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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Keine Dollartarife mehr?

Der gewählte Präsident, Alberto Fernández, erklärte in Mexiko am Montag, er werde die Bindung der Tarife an den Dollarkurs aufheben. Er sagte, es könne nicht sein, dass die Tarife an den Dollar gebunden seien, aber der Rest der Wirtschaft nicht. Vorsichtshalber fügte er dann hinzu, die Energieunternehmen müssten sich eben anstrengen. Was er sagte, klingt schön, ist aber inhaltlich sehr problematisch.

Das Problem ist viel komplizierter, als es AF darstellt. Die Preise von Importgütern sind an den Dollar gebunden, und das kann nicht anders sein. Auch bei Gütern, die zu einem bedeutenden Teil exportiert werden (Getreide, Ölsaaten, und somit auch Mehl und Speiseöl, u.a.) bestimmt der Wechselkurs mit dem Dollar, und auch der Weltmarktpreis, weitgehend den internen Preis. Erdöl und seine Produkte (Benzin, Dieselöl, Schmieröl, Heizöl u.a.) sind direkt an die internationalen Preise gebunden, weil sie zum Teil sowohl importiert wie exportiert werden. Das Gleiche besteht bei Gas, obwohl hier die Bindung an den Weltmarktpreis nicht so direkt ist, umso mehr als es einen Preis für Gas aus Bolivien gibt, und einen anderen höheren (und stark schwankenden) für verflüssigtes Gas, das per Schiff importiert oder jetzt auch exportiert wird. Wer in Erdöl und Gasforschung und Förderung investiert, tut dies nur, wenn er den internationalen Preis erhält. Sonst investiert er woanders.

Bei Erdöl und Gas besteht in Argentinien ein grundsätzliches Problem: die traditionellen Lager, die allgemein niedrige Förderungskosten aufweisen, erschöpfen sich zunehmend, so dass ihre Produktion in den letzten Jahren schon abgenommen hat und in Zukunft noch stärker abnehmen wird. Die neuen Lager, sowohl die von Schieferöl und -gas in Vaca Muerta, wie die auf der Meeresplattform und eventuell solche im Hochgebirge, die 4.000 Meter unter Meer tief liegen, sind mit viel höheren Kosten verbunden. Der Übergang von billigem Erdöl und -gas auf teures schafft für die argentinische Wirtschaft ein strukturelles Problem, das mit oder ohne Dollarisierung der Tarife besteht. Bei der Dollarisierung wird im Wesen ein Höchstpreis für diese nicht konventionellen Lager festgesetzt.

Wenn die Preise der Erdölderivate, an erster Stelle Benzin und Dieselöl, nicht an den Dollarkurs gebunden sind, dann entsteht ein Problem, wenn das Rohöl sich an den Dollar hält. Normalerweise entsteht dann ein Verlust im Bereich des “Downstreams” (Raffinerien und Vertrieb), den jemand tragen muss. Wenn die Differenz gering ist, kann das Problem eventuell nicht kritisch sein, sondern nur bedeuten, dass Raffinerien und Tankstellen weniger verdienen. Bei einer höheren Differenz entstehen jedoch untragbare Verluste, die die Unternehmen auf Dauer nicht verkraften können, so dass sie auf staatliche Subventionen angewiesen sind. Doch dem Staat fehlt schon jetzt Geld, so das er nicht in der Lage ist, weitere Subventionen zu übernehmen. Und Subventionen an Erdölunternehmen klingen ohnehin merkwürdig und schaffen somit ein politisches Problem. Eine Lösung könnte auch darin bestehen, dass die Steuer auf Benzin und Dieselöl stark verringert wird. Diese Steuer, die es in den USA u.a. Ländern nicht gibt, ist bei der Bindung des internen Preises an den internationalen problematisch. Aber es handelt sich um eine Steuer, die nicht hinterzogen wird und niedrige Kosten für die Eintreibung aufweist, so dass kein Schatzminister bereit ist, auf diese Einnahme zu verzichten.

Der Preis für Treibstoffe und Strom wirkt sich schließlich auch auf die Transportkosten aus. Die U-Bahnen und Passagiereisenbahnen werden mit Strom angetrieben, die Omnibusse mit Dieselöl. Hier besteht schon eine hohe Subvention, die um die Hälfte der Kosten deckt. Eine volle Deckung durch die Tarife, die die Passagiere zahlen, wäre sehr konfliktiv, so dass sich auch die Macri-Regierung nicht traute, so weit zu gehen. Die “Entdollarisierung” der Tarife, die AF angekündigt hat, bedeutet in diesem Fall konkret, dass die Subvention steigen wird, was sich direkt auf das Defizit der Staatsfinanzen auswirkt, das ohnehin schon zu hoch ist.

Der elektrische Strom wird zum Teil durch Wärmkraftwerke erzeugt, die vorwiegend mit Gas gespeist werden, gelegentlich auch mit Heizöl und Dieselöl. Hinzu kommen dann die Wasserkraftwerke, die Kernkraftwerke und in den letzten Jahren zunehmend die Windkraftwerke und die Sonnenanlagen. Die Stromkosten sind somit nur zu etwa der Hälfte an den Erdöl- und Gaspreis gebunden. Dass kann zur Versuchung führen, die Tarife künstlich niedrig zu halten. Doch das würde Investitionen in Wasserkraftwerken und noch mehr in Windkraftwerken nicht attraktiv machen. Besonders bei Windkraftwerken besteht die Möglichkeit einer sehr hohen Expansion, nachdem in vielen Gegenden Patagoniens ein ständiger starker Wind bläst, wie nirgends auf der Welt. Auch wenn die Kosten für Energie aus Windkraftwerken dank technologischem Fortschritt stark verringert wurden, liegen sie immer noch weit über denen der Wärmekraftwerke. Außerdem bestehen die Kosten der Windkraftwerke weitgehend aus den Zinsen und der Amortisation des investierten Kapitals, wobei die Anlagen importiert werden und somit Dollarwerte (oder Eurowerte) haben.

Wenn von “Pesifizierung” der Energietarife die Rede ist, befürchten die Betreiber von Kraftwerken, Fernleitungen für Strom und der Verteilungsnetze, dass ihre Bruttomarge beschränkt wird, wie es unter den Kirchner-Regierungen der Fall war. Das hemmt Investitionen auf diesem Gebiet, die in den letzten Jahren in Schwung gekommen waren. Aber unmittelbar hemmt es auch die Instandhaltungsausgaben, was dann mehr Pannen bei der Stromversorgung, und auch länger dauernde verheißt. Unter der zweiten Regierung von Cristina, nachdem die Instandhaltung des Verteilungsnetzes ab 2002 völlig vernachlässigt worden war, weil die Tarife diese Kosten nicht deckten, kam es zu einem gigantischen Stromausfall in der Stadt Buenos Aires, was dann den Minister Julio de Vido dazu führte, den Stromverteilern Edesur und Edenor eine hohe Subvention zu geben, damit sie das Netz wieder in Ordnung bringen konnten. Nach der Privatisierung der staatlichen Segba Anfang der 90er Jahre, bei der die Kraftwerke, der Ferntransport und das Verteilungsnetz getrennt an private Konzerne vergeben wurden, hatte die Zahl der Stromunterbrechungen, und auch ihre durchschnittliche Dauer drastisch abgenommen. Auch diese Privatisierung war erfolgreich. Wenn jetzt der Staat sich wieder einmischt, besteht die Gefahr, dass es wieder einen Rückschritt gibt, wie unter den Kirchners.

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