Wieder US-Präsenz in Berlin
Von Michael Fischer
US-Präsident Trump hatte einen Hardliner nach Berlin geschickt, um der Bundesregierung einzuheizen. Nachfolger Biden will den Schaden nun beheben. Dazu soll auch die Neubesetzung des Botschafterpostens beitragen: Es soll eine Frau werden - die Politikwissenschaftlerin Amy Gutmann. Die 71-jährige Präsidentin der renommierten Pennsylvania University mit deutsch-jüdischen Wurzeln wäre die erste Frau auf diesem Posten. Der Personalie wird große Bedeutung für den Neuanfang in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nach dem Tiefpunkt in der Ära von US-Präsident Donald Trump beigemessen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ging bei der deutschen Botschaft in Washington bereits am 18. Juni ein Ersuchen auf Zustimmung zu Gutmann ein, das noch vom Bundespräsidialamt geprüft wird - was aber als Formsache gilt. Einer offiziellen Nominierung durch Biden müsste dann noch der US-Senat zustimmen. Zuerst hatte der "Spiegel" über die Personalie berichtet.
Gutmann ist seit 2004 Präsidentin der University of Pennsylvania in Philadelphia, eine der ältesten und angesehensten Universitäten der USA und darüber hinaus. Sie hat einen guten Draht ins Weiße Haus. Als Vizepräsident besuchte Biden die Uni, trat bei einer Podiumsdiskussion mit Gutmann auf. Seine Enkelin Naomi hat dort studiert. Diplomatische Erfahrung hat die Uni-Präsidentin nicht. Sie wurde 2009 unter Präsident Barack Obama aber an die Spitze einer Bioethik-Kommission berufen.
Gutmanns Vater stammt aus dem bayerischen Feuchtwangen und flüchtete nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland 1934 mit seiner Familie zunächst nach Indien. Später zog er nach New York, wo er heiratete. Amy Gutmann wurde 1949 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren, studierte später Politologie an der Elite-Universität Harvard und lehrte fast drei Jahrzehnte an einer weiteren Elite-Uni, Princeton in New Jersey, bevor sie nach Pennsylvania wechselte.
Als Wissenschaftlerin wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2011 zählte sie das Magazin "Newsweek" zu den "150 Frauen, die die Welt bewegen" und 2018 die Zeitschrift "Fortune" zu den 50 größten Führungspersönlichkeiten der Welt.
Der Botschafterposten ist seit mehr als einem Jahr vakant. Der von Trump entsandte Richard Grenell war Anfang Juni vergangenen Jahres zurückgetreten. Seitdem wird die Botschaft von der Gesandten Robin Quinville kommissarisch geführt.
Die Neubesetzung wird von den Außenpolitikern in Berlin fast schon sehnsüchtig erwartet. Trump hatte in seiner Amtszeit einen Hardliner in die US-Vertretung am Brandenburger Tor geschickt, um der Bundesregierung einzuheizen - was dieser auch bereitwillig tat. Schon kurz nach der Ernennung im Mai 2018 warnte Grenell deutsche Unternehmen davor, mit dem Iran zusammenzuarbeiten. Aus Verärgerung über aus seiner Sicht unzureichende deutsche Militärausgaben drohte er, US-Truppen aus Deutschland abzuziehen. Und wegen der deutsch-russischen Ostseepipeline Nord Stream 2 brachte er Sanktionen auch gegen deutsche Unternehmen ins Spiel.
Im politischen Berlin machte sich Grenell mit seiner rabiaten Art kaum Freunde. Aus der Opposition kamen sogar vereinzelt Forderungen, ihn zur "unerwünschten Person" zu erklären. Sollte Gutmann Botschafterin werden, wäre dies ein weiteres Zeichen für einen Neuanfang in den Beziehungen. Ihre vordringliche Aufgabe wäre es, die Schäden aus der Ära Trump zu reparieren.
Das Ersuchen nach Zustimmung zu Gutmann wurde wahrscheinlich nicht zufällig wenige Tage vor dem Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in Berlin vergangene Woche eingereicht. Es wird erwartet, dass die offizielle Nominierung vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Weißen Haus am 15. Juli erfolgt. Blinken hatte die Partnerschaft zu Deutschland in den allerhöchsten Tönen gewürdigt: "Die Vereinigten Staaten haben keinen besseren Partner, keinen besseren Freund auf der Welt als Deutschland." Früher hätten die USA so etwas eher über Großbritannien gesagt.
Einen offiziellen Kommentar zu Gutmann gab es am Mittwoch weder von deutscher noch von US-Seite. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte lediglich: "Wir würden uns sehr freuen, wenn eine US-Botschafterin für Deutschland ernannt wird. Der Posten ist ja jetzt schon seit einer geraumen Zeit nicht besetzt."
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