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Im Blickfeld: Vorbild für Generationen

Actualizado: 28 jul 2022

Von Marcus Christoph

Uwe Seeler
Ein Fan trägt ein HSV-Trikot mit der Nummer 9 und dem Schriftzug Seeler während er an einer Bronzeplastik vor dem Volksparkstadion vor den abgelegten Kerzen, Blumen und Trauerbekundungen steht. Die Plastik soll den Fuß des verstorbenen Fußballspielers Uwe Seeler darstellen. (Foto: dpa)

„Loyal und bescheiden - der Größte aller Zeiten“. Diese und andere Ehrbezeugungen waren am Sonntag im Hamburger Volksparkstadion vor dem Spiel gegen den Hansa Rostock zu lesen, welches ganz im Zeichen der Trauer um den drei Tage zuvor im Alter von 85 Jahren gestorbenen Uwe Seeler stand. Die genaue Todesursache ist bislang nicht bekannt. Jedoch hatte die Hamburger Fußballlegende in den zurückliegenden Jahren immer wieder über gesundheitliche Probleme geklagt.

„Uns Uwe“ hat Maßstäbe gesetzt: als Mittelstürmer wie als Mensch. In beiderlei Hinsicht ist er einmalig gewesen. Dies erklärt die große Popularität, die ihm zu Lebzeiten zu teil wurde, und die große Anteilnahme der Menschen an seinem Tod.

Seeler entstammte einer Hamburger Fußballerfamilie. Bereits sein Vater Erwin, ein Hafenarbeiter, kickte für den Hamburger SV. Auch Uwes Bruder Dieter spielte erfolgreich Fußball. Bereits im zarten Alter von 16 Jahren lief Uwe erstmals für die Herren-Mannschaft des HSV auf und machte in der Folgezeit schnell durch Tore auf sich aufmerksam.

Seeler gehörte zur ersten U18-Mannschaft des DFB, die 1953 in Lüttich das erstmals für diese Altersklasse ausgetragene FIFA-Turnier mit 3:2 gegen Argentinien gewann. Hier erzielte er ein Tor - genauso wie gut fünf Jahre später in Schweden, als Seeler ebenfalls gegen Argentinien sein erstes Weltmeisterschaftsspiel bestritt. Die Partie ging mit 3:1 an die DFB-Elf. Sein Debüt im Adlertrikot der Herren hatte Seeler bereits 1954 als 17-Jähriger gegeben - als drittjüngster Debütant der DFB-Historie.

Seelers Art, Fußball zu spielen, war geprägt von einem immensen Kampfgeist, den ihm schon sein Vater eingetrichtert hatte. „Der Dicke“ gab keinen Ball verloren, und er traf aus allen Lagen - sei es im Sitzen oder mit dem Hinterkopf.

Die Sechziger Jahre waren sein Jahrzehnt. Es begann mit dem Meistertitel für den HSV im Jahr 1960. Das Endspiel in Frankfurt gegen den 1. FC Köln gewannen die Norddeutschen mit 3:2. Zwei Tore - darunter den Siegtreffer - steuerte „Uns Uwe" bei. Im selben Jahr wurde er Deutschlands erster „Spieler des Jahres“. Das Finale um den DFB-Pokal drei Jahre später gegen Borussia Dortmund (3:0) entschied er mit drei Treffern geradezu im Alleingang. Ein Jahr später wurde Seeler mit 30 Treffern der erste Torschützenkönig der gerade eingeführten Fußball-Bundesliga. Uwe Seeler war in jenen Jahren Deutschlands Fußball-Idol Nummer eins.

Auch ein Achillessehnenriss 1965 konnte seine Karriere nicht bremsen. Durch harte Arbeit schaffte er es, zur WM 1966 in England wieder fit zu sein. Als Kapitän führte er die deutsche Nationalmannschaft in das legendäre Finale im Londoner Wembley-Stadion gegen die Auswahl der Gastgeber. Seeler zeigte sich als würdiger Spielführer: Nachdem der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst in der Verlängerung das umstrittene 3:2 für England anerkannt hatte, ermunterte Uwe seine Mannschaftskameraden, nicht aufzugeben und weiterzuspielen anstatt zu protestieren. Nach dem Spiel reichte er sowohl Dienst als auch dessen sowjetischen Linienrichter Tofik Bachramow, dessen Einschätzung den Ausschlag gegeben hatte, die Hand.

Das Bild, wie Uwe Seeler nach dem Abpfiff mit hängendem Kopf über den heiligen Rasen des Wembley-Stadions ging, grub sich ins kollektive Fußball-Gedächtnis der Deutschen ein. Als es zur Gratulation auf der Ehrentribüne durch die englische Königin ging, zeigte Uwe dann wieder Haltung. Einen besseren Botschafter als Seeler hätte sich Deutschland 21 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wünschen können. Der deutschen Elf schlug in der britischen Hauptstadt Jubel entgegen. Beim anschießenden Empfang zur Rückkehr in Frankfurt skandierte die Menschenmenge auf dem Römerberg Uwes Namen.

Die großen Momente seiner Länderspielkarriere blieben eindeutig mit England verknüpft. 1970 bei der WM in Mexiko ergab sich für die DFB-Elf im Viertelfinale die Möglichkeit zur Revanche. Die Engländer lagen in der Gluthitze von Leon mit 2:0 in Führung und sahen schon wie die sicheren Sieger aus. Doch nach Franz Beckenbauers Anschlusstreffer gelang „Uns Uwe“ sechs Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit mit dem Hinterkopf tatsächlich noch der Ausgleich. Uwes 43. Treffer für die deutschen Farben war zugleich sein letzter und denkwürdigster. Gerd Müller besorgte in der Verlängerung dann den 3:2-Siegtreffer. Dem neun Jahre jüngeren Bayern hatte Seeler in Mexiko bereits die Mittelstürmer-Position überlassen müssen. Im offensiven Mittelfeld rackerte Uwe unter der Sonne Mexikos aber wie ein Berserker. „Auf seiner roten Stirn hätte man ein Spiegelei braten können“, erinnerte sich Mannschaftskamerad Beckenbauer später. Nach der WM hörte Uwe in der Nationalmannschaft auf. Zwei Jahre später absolvierte er sein letztes Spiel für seinen HSV.

In die Herzen der Fans spielte er sich aber nicht nur durch seine Tore. Ewigen Ruhm und Anerkennung sicherte er sich auch durch seine Haltung und seine Treue zu seinem Heimatverein. Als Inter Mailand den HSV-Mittelstürmer 1961 für die damals astronomische Summe von 1,2 Millionen D-Mark verpflichten wollte, lehnte der Umworbene ab und blieb lieber in seiner Heimatstadt. „Liebe statt Lira“. Ein beeindruckendes Beispiel, dass es im Fußball wie im Leben auch um andere Prioritäten geben kann als den Tanz ums Goldene Kalb. Zumal ein scharfer Kontrast zum entfesselten Milliardengeschäft des Fußballs der Gegenwart.

Auch nach seiner aktiven Zeit trug Seeler die HSV-Raute im Herzen. 1995 ließ er sich als Vereinspräsident in die Pflicht nehmen. Seine dreijährige Amtszeit verlief eher glücklos. Seiner Popularität tat dies letztlich aber keinen Abbruch.

Bis zuletzt verfolgte der „größte HSVer aller Zeiten“ die Spiele seiner Hamburger, die ihm jedoch immer wieder Anlass zur Sorge boten. So musste er 2018 den erstmaligen Abstieg des HSV aus dem Fußball-Oberhaus miterleben. Den Traum von der Rückkehr in die Bundesliga erfüllten ihm seine Nachfolger im HSV-Dress zu seinen Lebzeiten nicht. Man hätte es ihm von Herzen gegönnt.

Was Uwe so sympathisch machte, war seine bescheidene Art, die er trotz aller Erfolge bewahrte. „Das Schönste auf der Welt ist doch, normal zu sein“, pflegte er zu sagen. Uwe Seeler wird ein Vorbild für Sportsgeist und Menschlichkeit für Generationen bleiben.

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