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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Kapitalismus in Argentinien

Von Juan E. Alemann

Anlässlich des jährlichen Seminars des Unternehmerinstitutes IDEA (Instituto de Desarrollo de Ejecutivos de la Argentina) hielt Präsident Alberto Fernández über eine Fernsendung aus seiner Residenz in Olivos eine Ansprache, in der er seine grundsätzliche Meinung über Wirtschaft und Wirtschaftspolitik äußerte. Er sagte, es gäbe keine Alternative zum Kapitalismus, was eine deutliche Absage an die kommunistisch gefärbten Vorstellungen vieler Mitglieder der Kirchner-Stoßgruppe “La Cámpora” ist.

Es fällt auf, dass auch in Argentinien in letzter Zeit das Wort Kapitalismus nicht mehr verpönt ist, und ein peronistischer Politiker, wie Miguel Pichetto (der bei den letzten Wahlen als Vizepräsident von Macri auftrat), es ohne Umschweife verwendet. In Deutschland prägte der liberale Wirtschaftler Ludwig Erhard, der Wirtschaftsmister unter Konrad Adenauer als Bundeskanzler und dann selber Kanzler war, in der Nachkriegszeit den Begriff “soziale Marktwirtschaft”. Er vermied dabei die Diskussion, die das Wort Kapitalismus hervorrief. Dass die Bezeichnung Kapitalismus in den letzten Jahren wieder salonfähig geworden ist, hängt wohl auch mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion zusammen. Was auch dazu geführt hat, dass Kommunisten sich heute als Linkssozialisten, Fortschrittliche und sonst was bezeichnen.

In Argentinien sei daran erinnert, dass der Peronismus in seiner ersten Epoche einen betont antikapitalistischen Einschlag hatte, was in einer Strophe des peronistischen Hymnus zum Ausdruck kommt, die "das “Kapital bekämpfend” lautet. Ebenfalls hat Perón drei Privatunternehmen ohne Entschädigung verstaatlicht: die Bierbrauerei Quilmes, die Firma MuMu, die Süssigkeiten erzeugte, und die Zeitung La Prensa. Allgemein hat er die Rechtsordnung nicht eingehalten, die eine Grundlage des Kapitalismus ist. Er war damals ein waschechter Faschist, der aus seiner Bewunderung von Mussolini keinen Hehl machte. Und dabei kam der Staat an erster und die Privatunternehmen an zweiter Stelle.

Doch am Schluss seiner dritten Amtszeit, kurz vor seinem Tode (1974), sagte Perón in einer Konferenz vor Unternehmern im Theater Cervantes wörtlich folgendes: “Die Staatsunternehmen haben uns nur Unannehmlichkeiten bereitet, und ich wünsche, dass die Unternehmer sie alle übernehmen.” Wir waren dabei und sind fast vom Stuhl gefallen, als wir das hörten. Klarer kann man wohl das Bekenntnis zum Kapitalismus nicht äußern. Wobei, nebenbei bemerkt, Carlos Menem als Präsident (1989-99) diese Weisung von Perón bis ins Extrem verfolgte. Er hat (gemäß einer Aufzählung des Institutes CIPPEC) 67 Privatisierungen vollzogen, was sich einmal auf sämtliche Staatsunternehmen bezog, und dann auch auf staatliche Bereiche, die formell nicht Unternehmen waren, wie der Häfen, Überlandstraßen, Flughäfen u.a. Objekte. Diese Privatisierung war ein großer Erfolg: sie trug zum starken Wachstum und zur Stabilität der Periode 1991-1998 bei, und brachte viele qualitative Besserungen mit sich, an erster Stelle beim Telefonwesen (wo eine wahre Revolution stattgefunden hat), aber auch beim der Elektrizitätsversorgung, den Häfen usw. Beiläufig wurden dabei die Staatsfinanzen entlastet, was höhere Sozialausgaben erlaubte, was zum Konzept der sozialen Gerechtigkeit gehört, das Perón in der gleichen Rede als zentralen Aspekt des Justizialismus hinstellte.

Präsident Fernández äußerte dann zwei Zusätze zu seiner grundsätzlichen Definition: einmal wünsche er eine gleichmäßigere Einkommensverteilung, und dann verpönte er einen finanziell bedingten Kapitalismus, und sprach sich für einen produktiven aus. Das erste ist gewiss nicht einfach, und selbst in der Hochburg des Kapitalismus, die Vereinigten Staaten, wird darauf hingewiesen, dass sich die Einkommensverteilung in den Jahren hohen Wachstums verschlechtert habe. In Argentinien ist es gefährlich, die Interessen der Lohnempfänger über die der Unternehmen zu stellen, weil diese ohnehin sehr hoch besteuert werden, mehr als in den USA, Brasilien und den meisten anderen Staaten, und dabei ein Problem haben, um Investitionen finanzieren zu können. Die forcierte Einkommensumverteilung endet in Argentinien erfahrungsgemäß in Inflation.

Was den Finanzkapitalismus betrifft, so klingt dies in Argentinien bei dem rachitischen Bankensystem und Kapitalmarkt des Landes wie ein Witz. Die “produktiven” Unternehmen werden dadurch gehemmt, und die finanzielle Spekulation hat nichts damit zu tun.

Der Präsident hat vor Kurzem ein Signal gegeben, das eine klare Absage an den Kapitalismus ist: er hat die Initiative ergriffen, die Firma Vicentin zu verstaatlichen, was ihm zum Glück nicht gelungen ist. Damit wäre er weiter als Néstor und Cristina gegangen. Er hat nachher versucht, sich mit dem Hinweis auf staatliche Hilfen und Beteiligungen an großen Privatunternehmen in den USA und Europa zu rechtfertigen, und erwähnte dabei den Einstieg des deutschen Staates bei Lufthansa. Doch diese Fälle liegen ganz anders.

Auch der US-Staat hat seine Unternehmen jetzt finanziell unterstützt. Schon bei der Finanzkrise von 2008 hatte der Staat Unternehmen wie General Motors und die Versicherungsgesellschaft AIG faktisch übernommen. Doch nachher ist der Staat durch Verkauf der Aktien an der Börse schrittweise wieder ausgestiegen. Staatsunternehmen passen in den USA nicht in das Gesamtkonzept der Wirtschaft, das die Gesellschaft allgemein vertritt. Großunternehmen erfordern im modernen Kapitalismus gelegentlich staatliche Unterstützung, weil sie wegen ihrer hohen fixen Kosten starke konjunkturelle Schwankungen schwer vertragen.

Dabei besteht im gegenwärtigen Argentinien die Gefahr, dass der Staat dann Unternehmen ganz übernimmt, statt ihnen nur zu helfen, eine Krise zu überwinden. Wobei die staatliche Übernahme von Unternehmen auch die Möglichkeit schafft, Mitgliedern von “La Cámpora”, die arbeitslos sind und kein festes Einkommen haben, gutbezahlte Arbeitsplätze in Führungsstellen zu beschaffen. Denn nicht alle können im Staat beschäftigt werden.

Néstor Kirchner kehrte zum ursprünglichen Konzept von Perón zurück. Er verfügte die Rückverstaatlichung von 7 Unternehmen, die Menem privatisiert hatte, und bei anderen, die öffentliche Dienste betrieben, wurden die Konzessionsverträge missachtet, und die Unternehmen hingen direkt von staatlichen Entscheidungen ab, so dass sie im Wesen nur noch halbwegs privat waren. Doch weder Néstor noch Cristina Kirchner verstaatlichten Unternehmen, die von Anfang an privat waren, wie es Hugo Chávez in Venezuela am laufenden Band getan hat. Außerdem fügten sie dem lokalen Kapitalismus eine Eigenart hinzu, die einzig auf der Welt ist: der Amigo-Kapitalismus, also die Förderung von Unternehmen, die Strohmänner, Partner oder Freunde waren, die besonders bei öffentlichen Bauten in einer grotesken Art und Weise bevorzugt wurden. Die Kirchners selber wurden dabei, dank einer Korruption von unvorstellbarem Ausmaß, zu Großkapitalisten. Heute dürfte Cristina Kirchner mit ihrem legal zugegebenen und ihrem schwarzen Vermögen, das sie irgendwo in Steuerparadiesen verbirgt, zu den reichsten Menschen des Landes gehören. Ihr oft antikapitalistisches Gerede klingt dabei etwas sonderbar. Menschen, die in ihrer Jugend die marxistische Doktrin aufgenommen haben, und später reich wurden, haben oft einen Kurzschluss im Kopf.

Das wesentliche Konzept einer modernen Wirtschaft ist die Effizienz, die die Produktivität (Leistung pro Beschäftigtem oder pro Kapitaleinheit) umfasst, aber sich auch auf andere Aspekte bezieht, wie gutes Marketing, billige Finanzierung, Zugang zu technologischen Fortschritten und Einverleibung derselben in das Unternehmen, und rechtzeitige Erkenntnis von Änderungen in der Wirtschaft, die das Unternehmen betreffen, und von Gelegenheiten, die auftreten und beim Schopf gefasst werden müssen.

Staatsunternehmen sind immanent ineffizient, weil sie starr sind und nicht anders sein können. Das war auch in der Sowjetunion die tiefere Ursache des Zusammenbruchs. Bei einem Privatunternehmen muss stets auf die Erhaltung des Unternehmens und dann auf den Gewinn geachtet werden. Bei Staatsunternehmen ist dies nur ausnahmsweise möglich, weil die Entscheidungsfreiheit der leitenden Beamten, die dazu erforderlich ist, und auch die Bindung seines Einkommens an den Gewinn, nicht ins Staatskonzept passt und der Korruption die Tore öffnen würde. Abgesehen davon kann bei Staatsunternehmen die Politisierung nicht vermieden werden, die an erster Stelle in zu hohen Belegschaften zum Ausdruck kommt, und auch in der Ernennung von Politikern, die von Unternehmen nichts verstehen, in leitenden Posten.

Als YPF privatisiert wurde, hatte das Unternehmen 52.000 Angestellte. Durch die Privatisierung wurde diese Zahl von José Estenssoro zunächst auf 6.000 verringert (Es ist kein Druckfehler!). Gleichzeitig stieg die Produktion. Danach nahm die Belegschaft auf ca. 10.000 zu, als Folge einer starken Expansion, mit Übernahme eines petrochemischen Unternehmens. Als YPF von Repsol übernommen wurde, verblieb die Belegschaft um die 10.000 Personen. Nach der Rückverstaatlichung von YPF im Jahr 2012 stieg die Belegschaft wieder auf über 20.000, und YPF-Präsident Guillermo Nielsen bemüht sich jetzt um einen Abbau, mit Entschädigungen und frühzeitiger Pensionierung. Im staatlichen Bereich ist so etwas jedoch sehr schwierig.

Wenn Präsident Fernández das Problem der Einkommensverteilung erwähnt, vergisst er, dass es in Argentinien nicht um Lohn gegen Gewinn geht, sondern grundsätzlich um den überhöhten Anteil des Staates an der Wirtschaftsleistung. Mit weniger Staat ginge die Gleichung im privaten Bereich bestimmt viel besser auf. Mit geringerem Steuerdruck könnten die Unternehmen höhere Löhne zahlen. Und wenn das ganze Wirtschaftssystem effizienter wäre, ohne so viel Vergeudung und Hindernisse für Unternehmen, noch mehr.

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