handelt sich somit laut Pesce nicht um einen neuen Wechselkurs, sondern um einen subventionierten Kurs, ähnlich wie er schon bei zusätzlichen Exporten von technologischen Dienstleistungen eingeführt wurde. Nachdem Pesce gegen einen gespaltenen Devisenmarkt eintritt, obwohl schon fünf verschiedene Kurse bestehen, wollte er vermeiden, beschuldigt zu werden, einen weiteren Wechselkurs zu schaffen. Was nicht erklärt wurde, ist, ob auch in diesem Fall ein Teil des Erlöses mit der Gewinnsteuer verrechnet werden kann. Das ist keine Kleinigkeit.
Die verbleibenden 70% können auf einem Bankkonto deponiert werden, das auf Pesos lautet, aber an den offiziellen Dollarkurs gebunden ist (was als “Dollar-linked” bezeichnet wird). Gesamthaft ergibt sich dabei ein Kurs von $ 164. Man kann davon ausgehen, dass der Betrag auch direkt abgehoben werden kann. Doch das wurde nicht ausdrücklich gesagt, so dass befürchtet wird, dass die Landwirte das Geld erst später erhalten. Ebenfalls wurde nicht erklärt, wer den Banken die Kosten dieser Indexierung mit dem Wechselkurs zahlt.
Die Landwirte verkaufen ohnehin ihren gelagerten Bestand nach und nach, um ihre Ausgaben zu decken, und auch, weil das Land bei der nächsten Aussaat frei von den Kunststoffsäcken sein sollte, um normal säen zu können. Im Fall von Sojabohne findet die nächste Aussaat von Oktober bis Dezember statt. Die Landwirte werden somit einerseits erfreut über dieses Geschenk sein, aber andererseits erwarten sie allgemein eine Abwertung und auch eine Verringerung des absurd hohen Exportzolles von 33%. Sie weisen ständig darauf hin, dass sie, in Dollar berechnet, nur einen Bruchteil von 30% oder weniger des Preises erhalten, die die Landwirte in anderen Ländern beziehen. Würden die Landwirte die ganze Sojabohne sofort verkaufen, entstünde zunächst ein Engpass beim Transport und der Verschiffung, und dann würde dies auf die Preise drücken, so dass der gesamthafte Devisenerlös geringer wäre, zum Schaden des Landes.
Die Lagerung von Getreide und Ölsaaten in großen Kunststoffschläuchen, genannt “Silobolsas”, ist eine argentinische Erfindung. Als die geernteten Mengen in den 90er Jahren stark zunahmen, und danach noch mehr stiegen, so dass sie jetzt gut drei Mal so hoch wie vorher sind, gab es keine Lagerungsmöglichkeiten in den Silos der Landwirte, der Händler (“acopiadores”) und des Staates. Es bestand kurzfristig keine Möglichkeit, die üblichen Silos aus Blech oder Zement zu errichten, so dass eine innovative Lösung gefunden werden musste, die in Form dieser Kunststoffschläuche auftrat. Diese Lagerung hat auch den Vorteil, dass sie unmittelbar neben der Erntemaschine erfolgt, so dass die Aufladung auf einen Lastwagen entfällt, der die Ware zum Silo bringt, von wo aus sie dann wieder verladen wird. Beim Kunststoffschlauch gibt es nur einmal eine Ladung des Lastwagens, was Kosten spart. Statt stolz auf den argentinischen Erfindungsgeist zu sein, der hier zum Ausdruck kommt, stuft Alberto Fernández dies als ein Manöver zum Schaden des Landes ein.
In den letzten Jahren wurden diese Kunststoffschläuche in vielen Fällen zerschnitten, so dass Sojabohne, Mais oder was sonst gelagert wurde, zum Teil verloren ging, und auf alle Fälle zusätzliche Kosten für die Verlegung in neue Säcke bedeutete. Für die Verbrecher, die nachts mit Messern kamen, ergab sich dabei kein Vorteil. Sie riskierten dabei auch ihr Leben, wenn sie entdeckt wurden, und geschossen wurde. Es handelte sich um Personen mit Ressentiment gegen die Landwirte, und auch um einen Teil der politischen Auseinandersetzung der Kirchner-Regierungen mit den Landwirten. Der Kirchnerismus hat hier erneut seine aggressive Seite gezeigt. Auch dieses Mal wurden Säcke aufgeschnitten, aber angeblich weniger, wohl auch weil die Landwirte darauf vorbereitet sind und die Silobolsas überwachen, und dabei mit Gewehren ausgerüstet sind.
Präsident Fernández hat auch gegen die Landwirte Stellung bezogen, und sie beschuldigt, egoistisch zu handelt und Sojabohne einzubehalten, statt sie zu exportieren, wie es notwendig sei. Dabei wurden im Fernsehen auch große Flächen mit Kunststoffsäcken gezeigt. Es ist unbegreiflich, dass der Präsident sich bemüht, die Landwirte in die Opposition zu drängen. Abgesehen von den über 300.000 Landwirten, die es im ganzen Land gibt, hängen von der Landwirtschaft auch die Landarbeiter, die Unternehmen, die für andere säen und ernten, die Transportunternehmen, die Lieferanten von Düngemitteln und Produkten zur Vertilgung von Unkraut und schädlichen Insekten, und, ganz allgemein, der Handel und die Werkstätten in den Dörfern ab. Von der Gesamtbevölkerung von 47,7 Mio. Menschen hat gut die Hälfte eine ziemlich direkte Beziehung zur Landwirtschaft, und der Rest lebt indirekt auch von der Landwirtschaft, die für gut zwei Drittel der Exporte verantwortlich ist, und auch der einzige Bereich ist, von dem man kurzfristig eine bedeutende Exportzunahme erwarten kann, die dringend notwendig ist, um den Importbedarf zu decken.
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