Von Michael Fischer, Ansgar Haase und Can Merey
Der G7-Gipfel in den bayerischen Alpen soll vor allem zweierlei sein: Eine Demonstration der Solidarität mit der Ukraine und ein Signal der Geschlossenheit an Russland. Doch auch Moskau macht sich zum Auftakt des Treffens bemerkbar.
Es könnte alles so schön sein. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag US-Präsident Joe Biden auf Schloss Elmau vor der Kulisse des Wettersteingebirges empfängt, geht es erstmal ganz entspannt um die atemberaubende Alpenlandschaft - und um Wintersport. Scholz zeigt durch das Sicherheitsglas auf die Bergkulisse. Biden antwortet: "Ich war lange nicht mehr Skifahren, es ist wundervoll."
Wenige Stunden vorher werden aus Kiew russische Raketeneinschläge vermeldet - zum ersten Mal seit drei Wochen wird die Stadt am Sonntag wieder beschossen. Eines der Geschosse habe ein neunstöckiges Wohnhaus getroffen, schreibt ein Berater des ukrainischen Innenministers. Eine weitere Rakete sei auf dem Gelände eines Kindergartens eingeschlagen.
Hier das G7-Treffen der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte in einem malerischen Alpental. Dort die Brutalität des Krieges. Drastischer könnte der Kontrast kaum sein. Ob die Raketen auf Kiew auch ein Gruß des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Elmau waren? Man weiß es nicht, der Gedanke liegt aber nicht fern.
Umgekehrt ist aber auch klar, dass der Gipfel in Elmau vor allem zweierlei sein soll: Eine Botschaft der Solidarität an Kiew und ein Signal der Stärke und Geschlossenheit an Putin. Die Chefs der führenden westlichen Wirtschaftsmächte - Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Japan - kommen vier Monate nach Kriegsbeginn erstmals physisch zusammen, um klare Kante gegen den Kriegstreiber aus Moskau zu zeigen.
"Wir müssen zusammenbleiben", sagt Biden bei seinem Treffen mit Scholz. "Putin hat von Anfang an darauf gezählt, dass die Nato und die G7 sich spalten", so der Präsident. "Das haben wir nicht getan und wir werden es nicht tun." Der Kanzler sagte auf Englisch: "Die gute Nachricht ist, dass wir alle es geschafft haben, vereint zu bleiben."
Nach ihrem Gespräch treffen sich Biden und Scholz im sogenannten Yoga Pavillon mit den anderen Staats- und Regierungschefs. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind dabei. Die Neun sitzen ziemlich eng nebeneinander an einem runden Tisch. Auch das passt zur Botschaft: Schulterschluss.
Obwohl die weltwirtschaftliche Lage auf der Tagesordnung steht, geht es auch hier erstmal um Putin. Der britische Premier Johnson scherzt bei der Frage, ob er das Jackett ausziehen darf: "Wir alle müssen zeigen, dass wir härter sind als Putin." Sein kanadischer Kollege Justin Trudeau antwortet, man müsse sich dann allerdings mit nacktem Oberkörper auf ein Pferd setzen - ein Foto Putins in solcher Pose ist weltbekannt.
Aber was hat die G7 an Druck auf Russland und Unterstützung für die Ukraine nun konkret zu bieten?
Kurz vor Gipfel-Beginn verkündet Biden per Twitter, dass die G7-Staaten ein Importverbot für Gold aus Russland erlassen werden. Ein US-Regierungsmitarbeiter sagt, Gold sei für Russland nach Energie das zweitwichtigste Exportgut. "Damit wird Russland weiter von der Weltwirtschaft isoliert."
"Die Ukraine braucht mehr und wir sind entschlossen, mehr zu liefern": Mit diesem Versprechen ging EU-Ratspräsident Charles Michel in die Gipfel-Beratungen. Konkrete Ankündigungen gab es allerdings am Sonntag weder von ihm, noch von anderen G7-Teilnehmern. So blieb beispielsweise unklar, ob die EU im Juni wie in den Vormonaten 500 Millionen Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verfügung stellen wird.
Scholz will in Elmau für ein langfristiges Hilfsprojekt werben: einen "Marshall-Plan" für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine. Mit einem solchen Plan halfen die USA zwischen 1948 und 1952 Deutschland und anderen europäischen Staaten, nach sechs Jahren Krieg wieder auf die Beine zu kommen.
Ein Vorschlag der USA sieht vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies könnte funktionieren, indem der Westen Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die Einhaltung des Preisdeckels knüpft. Mit der Obergrenze soll einerseits dafür gesorgt werden, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert. Anderseits soll sie weltweit zu einer Entspannung auf den Ölmarkten beitragen. Nicht nur in der EU, sondern auch in den USA sind die hohen Spritpreise derzeit ein großes Thema.
Als Reaktion auf die Raketenangriffe fordert der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Sonntag bereits härtere Sanktionen gegen Russland und zusätzliche Waffenlieferungen. Auf Twitter veröffentlicht er ein Bild von einem Mädchen, das von Rettungskräften auf einer Trage transportiert wird. Dazu schreibt er: "Dieses sieben Jahre alte ukrainische Kind schlief friedlich in Kiew, als ein russischer Marschflugkörper sein Haus in die Luft sprengte."
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