Rechtsextremes Bündnis macht Comeback möglich
Tel Aviv (dpa/mc) - Nach der Parlamentswahl in Israel zeichnet sich ein klarer Sieg des rechtskonservativen Oppositionsführers Benjamin Netanjahu ab. Nach Auszählung von rund 86 Prozent der Stimmen konnte sich sein rechts-religiöses Lager israelischen Medienberichten zufolge eine Mehrheit von 65 der 120 Sitze im Parlament (Knesset) sichern. Die Likud-Partei des 73-Jährigen wurde nach Angaben vom Mittwoch stärkste politische Kraft mit 32 Parlamentssitzen. Die Zukunftspartei des liberalen Ministerpräsidenten Jair Lapid kam mit 24 Sitzen an zweiter Stelle.
Auf den dritten Platz schaffte es zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein rechtsextremes Bündnis. Die Religiös-Zionistische Partei von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir gilt als Königsmacher für Netanjahu.
Die linksliberale Meretz-Partei sowie die arabische Balad-Partei könnten dagegen ganz knapp an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern. Die Wahlbeteiligung war vergleichsweise hoch. Sie lag mit Schließung der Wahllokale am Dienstagabend bei 71,3 Prozent der rund 6,8 Millionen Wahlberechtigten.
Es wäre das zweite Comeback Netanjahus auf den Posten des Regierungschefs. In Israels Geschichte war niemand länger im Amt als er. Der rechtskonservative Politiker war von 1996 bis 1999 Ministerpräsident, danach wieder durchgängig von 2009 bis 2021. Mit seiner Ablösung im vergangenen Jahr durch Naftali Bennett an der Spitze einer Acht-Parteien-Koalition galt die Ära Netanjahu vorerst als beendet. Die Koalition von Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum war jedoch im Juni nach inneren Streitigkeiten zerbrochen. Im Anschluss übernahm Außenminister Lapid den Posten des Regierungschefs.
Für Netanjahu mit dem Spitzenamen "Bibi" war es politisch und persönlich eine Schicksalswahl: Eine rechtsreligiöse Regierung könnte ihm durch Gesetzesänderungen dabei helfen, seinem derzeit laufenden Korruptionsprozess zu entkommen. Er hatte das Bündnis von Smotrich und Ben-Gvir gezielt vermittelt und den Rechtsextremen damit zum Aufstieg verholfen. Ben-Gvir bekräftigte bei der Stimmabgabe am Dienstag, er wolle Minister für Innere Sicherheit werden.
Präsident Izchak Herzog werde am 9. November offiziell über das Endergebnis der Wahl informiert werden, teilte dessen Büro am Mittwoch mit. Danach habe er bis zum 16. November Zeit, einen Kandidaten mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Dieser habe dafür 28 Tage Zeit, mit einer möglichen Verlängerung um weitere 14 Tage.
Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje bezeichnete den Rechtsruck als "natürliches Resultat des jahrelangen Anstiegs von Extremismus und Rassismus in der israelischen Gesellschaft". In einer Stellungnahme am Mittwoch sagte Schtaje: "Wir hatten keine Illusionen, dass die israelische Wahl einen Friedenspartner hervorbringen würde." Für ihn sei der Unterschied zwischen den verschiedenen israelischen Parteien "wie der Unterschied zwischen Pepsi-Cola und Coca-Cola".
Der palästinensische Ministerpräsident betonte, sein Volk werde den Kampf gegen die israelische Besatzung und für die Einrichtung eines unabhängigen Staates fortsetzen. Er rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, "unser Volk nach der Machtübernahme rassistischer Parteien in Israel gegen die aggressive israelische Politik zu schützen".
Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland, Ost-Jerusalem und die Golanhöhen erobert. Die Palästinenser wollen sie für einen eigenen Staat Palästina - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern liegt seit 2014 brach.
Ein palästinensischer Angreifer wurde am Tag nach der Wahl erschossen, nachdem er an einer Militärsperre am Rande des Westjordanlands mit einem Fahrzeug einen israelischen Offizier gerammt hatte. Der Soldat sei dabei schwer verletzt worden, habe aber noch auf den Attentäter schießen und ihn außer Gefecht setzen können, teilte die israelische Armee am Mittwoch mit.
Bolsonaros Appell
Rio de Janeiro (dpa/mc) - Nach tagelangen Blockaden hat Brasiliens abgewählter Präsident Jair Bolsonaro seine Anhänger aufgefordert, die zahlreichen Straßensperren in weiten Teilen des Landes aufzuheben. "Die Sperrung von Fernstraßen in ganz Brasilien beeinträchtigt die Bewegungsfreiheit der Menschen", sagte Bolsonaro in einem am Mittwochabend auf Twitter veröffentlichten Video. "Man muss das Recht anderer Menschen, die unterwegs sind, respektieren - ganz abgesehen von dem Schaden für unsere Wirtschaft."
Die Autobahnpolizei hatte am Mittwochnachmittag noch 150 Straßensperren in verschiedenen Regionen des Landes registriert, wie das brasilianische Nachrichtenportal "G1" berichtete. Nach eigenen Angaben löste die Polizei bereits 688 Blockaden auf. Bolsonaros Unterstützer wollen den Wahlsieg von dessen Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva nicht hinnehmen. "Andere Demonstrationen auf Plätzen und an öffentlichen Orten sind Teil des demokratischen Spiels", sagte Bolsonaro weiter.
Zahlreiche Bolsonaro-Anhänger demonstrierten am Mittwoch vor Kasernen in verschiedenen Regionen Brasiliens gegen den Sieg des linken Ex-Präsidenten Lula in der Stichwahl gegen Bolsonaro am Sonntag. In mindestens 18 Bundesstaaten und in wichtigen Städten wie Rio de Janeiro, São Paulo und Brasília forderten sie ein Eingreifen des Militärs, wie die Zeitung "Folha de S. Paulo" berichtete.
Ausdrücklich anerkannt hat Bolsonaro seine Niederlage bislang noch nicht. Der Machtübergabe an den Wahlsieger Lula da Silva wolle er sich allerdings auch nicht in den Weg stellen. "Als Präsident und Bürger werde ich weiter alle Anforderungen unserer Verfassung erfüllen."
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