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„Intellektuelle Instanz“

Hans Magnus Enzensberger gestorben
Magnus
Der Schriftsteller Enzensberger war einer der prägenden Autoren der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur. (Foto: dpa)

München/Berlin (dpa) - Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger ist tot. Er starb am Donnerstag, 24. November, im Alter von 93 Jahren in München, wie der Suhrkamp Verlag in Berlin unter Berufung auf die Familie mitteilte. Enzensberger zählte zu den bedeutendsten Lyrikern und Denkern in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte ihn als intellektuelle Instanz.

Neben Günter Grass, Martin Walser, Uwe Johnson und Heinrich Böll war der am 11. November 1929 in Kaufbeuren im Allgäu geborene Enzensberger einer der prägenden Autoren der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur. Er mischte im legendären Literaturclub „Gruppe 47“ oder bei den rebellischen 1968ern mit. Über seine Zeit in der damaligen Außerparlamentarischen Opposition (APO) gibt eines seiner Erinnerungsbücher mit dem vielsagenden Titel „Tumult“ Auskunft.

In dieser Zeit gründete er auch 1965 das Kulturmagazin „Kursbuch“. Enzensberger probierte vieles aus: Er war Verlagslektor bei Suhrkamp in Frankfurt, verbrachte einige Zeit im sozialistischen Kuba, lebte in Norwegen, Italien, Mexiko, den USA und West-Berlin und kam schließlich 1979 nach München.

Enzensberger schrieb Romane, Essays, Anekdoten und Erinnerungen sowie Dramen, etwa „Untergang der Titanic“, 1980 von George Tabori inszeniert. Auch Jugendlichen widmete er Bücher wie „Immer das Geld: Ein kleiner Wirtschaftsroman“ oder „Lyrik nervt“. Schon mit seinem ersten Lyrikband „Verteidigung der Wölfe“ von 1957 hatte er Aufsehen erregt.

Dass Enzensberger auch im Alter nicht müde wurde, zeigte sein Buch „Fallobst“ (2019), in dem er sich Gedanken auf der Höhe der Zeit machte, etwa zum Thema Migration. Ohne sie würde jede menschliche Gesellschaft veröden, trotz aller Konflikte und Schwierigkeiten, heißt es darin. „Unsere Literatur und unsere Sprache wären ohne ihre Aus- und Einwanderer ein trostloses Heimspiel geblieben.“ Und Enzensberger warnte vor „unheilvollen Verbindungen von Geheim- und Nachrichtendiensten und Internet-Konzernen“: „Die Rolle des Blockwarts und des Denunzianten haben Millionen Überwachungskameras und Mobiltelefone übernommen.“

In einem Kondolenzbrief an Enzensbergers Witwe Katharina schrieb der Bundespräsident: „Ihr Mann hat sich nie gescheut, auch die scheinbar so einfachen Fragen zu stellen. Unerschöpfliche Originalität, überraschende Gedanken, Lust an Witz und Ironie waren die unverkennbare Signatur seiner Werke.“ Enzensberger habe „in Person die Gedanken- und Meinungsfreiheit, die unsere Demokratie wie die Luft zum Atmen braucht“, verkörpert. Er persönlich sei dankbar für die Begegnungen mit ihm, „die mich immer klüger gemacht und heiterer gestimmt haben“, so Steinmeier.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte, Enzensberger hinterlasse ein überwältigendes Lebenswerk. Und weiter: „Hans Magnus Enzensberger war ein Solitär unter Deutschlands Dichtern und Denkern. Mit seinen Versen und kritischen Reflexionen begleitete er die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, deren Gründung auf den Trümmern eines zerstörten Landes er als Zwanzigjähriger miterlebte.“

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