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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Im Blickfeld: “Wütender” Kapitän

Von Manuel Schwarz

Die Lage der Bootsmigranten vor Sizilien wird nicht besser. Im Hafen von Catania spielen sich teils dramatische Szenen ab. Die deutschen Retter wollen gerichtlich erzwingen, dass die Leute endlich von Bord dürfen. Italien bleibt zunächst hart. Ein Kapitän findet klare Worte.

Freude und Leid liegen vor der süditalienischen Küste nur wenige Seemeilen voneinander entfernt. Während fast 250 Menschen auf zwei Schiffen im Hafen von Catania immer verzweifelter darauf warteten, endlich von Bord gelassen zu werden, hat die Crew der deutschen "Rise Above" alle 89 Migranten an Land gebracht. Am Dienstagmorgen verließen die Frauen, Männer und Kinder das Boot der Organisation Mission Lifeline im Hafen von Reggio Calabria. Nun müsse auch die "politische Geiselnahme" auf den anderen Schiffen beendet werden, twitterte der Verein aus Dresden.

Zwei Wochen nach Amtsantritt der ultrarechten Regierung in Rom droht der erste große Konflikt zwischen der migrantenfeindlichen Rechtskoalition und den internationalen Seenotrettern zu eskalieren. Zwei NGOs wurden in der sizilianischen Stadt Catania aufgefordert, mit ihren Schiffen und einem Teil der geretteten Menschen den Hafen wieder zu verlassen. Beide weigern sich und riskieren Geldstrafen.

Es werde "geltendes Recht mit Füßen getreten", sagte Joachim Ebeling, der Kapitän der deutschen "Humanity 1". "Wenn ich sehe, dass bei mir Menschen an Bord sind, die das Recht haben, an Land zu gehen, aber von den Behörden daran gehindert werden, dann bin ich einfach nur wütend." Er unterstrich, dass er das Schiff des Vereins SOS Humanity erst dann fortbewegen werde, wenn alle Migranten an Land sind.

Die jüngste Entwicklung bestätige ihn in seinem humanitären Handeln. "Was wir hier gerade erleben, löst in mir keine Zweifel aus, so was nochmal zu machen", sagte der Bremer der Deutschen Presse-Agentur. "Es war immer schon für mich unmöglich, Menschen ertrinken zu lassen und ihnen nicht zu helfen, wenn sie die Hilfe benötigt haben."

35 erwachsene Männer harrten auch am Dienstag, zwei Tage nach dem Einlaufen in Catania, weiter auf der "Humanity 1" aus. "Es geht den Menschen nicht gut", sagte Petra Krischok von SOS Humanity, die selbst an Bord des Schiffes ist. "Sie sind mental in keinem guten Zustand." Die Crew versuche, den Männern Mut zu machen und die Angst zu nehmen, dass sie zurück nach Libyen gebracht werden könnten, wo sie ihre Überfahrt in Booten angetreten hatten. Viele Gerettete sagten, dass sie lieber ertrinken würden, als in das Bürgerkriegsland zurück zu müssen.

SOS Humanity hat bereits juristische Schritte eingeleitet. Bei einem Gericht in Catania wurden Asyl-Eilanträge für die 35 Migranten gestellt. Ein Anwalt reichte daneben beim Verwaltungsgericht in Rom Beschwerde gegen einen Erlass des Innenministeriums der neuen italienischen Rechtsregierung ein. Der Erlass sieht vor, dass die "Humanity 1" die italienischen Gewässer wieder verlassen und alle Migranten mitnehmen muss, bei denen keine Notsituation vorliege. So eine Einschätzung sei bei einem "sehr oberflächlichen, medizinischen Check" gemacht worden, kritisierte SOS-Humanity-Sprecherin Krischok.

Nur wenige Meter neben dem deutschen Schiff ist die "Geo Barents" von Ärzte ohne Grenzen vertaut. Dort müssen gar mehr als 200 Menschen an Bord ausharren. "Help", schrieben sie auf Kartonschilder. Drei Männer sprangen am Montag ins Hafenbecken, um an Land zu schwimmen. Zwei weigerten sich danach, auf das Schiff zurückzukehren. Sie übernachteten deshalb in einem Kleintransporter auf der Mole. Ein viertes Schiff, die "Ocean Viking" der Organisation SOS Méditerranée, kreuzte mit mehr als 230 Menschen an Bord vor der sizilianischen Küste und wartete auf die Zuteilung eines Hafens zum Anlanden.

Wie schon am Montag forderte Brüssel Italien erneut auf, alle Geretteten an Land zu lassen. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte, dass die Migranten nach EU-Recht Zugang zum Asylverfahren in Italien haben müssten. Es gebe einen klaren Rechtsrahmen. "Natürlich können Drittstaatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einschließlich der Hoheitsgewässer aufhalten, einen Asylantrag stellen, und in diesem Fall sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen effektiven Zugang zu Asylverfahren zu gewähren."

Auch Deutschland, unter dessen Flagge die "Humanity 1" fährt, ist deshalb mit Rom im Austausch. Es sei "wichtig, dass alle geretteten Menschen von den Schiffen an Land gehen können und tatsächlich auch alle angemessen versorgt werden können", hatte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Montag gesagt. "Dafür setzen wir uns als Bundesregierung weiter ein." Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe in der Sache bereits mit ihrem italienischen Kollegen gesprochen.

Überraschend kam das Vorgehen aus Rom nicht. Die rechten Parteien hatten bereits im Wahlkampf angekündigt, Bootsmigranten stoppen zu wollen. Innenminister Matteo Piantedosi sagte am Montagabend, Italien verhalte sich "menschlich, aber auch entschieden prinzipientreu". Er hatte die Menschen, die auf dem Boot bleiben müssen, jüngst als "restliche Ladung" bezeichnet, die den Hafen verlassen soll. Von der Opposition und Hilfsorganisationen wurde er dafür scharf kritisiert.

Piantedosi war im Jahr 2019 Bürochef im Innenministerium unter Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega, der schon damals Booten mit Geflüchteten die Einfahrt in italienische Häfen verbot. Dabei kommt nur einen kleiner Teil der Migranten auf NGO-Schiffen nach Italien. Das Innenministerium in Rom zählte Stand Montag mehr als 88.000 Bootsmigranten, die das Land in diesem Jahr erreichten - die allermeisten schaffen es mit eigenen Booten in italienische Gewässer.



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