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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Inflationsbekämpfung durch Einkommenspolitik und Staatsintervention

Von Juan E. Alemann

Wenn wichtige soziale Gruppen die Möglichkeit haben, Einkommenszunahmen auf Kosten der anderen durchzusetzen, dann geht die Einkommensgleichung schließlich nur mit Inflation auf. Und wenn diese von der monetären Seite gebremst wird, also durch ausgeglichene Staatsfinanzen und keine Geldschöpfung, dann führt dies zur Rezession. Ob diese dann schließlich die Forderungen einzelner Gruppen entkräftet und somit Stabilität eintritt, sei dahingestellt. Auf alle Fälle hält keine Regierung den Druck der sozialen Gruppen aus, wenn fast alle sich gegen diese monetäre Politik einsetzen.

Argentinien hat ein stark korporatives System, das unter den ersten Perón-Regierungen ins Extreme getrieben wurde. Perón hielt sich an den Faschismus von Mussolini (den er offen bewunderte) und dachte an ein System, bei dem sich Gewerkschaften mit Unternehmern bei der Einkommensverteilung, also konkret Löhne und Preise, einigten und der Wirtschaftspolitik eine solide Basis gaben. Diese Phantasie hat auch in Italien unter Mussolini nie funktioniert. Aber in Argentinien hat sie Spuren hinterlassen, an erster Stelle mit einer übertriebenen Gewerkschaftsmacht. Mit einer Arbeitsgesetzgebung, die den Gewerkschaften die Möglichkeit gibt, Lohnerhöhungen durchzusetzen, die nicht durch Gewinne oder Effizienzfortschritte ausgeglichen werden, sondern auf die Preise abgewälzt werden, hat es keine Regierung aufgenommen. Menem hat das System durch sanften Druck entkräftet, aber das Grundproblem nicht gelöst. Dieses Problem wird unter den Tisch gefegt.


Preisabkommen mit Unternehmen

Handelssekretär Roberto Feletti will das Problem von der Seite der Unternehmen anpacken. Bei Unternehmen, die industrielle Lebensmittel (Teigwaren, Konserven u.a.) erzeugen, und auch anderen, die Güter für den allgemeinen Haushaltskonsum herstellen und vertreiben, hat er sein Konzept schon vollzogen, mit geringem Erfolg. Auch bei Rindfleisch hat er ein mit den Schlachthöfen vereinbart, dass sie eine bestimmte Menge Fleisch, bestehend aus dem meist konsumierten Schnitten, zu verbilligten Preisen liefern. Da dies jedoch nur einen kleinen Bruchteil des Gesamtkonsums deckte, hatte es kaum eine konkrete Wirkung. Bei Weizenmehl, Speiseöl und den entsprechenden Getreidearten und Ölsaaten will er eine Art Treuhandfonds bilden, die den internen Bedarf sichern, so dass nur der Überschuss exportiert wird. Das befindet sich noch im Anfangsstadium.

Bei industriellen Lebensmitteln sind die Bilanzen der zwei größten Unternehmen, Molinos Rio de la Plata und Arcor, öffentlich bekannt. Die Gewinne bringen niedrige Margen zum Ausdruck, wobei sie in vergangenen Jahre gelegentlich sogar Verluste auswiesen. Der größte Milchproduzent, Mastellone (Marke “La Serenísima”) weist schlechte Bilanzen aus. Der zweitgrößte, SanCor, musste sich verkleinern und kämpft ums Überleben. Doch auch wenn die Lebensmittelunternehmen in guten Jahren auf den Gewinn verzichten würden, wäre die Wirkung auf die Preise unbedeutend. Die Großunternehmen sind der Konkurrenz von mittleren und kleinen ausgesetzt, die viele Produkte billiger liefern. Bei Teigwaren ist die Differenz zu den Marken von Molinos (Matarazzo und Don Vicente) sehr groß, ohne spürbaren Qualitätsunterschied. Dass die Konkurrenz nicht so gut funktioniert, wie es in den Lehrbüchern der Wirtschaftswissenschaften steht, beruht auf den Konsumenten, die sich zu wenig um ihre Ausgaben kümmern. Ein Preisunterschied von einer Größenordnung von 50% (von unten nach oben), wie er bei Teigwaren besteht, sollte nicht möglich sein, ist es aber.

In einem Radiointerview ging Feletti jetzt einige Schritte weiter. Bei Lebensmitteln, die auch exportiert werden, soll nach seiner Ansicht verhindert werden, dass der Weltmarktpreis sich auf den internen Preis überträgt. Das soll durch Exportzölle und Exportquoten verhindert werden. Diese Politik besteht schon seit langer Zeit, unter verschiedenen Regierungen. Sie widerspricht der Notwendigkeit, mehr zu exportieren, die gegenwärtig im Rahmen der Zahlungsbilanzkrise krass aufgetreten ist. Argentinien exportiert zu etwa zwei Dritteln landwirtschaftliche Güter und deren Industrieprodukte, von denen viele (Rindfleisch, Weizen, Ölsaaten u.a.) auch in hohem Umfang intern konsumiert werden. Mit dem Konzept von Feletti wird der Export geopfert, vor allem die Möglichkeit, mehr zu produzieren und zu exportieren. Denn in Randgebieten sind höhere Preise notwendig, um mehr produzieren zu können. Ein höherer Preis, nur für Randgebiete, hat keine legale Grundlage und lässt sich in der Praxis nicht durchführen.

Argentinien verfügt seit 1980 (unter der Militärregierung) über eine moderne Monopolgesetzgebung, die nicht viel anders als in den EU-Staaten ist. Vorher war im Strafgesetz nur das Monopol als Verbrechen vorgesehen, ohne es zu definieren. Das Gesetz von 1980, das später mehrmals leicht geändert wurde, hat besonders Kartelle im Blick, und bezeichnet die Ausübung einer dominierenden Marktposition als gesetzwidrig, aber nicht das Monopol als solches. In der Praxis wurde das Gesetz nur in Ausnahmefällen angewendet. Denn in der Regel besteht harte Konkurrenz, und offene Kartellierung ist eine seltene Ausnahme. Gelegentlich gibt es Absprachen unter Unternehmen, die eine beschränkte Wirkung haben.


Das Problem der frischen Lebensmittel

Im Sinn der direkten Interventionen will Feletti auch im Bereich der frischen Nahrungsmittel eingreifen. Aber er hat seine Gedanken auf diesem Gebiet noch nicht geklärt. Bei Kartoffeln, Zwiebeln, Linsen, Erbsen und Knoblauch bilden sich die Preise auf dem Markt. Wenn der Staat hier Höchstpreise einführt, dann werden diese Produkte über andere Kanäle verkauft, wobei der Ausfall eines transparenten Marktes sehr wahrscheinlich zu höheren Preisen führt. Feletti erwähnte die Möglichkeit, einen Terminmarkt für Kartoffeln u.a Produkte zu organisieren, von dem er erwartet, dass er die großen Preisschwankungen glättet. Das klingt nach Phantasie..

Bei frischem Gemüse (Tomaten, Kohl, Blumenkohl, Kopfsalat, Bohnen u.a.), das meistens in der Umgebung der Städte von landwirtschaftlichen Kleinbetrieben erzeugt wird, hat auch Feletti noch keine klaren Gedanken. Er sprach von der Mitwirkung der Gemeinden und der Förderung von Genossenschaften, ohne in Einzelheiten einzugehen. Das wesentliche Problem bei diesen Produkten erwähnte er nicht: dass der Preis beim Einzelhandel über 5 Mal über dem Preis liegt, den der Produzent erhält. Es sollte durchaus möglich sein, diese übertriebene Marge zu verringern. Abgesehen davon besteht bei diesen Produkten eine chronische Überproduktion, so dass Gemüse zum Teil nicht einmal geerntet wird. Ebenfalls reagiert das Angebot sofort auf eine höhere Nachfrage. Engpässe entstehen nur, wenn Dürre und oder extreme Kälte die Pflanzungen beeinträchtigen.

Wenn das Problem mit frischem Gemüse einigermaßen gelöst wird, werden zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Einmal sinken die Preise, und dann nimmt der Gemüsekonsum zu, was die Qualität der Ernährung der Bevölkerung verbessert. Ernährungsexperten weisen darauf hin, dass in Argentinien viel zu wenig Gemüse und zu viel Teigwaren und gebratene Kost konsumiert wird.


Ein Staatsunternehmen für Lebensmittelvertrieb?

Bei der verzweifelten Suche nach effektiven Mitteln, um die Lebensmittelpreise niedrig zu halten, ist auch die Initiative der Schaffung eines staatlichen Unternehmens aufgetaucht. Die Sprecherin des Präsidialamtes, Gabriela Cerruti, sagte, in der Regierung werde dies studiert, wobei sie hinzufügte, die Regierung wolle die kleinen und mittleren Lebensmittelproduzenten unterstützen. Hier taucht das Vorurteil gegen Großunternehmen auf. Das konkrete Projekt stammt von Rafael Klejzer, der eine Gruppe von armen Menschen leitete also “piquetero” war und jetzt Beamter im Sozialministerium ist.

Dass ein Staatsunternehmen wirtschaftlicher als die privaten ist, kann man sich nicht einmal vorstellen. Es würde sofort Verluste haben und Zuschüsse vom Schatzamt fordern, wobei es allein für Investitionen und Arbeitskapital von vorne herein viel Geld beansprucht, ausgerechnet jetzt, wo der Staat unter Sparzwang steht. Kleijzer sprach von Planung der Lebensmittelproduktion. Das erinnert an die Sowjetunion, Kuba u.a kommunistische Staaten, die bei ihrer Planung jämmerlich versagt haben. Nichts ersetzt den Markt und das private Unternehmertum. Das haben inzwischen die Staaten der ehemaligen Sowjetunion und noch mehr China begriffen, aber Kuba immer noch nicht und Venezuela auch nicht. Man kann somit davon ausgehen, dass diese Initiative nicht fortschreitet. Aber dabei besteht die Gefahr, dass auf eine direkte Intervention bei privaten Unternehmen übergegangen wird, die viel Unheil anrichtet.


Die fehlende Lohnpolitik

Zu einer erfolgreichen Einkommenspolitik gehört auch die Lohnpolitik, die Feletti überhaupt nicht erwähnte. Er war schließlich in seinen jungen Jahren auch Gewerkschaftler, nämlich Leiter der Gewerkschaft der Zentralbankbeamten. Doch eine Einkommenspolitik ohne Einschränkung der fast unbegrenzten Druckmöglichkeiten der Gewerkschaft ist von vorne herein zum scheitern verurteilt.

Als die Inflation in ersten Regierung von Perón auf über 40% jährlich kletterte, beschloss er, auf Empfehlung seines Wirtschaftsministers Alfredo Gomez Morales, eine Preis- und Lohneinfrierung für zwei Jahre (1952 und 1953). Das war erfolgreich. Ende 1952 lag die jährliche Inflationsrate unter 2%. Doch diese Politik wurde danach nicht durchgehalten, und ab 1954 setzte die Inflation wieder ein. 1967 führte die Regierung von General Onganía mit Wirtschaftsminister Adalbert Krieger Vasena eine Lohneinfrierung ein, die jedoch nicht so streng wie die von 1952 war, weil sie weitgehend durchbrochen wurde. Onganía hatte nicht die Macht von Perón.

Doch weder 1952 noch 1967 wurde das System der paritätischen Lohnverhandlungen reformiert, das im Wesen inflationär ist, weil die Gewerkschaften die Möglichkeit haben, die Unternehmen unter Druck zu stellen und diese gewohnt sind, nachzugeben und die Lohnerhöhung auf die Preise abzuwälzen. Das System muss zunächst in eine Dreierverhandlung umgewandelt werden, mit einem Vertreter des Wirtschaftsministeriums, dessen Stimme notwendig ist, um ein Abkommen abzuschließen. Dieser Dritte bei der Verhandlung muss sich Zulagen widersetzen, die auf die Preise abgewälzt werden oder Subventionen erfordern. Schließlich ist es logisch, dass jemand den Konsumenten vertritt, der meistens bei den Verhandlungen die Zeche zahlt.

Arbeitsminister Claudio Moroni erwähnte unlängst den Prozentsatz von 40% als Richtlinie für die Lohnerhöhungen dieses Jahres. Das geht zumindest in die richtige Richtung. Doch dabei muss man die These der Erhaltung des Reallohnes aufgeben, an der der Präsident auch festhält. In den letzten 10 Jahren ist das reale Pro-Kopf-Einkommen um 15% gefallen, und das betrifft auch Löhne. Doch ohne Änderung der formellen Arbeitsgesetzgebung hat die Zielsetzung von Moroni keine effektive Wirkung.

Eine gute Einkommenspolitik widerspricht einer vernünftigen monetären Politik in keiner Weise. Sie komplementiert sie und ist bei hoher Geldschöpfung von vorne herein zum Scheitern verurteilt. 1952 und 1967 waren die Staatsfinanzen mehr oder weniger in Ordnung. Jetzt sind sie es gewiss nicht. Auch der Fonds hat nichts dagegen, wenn Feletti weiter an einer Einkommenspolitik arbeitet. Aber sie ersetzt die Notwendigkeit einer keiner Weise, das Staatsdefizit stark zu verringern.



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