Ein Jahr nach dem Femizid an Úrsula Bahillo
Von Catharina Luisa Deege
Buenos Aires/Rojas (AT) - „Ein Jahr ohne Úrsula“ titelt die Lokalzeitung „El Nuevo Diario Rojense“. Am 8. Februar 2021 wurde die 18-jährige Úrsula Bahillo von ihrem Exfreund Matías Ezequiel Martínez, einem ehemaligen Polizisten, erstochen. Mitte Dezember letzten Jahres kam das Urteil: Lebenslange Haft. Der Fall ist ein tragisches Paradebeispiel für das Ausmaß persönlicher und systematischer Gewalt an Frauen - und für Úrsulas Eltern Patricia Nasutti und Adolfo Bahillo ist der Fall trotz der Verhaftung des Täters noch lange nicht abgeschlossen.
Zum ersten Todestag der Argentinierin füllte sich die Plaza San Martín in Rojas (Provinz Buenos Aires) gegen Sonnenuntergang. Kurz vor 20 Uhr ergriff die Mutter des Gewaltopfers, Patricia Nasutti, das Mikrofon: „Ich werde weiterhin behaupten, und ich stehe zu dem was ich sage, dass die Abwesenheit des Staates meine Tochter umgebracht hat. Die Justiz hat meine Tochter getötet.“
An jenem 8. Februar wurde Úrsula gegen 20.30 Uhr auf einer Weide, 13 Kilometer von Rojas entfernt, tot aufgefunden (wir berichteten). Mindestens eine Anzeige hatte die damals 18-Jährige gegen ihren Exfreund aufgrund von Gewalt und Morddrohungen erstattet. Am 9. Februar 2021 hätte sie einen „Botón antipánico“, einen Alarmknopf, der Opfern sexualisierter Gewalt in bedrohlichen Situationen als Kommunikationsmittel mit der Polizei dient, erhalten sollen. Gegen ein bestehendes Annäherungsverbot hatte Martínez bereits verstoßen.
Die Gedenkveranstaltung nutzte Patricia Nasutti, um die Amtsenthebung der Richter Marcelo Romero und Luciano Callegari einzufordern, die ihrer Meinung nach den Mord ihrer Tochter hätten vermeiden können. Romero war in einem Verfahren gegen Martínez aufgrund sexuellen Missbrauchs einer behinderten Minderjährigen in der Justizbehörde Mercedes tätig und hatte von einer sofortigen Verhaftung Matías Martínez‘ im Januar 2021 abgesehen. Nasutti wirft Callegari, dem örtlichen Friedensrichter der Stadt Rojas, unzureichende Schutzmaßnahmen vor.
Bei der Gedenkveranstaltung kam ebenfalls der Anwalt Fabián González aus Junín zu Wort. Er hob das systematische Problem des Mordfalls hervor und erklärte: „Für uns als Gesellschaft ist es einfach zu sagen: Ich war nicht betroffen, es hat den Nachbarn erwischt.“ Er wollte somit jeder anwesenden Person eine Dank aussprechen und formulierte: „Fangt an, Euch selbst zu kümmern. Denn das System wird Euch nicht helfen.“
Der Fokus der Veranstaltung lag auf dem Femizid Úrsula Bahillos. Jedoch waren auch Mitglieder der Organisationen „Atravesados por el Femicidio“, „Matanza Duele“ und „Víctimas y Familiares de Femicidios“ anwesend. Patricia Nasutti betonte: „Keiner von uns wollte und will einen Engel im Himmel haben. Wir als Mütter und Väter brauchen unsere Töchter und Söhne.“
Comments