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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Im Blickfeld: Test, Test, Test...

Von Stefan Kuhn

In Deutschland wird derzeit darüber diskutiert, ob Reiserückkehrer aus Corona-Risikogebieten für den obligatorischen Test selbst zahlen sollen. Das ist nachvollziehbar. Wer unbedingt dort urlauben will, wo das Virus grassiert, der darf auch zur Kasse gebeten werden. Dennoch sollte man das nicht tun, denn in dieser Hinsicht hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Recht. Die Pflichttests müssen kostenlos bleiben. Sein Argument ist noch einleuchtender. Wenn man dafür zahlen muss, macht kaum einer den Test. Es ist nicht nur einfach, sich davor zu drücken, es ist mühselig, ihn zu machen. Das musste ich selbst erfahren.

Ich bin vergangene Woche in Deutschland angekommen, die Testpflicht war da schon fünf Tage in Kraft. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass mir beim Ausstieg aus dem Flugzeug ein maskierter Mensch ein Wattestäbchen in den Rachen steckt. Allerdings auch nicht, dass ich nach dem Abholen meines Koffers direkt in die Freiheit marschieren konnte. Gut, ich bin über Amsterdam geflogen, die Niederlande sind kein Risikogebiet und gehören zum Schengenraum. Grenzkontrollen gibt es nicht, aber auch keine Hinweisschilder, wo man sich testen lassen kann. Eine freundliche Zollbeamtin schickte mich zum Fernbahnhof. Von allein findet diesen Weg nur jemand, der mit der Bahn weiterreist.

Im Fernbahnhof trifft man auf junge Mitarbeiter*innen des Roten Kreuzes, von denen man zu einem Anmeldebereich weitergeleitet wird. Sobald dort einer der rund zehn an Stehpulten aufgereihten Notebooks frei wird, kann man sich anmelden. Manch einer braucht dafür viel Zeit und Hilfe. Anschließend wartet man auf eine Bestätigungsmail. Auch das kann dauern. Kommt die E-Mail, darf man den Test „bestellen“ und auf einen Bestätigungscode warten. Mit diesem darf man endlich zum Testbereich wandern, sich anmelden und in die Schlange bei den Testkabinen einreihen. Der eigentliche Test ging zumindest in meinem Fall relativ schnell von statten, aber insgesamt war ich etwa eineinhalb Stunden länger am Flughafen. In Corona-Zeiten ist dies zwar ein zumutbarer zusätzlicher Zeitaufwand, aber wenn man für diesen auch noch in die Tasche greifen muss, dürfte die Bereitschaft für diese „Pflichtübung“ doch gewaltig sinken.

Dass man sich bemühen musste, um sich testen zu lassen, dürfte seine Gründe haben. Wenn sich alle Reiserückkehrer aus Risikogebieten dem Pflichttest unterziehen würden, wäre die Teststation heillos überlastet.

Der Sinn eines Tests bei der Einreise ist ohnehin zweifelhaft. Das wurde mir nach dem Boarding in Ezeiza bewusst. Der Flughafen glich einem Hochsicherheitstrakt. Fast alle Geschäfte verrammelt, jeder zweite Sitzplatz abgeklebt. Das Flugzeug dagegen bis zum letzten Platz belegt. Über 300 Menschen auf engstem Raum. Mundschutzpflicht, aber was bringt das, wenn beim Essen alle simultan die Maske ablegen, oder der Sitznachbar im Schlaf seinen Kopf auf deine Schulter sinken lässt? Wenn beim Ein- oder Aussteigen dasselbe Chaos wie immer herrscht. In den Sitzplatzbereichen von Fußballstadien geht es gesitteter zu, und Fußballspiele mit Publikum sind seit Corona in den meisten Ländern verboten. Es ist unverständlich, dass Argentinien den Flugverkehr auf ein Minimum reduziert und keine Beschränkungen für die Belegung der Flugzeuge auferlegt hat.

Eine Infizierung beim Flug kann durch einen Corona-Test bei der Einreise in Deutschland nicht nachgewiesen werden. Wenn der Reisende sich bei einer Abschiedsparty einen Tag vor dem Abflug angesteckt haben sollte, würde dies auch unentdeckt bleiben. Der Pflichttest bei der Einreise, sollte er ein negatives Resultat ergeben, bringt eine trügerische Sicherheit. Dazu kommt, dass man sich in Deutschland frei bewegen kann, wenn man negativ auf Corona getestet wurde.

Sicherheit bringt nur ein zweiter Test, etwa fünf Tage nach der Einreise. Und dies auch nur, wenn man sich nach der Einreise in Quarantäne begibt. Derzeit wird in Deutschland diskutiert, ob man diesen zweiten Test auch obligatorisch macht. Das wäre durchaus sinnvoll, aber nur, wenn er „obligatorischer“ als der erste ist. Im Prinzip würde ein Pflichttest einige Tage nach der Einreise reichen. Doch dafür müsste man sich auf das Verantwortungsgefühl der Einreisenden verlassen. Das wäre grob fahrlässig.

Sicher ist, dass die derzeitige Praxis die Neuinfektionen in Deutschland kaum reduzieren kann. Reiserückkehrer sollten kontrolliert und ihre Daten an die Gesundheitsämter des Landkreises ihres Wohnortes übermittelt werden. Das würde die Testzentren an Flughäfen oder Grenzübergängen entlasten. Bisher hat der eigentlich obligatorische Test bei der Einreise keinen Effekt. Man kann ihn umgehen und muss sich bemühen, um überhaupt getestet zu werden. Den zweiten, wesentlich wichtigeren Test, dürften nur wenige machen. Auch wenn er inzwischen auch kostenlos ist.

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