Deutsches Filmfestival diesmal von Zuhause aus
Buenos Aires (AT/cld) - Die Corona-Krise setzt die Orte, an denen Kultur gelebt wird, außer Gefecht. Für Musiker*innen sind es die Konzerte, die sie missen müssen. Kunstbegeisterte sind dazu verpflichtet, auf den Gang ins Museum zu verzichten und für Filmemacher*innen fallen die großen Festivals dieses Jahr weg. Das deutsche Filmfestival, welches dieses Jahr die 20. Edition feiert, hat sich jedoch vom Virus nicht einschüchtern lassen und findet nun trotzdem statt; und zwar online. Unter dem Motto #kinoencasa (Kino zuhause) werden vom 10. bis zum 14. September Spiel- und Kurzfilme sowie Dokumentationen gezeigt, die eigentlich in einem Kinosaal zu sehen gewesen wären. Das Tageblatt stellt Ihnen eine Auswahl an den Filmen vor, die dieses Jahr Teil des Filmfestivals sind.
„Gut gegen Nordwind“
(123 Min.)
Da möchte man einfach nur ein Zeitungsabonnement kündigen und schon findet man die große Liebe. So hätte es bei Emma (Nora Tschirner) und Leo (Alexander Fehling) laufen können. Durch einen falschen Buchstaben in der Empfänger-Mailadresse landet Emmas Abonnement-Kündigung bei dem Sprachwissenschaftler Leo. Anstatt die Nachricht zu ignorieren, antwortet er prompt. Aus dem Zufall wird eine Schicksalsbegegnung. Die beiden verstehen sich; und das außerordentlich gut. In dem regen E-Mail-Kontakt teilen sie immer mehr Privates miteinander. Dabei kommt raus, dass Leo nicht über seine Ex Marlene (Claudia Eisinger) hinwegkommt und „Emmi“ eigentlich ziemlich glücklich mit Bernhard (Ulrich Thomsen) verheiratet ist. Trotzdem schreiben sie immer weiter, die Chemie zwischen ihnen stimmt einfach. Ein Treffen kommt für Emma und Leo jedoch erst einmal nicht infrage. Das würde nur eine Menge Probleme mit sich bringen...
Regisseurin Vanessa Jopp schafft mit „Gut gegen Nordwind“ ein mitreißendes und modernes Liebesdrama, welches nicht wirklichkeitsnäher sein könnte. Gleichzeitig lässt uns der auf dem gleichnamigen Roman von Daniel Glattauer basierende Film doch in eine Art Traumwelt eintauchen. In den zwei Stunden sehnt man sich nach Freiheit, lacht über kuriose Zufälle des Lebens und zeigt sich bewegt von der Geschichte zweier Personen, denen immer wieder Steine auf ihren Weg zum gemeinsamen Glück gelegt werden.
„Der Fall Collini“
(123 Min.)
Nach der Ermordung des Industriellen Hans Meyer in einem Berliner Hotel lässt sich der mutmaßliche Täter Fabrizio Collini (Franco Nero) noch in der Lobby festnehmen. Obwohl der Fall zunächst klar scheint, bringt er Collinis jungen Pflichtverteidiger Caspar Leinen (Elyas M’Barek) in Bedrängnis: Nicht nur ist der ermordete Hans Meyer sein Ziehvater; auch seine Tochter, Leinens frühere Jugendliebe, sitzt ihm plötzlich als Nebenklägerin gegenüber.
Da Collini beharrlich schweigt, drängt Nebenklageanwalt Richard Mattinger (Heiner Lauterbach) Leinen dazu, schnell ein Geständnis seines Mandanten zu erwirken, um den Prozess zu beenden. Die Tatwaffe lässt Leinen jedoch zweifeln: Es ist eine Pistole aus Kriegszeiten, die er in Kindertagen baugleich in der Bibliothek seines Ziehvaters entdeckt hatte. Da Collini ansonsten kein erkennbares Tatmotiv hat, beginnt Leinen nachzuforschen und gerät auf die Spur eines weiteren Verbrechens, das bis ins Jahr 1944 zurückreicht. Im Prozess beginnt das Bild des liebevollen Ziehvaters dann zu bröckeln und auch die Fassade von Staranwalt Mattinger bekommt Risse.
Mit „Der Fall Collini“ präsentiert Regisseur Marco Kreuzpaintner einen packenden Justizthriller, der in beeindruckenden Bildern die dunklen Seiten angeblich tadelloser Biographien aufdeckt. Die gelungene Romanverfilmung führt den Zuschauer tief in die juristischen Untiefen der westdeutschen Nachkriegszeit und stellt tiefgreifende Fragen zum Verhältnis von Täter, Opfer und Gerichtsbarkeit.
„Freies Land“
(128 Min.)
Christian Alvart ist in Buenos Aires kein Unbekannter: 2014 war der Regisseur zur Vorstellung seines damals erschienenen Filmes „Banklady“ persönlich beim Deutschen Kinofestival in der argentinischen Hauptstadt. Diesmal ist der 46-Jährige mit „Freies Land“ vertreten. Dabei handelt es sich um einen Thriller, der den Zuschauer zu einer Zeitreise in die vorpommersche Provinz zwei Jahre nach der Wiedervereinigung einlädt. Zum einen geht es um den Tod zweier Schwestern, den die Kriminalisten Patrick Stein (Trystan Pütter) und Markus Bach (Felix Kramer) aufklären sollen. Zum anderen ist der Film aber auch ein recht düster geratenes Porträt einer Epoche des Umbruchs, als die DDR zwar formal schon nicht mehr existierte, doch an vielen Stellen immer noch durchschimmerte, und die neue Zeit erst allmählich begann. Das spiegelt sich auch in den Hauptcharakteren wider: Während Stein ein Westexport aus Hamburg ist, schleppt Bach eine Stasi-Vergangenheit mit sich herum. Die Ermittlungen führen sie in einen Sumpf aus Lügen und menschlichen Abgründen. Verklärt wird hier nichts. Die 128 Minuten sind von Spannung, aber auch von Melancholie geprägt. Zum Glück war der Neuanfang in Ostdeutschland nicht überall so trübe.
(cld/wvg/mc)
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