top of page
  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Kunst und Kolonialismus

Steinmeier plädiert für Verantwortung / Mexiko verärgert über Auktion

Demo Humboldt Forum
Demonstranten fordern vor dem Humboldt Forum die Rückgabe einiger Ausstellungsstücke an die Ursprungsländer. (Foto: dpa)

Berlin/München/Mexiko-Stadt (dpa/cld) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den jüngsten Öffnungsschritt im Berliner Humboldt Forum zu einem Appell an gemeinsame Verantwortung für die Folgen von Kolonialismus genutzt. Auch Deutsche hätten als Kolonialherren Menschen unterdrückt, ausgebeutet, beraubt und umgebracht, sagte Steinmeier am Mittwoch während eines Festaktes zur Eröffnung erster Teile des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst. Hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen, sei nicht nur Aufgabe für Historiker. Neben der fragwürdigen Ausstellung einiger kolonialer Exponate im Humboldt Forum steht Deutschland außerdem für eine Kunstauktion in der Kritik. Trotz Beschwerden aus Lateinamerika hatte in München eine Versteigerung präkolumbischer Kunstgegenstände stattgefunden.

Vor dem Humboldt Forum protestierten am Mittwoch etwa 100 Menschen, zum Teil aus den Herkunftsgesellschaften, für eine rasche Rückgabe von Objekten mit kolonialem Hintergrund. Die in den USA lebende nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie verwies in ihrer Rede darauf, dass die Länder Europas ihre koloniale Geschichte zwar nicht leugneten, sich aber der heutigen Verantwortung entzögen. Deutschland sehe sich als Land von Beethoven und Bach, aber stelle sich kaum seiner kolonialen Vergangenheit. Sie wünsche sich mehr Courage, nicht nur Kritik anzuhören, sondern auch in Handlung umzusetzen.

„Das Unrecht, das Deutsche in der Kolonialzeit begangen haben, geht uns als ganze Gesellschaft etwas an“, sagte Steinmeier. „Denn in unserem Land gibt es auch in der Gegenwart, mitten im Alltag dieser Gesellschaft, Rassismus, Diskriminierung, Herabsetzung von vermeintlich Fremden - bis hin zu tätlichen Angriffen und Gewalt.“ Er bleibe überzeugt: „Die tieferen Wurzeln des Alltagsrassismus werden wir nur dann verstehen und überwinden können, wenn wir die blinden Flecken unserer Erinnerung ausleuchten, wenn wir uns viel mehr als bislang mit unserer kolonialen Geschichte auseinandersetzen!“

Mexikanische Kulturministerin Alejandra Frausto
Die mexikanische Kulturministerin Alejandra Frausto. (Foto: twitter)

Hermann Parzinger, als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zuständig für die beiden Museen, sprach mit Blick auf mögliche Rückgaben davon, im Humboldt Forum würden jetzt Objekte präsentiert, die vielleicht morgen nicht mehr zu sehen seien. In das Forum sei „eine Lerngemeinschaft eingezogen“. Von den etwa 500.000 Objekten der zuvor im Stadtteil Dahlem präsenten Häuser Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst sollen rund 20.000 im Humboldt Forum gezeigt werden. Dazu gehören auch die als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen, die mit dem letzten Öffnungsschritt vermutlich von Mitte 2022 an zu sehen sein sollen.

Zu der Kritik an den Exponaten des Humboldt-Forums kam es diese Woche zu mahnenden Worten aus Lateinamerika. Schon im Vorhinein wurde eine in München vom Auktionshaus Gerhard Hirsch veranstaltete Kunstversteigerung kritisiert. Mexikos Regierung hatte gut eine Woche zuvor die Absage der Auktion gefordert (wir berichteten). 74 der insgesamt 324 Artefakte - etwa Figuren, Masken und Gefäße - seien Eigentum der mexikanischen Nation, ihr Verkauf eine Straftat nach mexikanischem Recht. Vom Auktionshaus hieß es: „Alle von uns angebotenen Objekte verfügen über Provenienznachweise, die belegen, dass die Objekte sich legal in Deutschland befinden.“ Am Dienstag sprachen sich die Botschafter elf lateinamerikanischer Länder in einer gemeinsamen Pressekonferenz in der mexikanischen Botschaft in Berlin gegen die Durchführung der Auktion aus. Dabei waren Vertreter von Regierungen mit verschiedener politischer Ausrichtung - etwa Venezuela, Kuba, Chile und Kolumbien.

Zur Auktion gehörten auch Gegenstände aus Peru, Bolivien, Costa Rica, Panama, Guatemala, Kolumbien und Ecuador. Manche von ihnen waren mehr als 2500 Jahre alt. Die mexikanische Kulturministerin Alejandra Frausto twitterte auf Deutsch: „Zum deutschen Auktionshaus [Gerhard Hirsch] und seinen Sammlern sagen wir Mexikaner: #meinErbeistNICHTzuverkaufen“.

0 visualizaciones
bottom of page