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Im Blickfeld: Von Wolken und Krisen

Von Christiane Jacke und Andreas Landwehr

Pelosi
Nancy Pelosi (l.) und Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen. (Foto: dpa)

Beide Spitzenpolitikerinnen lassen sich nicht von den Machthabern in Peking einschüchtern. Nancy Pelosi und Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen kämpfen für Demokratie und Menschenrechte - was heute mehr als zuvor nötig ist. Die Rolle ist für Pelosi keineswegs neu.

Den Orden will sich Nancy Pelosi ins Kongressbüro hängen. "Oder ihn dort tragen", scherzt die 82-Jährige an der Seite von Tsai Ing-wen in Taipeh. Taiwans Präsidentin hatte ihr die taubenblaue Schärpe mit der höchsten zivilen Auszeichnung des Landes umgehängt: "Orden der glückverheißenden Wolken." Erst 21 mal wurde die Ehrenmedaille seit 1941 vergeben - diesmal an "eine der treuesten Freundinnen", sagt Tsai Ing-wen, die besonders glücklich über den ranghöchsten Besuch aus den USA seit einem Vierteljahrhundert in der demokratischen Inselrepublik war.

Zwar hat die Visite auch die größte Krise um Taiwan seit mehr als einem Vierteljahrhundert ausgelöst, aber weder Pelosi noch Tsai Ing-wen sind dafür bekannt, dass sie klein beigeben. Die chinesische Führung in Peking drohte, schimpfte, protestierte und kündigte als Reaktion Militärmanöver um Taiwan an, die praktisch einer vorübergehenden See- und Luftblockade gleichkommen. Schließlich verstehen die Kommunisten die Insel als ihr Eigentum - als Teil der Volksrepublik, zu dem niemand offizielle Kontakte pflegen darf.

Aber Taiwan ist schon lange praktisch unabhängig - "eine blühende Demokratie, eine der freiesten der Welt - mit einer Frau als Präsidentin", wie Pelosi mit Blick auf die besondere Rolle Tsai Ing-wens sagt. Die Politikerin geht schon lange auf Distanz zu China und verteidigt die Demokratie in Taiwan. Mit Blick auf Chinas Bedrohung und Russlands Einmarsch in der Ukraine sagt Pelosi: "Heute steht die Welt vor der Wahl zwischen Demokratie und Autokratie." Mehr als je zuvor seien deswegen die Solidarität und Unterstützung der USA gefragt. "Taiwan ist eine Insel der Widerstandskraft in der Welt."

Mit ihrem Besuch provoziert Pelosi die kommunistischen Machthaber in Peking bewusst. Es ist längst nicht das erste Mal. Die 82-Jährige ist seit Jahrzehnten im politischen Geschäft, und sie hat sich immer wieder mit scharfer Kritik an China hervorgetan. Seit Jahren prangert die Demokratin Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung von Minderheiten in China an, spricht vom "Völkermord" an den Uiguren und wirft der chinesischen Führung "barbarische Taten" vor.

Zwei Jahre nach dem Massaker in Peking besuchte Pelosi 1991, damals einfache Abgeordnete, auf einem China-Trip mit zwei Kongresskollegen den Tian'anmen-Platz und entrollte mit ihnen ein - wenn auch ziemlich kleines - Banner mit der Aufschrift: "Für jene, die für die Demokratie in China gestorben sind." Damit rühmt sie sich bis heute.

In einem Gastbeitrag für die "Washington Post", der kurz nach ihrer Ankunft in Taipeh veröffentlicht wurde, beschrieb Pelosi die Szene von 1991 und begründete ihren Besuch mit dem Kampf für die Demokratie in aller Welt. Während Russland seinen illegalen Krieg gegen die Ukraine führe, müssten Amerika und seine Verbündeten deutlich machen, "dass wir Autokraten niemals nachgeben".

Pelosi hat Erfahrung mit Kräftemessen aller Art. In ihrer langen Karriere hat sie viele Machtproben durchgemacht, zuletzt etwa mit dem damaligen republikanischen Präsidenten Donald Trump oder aufstrebenden Nachwuchskräften aus ihrer eigenen Partei, die sie aus ihrem mächtigen Amt drängen wollten. Sie hat schon oft die Fähigkeit bewiesen, sich selbst aus höchst verfahrenen Situationen herauszumanövrieren. Durch Verhandlungsgeschick, aber auch unbedingten Willen, ihre eigene politische Macht zu erhalten.

Sie schaffte es als erste Frau in der US-Geschichte auf den gewichtigen Posten als Vorsitzende des Repräsentantenhauses. Damit ist sie von Amts wegen die Nummer drei im Staat, hinter dem Präsidenten und dessen Vize. Bei der Parlamentswahl im November könnten die Demokraten ihre Mehrheit in der Kongresskammer verlieren - und Pelosi damit auch ihr Amt. Bei dem geschichtsträchtigen Besuch in Taiwan dürfte es auch um ihr politisches Vermächtnis gehen. Doch zu welchem Preis?

US-Präsident Joe Biden sagte vor etwa zwei Wochen öffentlich auf die Frage, ob er Pelosis Reisepläne für eine gute Idee halte: "Nun ja, ich denke, dass das Militär es im Moment für keine gute Idee hält." Pelosi machte es trotzdem. Aus dem Weißen Haus heißt es, der Präsident habe nicht persönlich mit seiner Parteikollegin gesprochen. Als Vorsitzende des Repräsentantenhauses treffe sie ihre eigenen Entscheidungen, und der Präsident respektiere ihren Entschluss, nach Taiwan zu reisen. Unterstützung klingt anders.

Applaus für ihren Taipeh-Trip bekam Pelosi stattdessen von mehr als zwei Dutzend Republikanern im Senat. Parteiübergreifende Solidarität dieser Art ist in den USA derzeit eine Rarität. Während aber die einen Pelosis Trip als mutiges Einstehen für Demokratie und Menschenrechte feiern, kritisieren die anderen den Besuch allein als persönliche außenpolitische Profilierung: Als Aktion, die ohne Not eine weitere Eskalation auf der Welt verursachen könnte.



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