Von Stefan Kuhn
Deutschland ist ein vom Glück gesegnetes Land. Es hat neben anderen Annehmlichkeiten ein vielfach unterschätztes Gut: ein ordentliches Fernseh- und Radioprogramm. Damit sind nicht die Privatsender gemeint, sondern der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Das heißt, die ARD mit ihren Landessendeanstalten und regionalen Radioprogrammen, das ZDF sowie der landesweite Radiosender Deutschlandfunk. Sie werden über Gebühren finanziert, die jeder Haushalt entrichten muss. Diese Finanzierung steht jetzt auf der Kippe, weil das Land Sachsen-Anhalt seine Zustimmung zu einer Gebührenerhöhung im Bundesrat verweigert. Es geht um 86 Cent und wäre die erste Anhebung seit elf Jahren.
In Sachsen-Anhalt ist die CDU eine unheilige Allianz mit der AfD eingegangen. Beide Parteien lehnen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab. Die Christdemokraten regieren in Magdeburg zusammen mit der SPD und den Grünen und riskierten mit der Ablehnung einen Bruch der Koalition. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verhinderte dies. Seine Regierung lehnte die Zustimmung ab, so kam es nicht zu einem gemeinsamen Votum von CDU und AfD. Die Rundfunkanstalten wollen jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Es wäre wünschenswert, dass in solchen Sachfragen im Bundesrat kein Einstimmigkeitsprinzip mehr gilt. In Sachsen-Anhalt finden in einem halben Jahr Landtagswahlen statt, die CDU will sich profilieren und nimmt damit den Rest der Republik in Geiselhaft.
Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen ist vor allem im Osten populär. Vielen sind die landesweiten Programme zu westlastig und zu links. AfD-Anhänger haben von vornherein ein Problem mit kritischem Journalismus und sprechen von der "Lügenpresse" und von Staatsfunk. Die jüngeren wissen es nicht besser, die älteren sollten sich an das DDR-Fernsehen erinnern, in dem selbst der Wetterbericht gefälscht wurde. Aber auch im Westen fehlt es nicht an Kritik. Zu seichte Unterhaltung, zu viel Sport und vor allem die Zwangsgebühr, die jeder Haushalt entrichten muss. Letzteres ist wirklich ein Ärgernis. Selbst Medienabstinenzler können die Rundfunkgebühr nicht verweigern.
Doch das ist eine zu vernachlässigende Größe. Wer behauptet, keine öffentlich-rechtlichen Programme zu sehen, der lügt in der Regel. Selbst AfD-Anhänger gucken Tatort, oder Talkrunden mit Alexander Gauland, Alice Weidel oder Tino Chrupalla. Sehen sich ein Länderspiel an und müssen sich darüber aufregen, dass zu viele "Ausländer" in der deutschen Nationalmannschaft spielen. Heute braucht man auch kein TV- oder Radiogerät mehr, Medieninhalte der Öffentlich-Rechtlichen bekommt man auch auf dem PC, Tablet oder Smartphone. Die Gebührenpflicht ist zwar nicht perfekt, aber im Großen und Ganzen gerecht.
Was den Inhalt angeht, haben die meisten Kritiker den Sinn des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht verstanden. Er hat einen gesetzlich verankerten Programmauftrag, der Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung umfasst. Er bedeutet Vielfalt. In privaten Sendern wird man kaum klassische Konzerte oder Dokumentarfilme sehen. Dort regiert die Quote, man schickt lieber B-Promis in den Dschungel oder sucht den deutschen Superstar oder das nächste Top-Model. Natürlich stehen ARD und ZDF auch unter Quotendruck. Sie finanzieren sich über Gebühren und über Werbung. Bei sinkenden Quoten gibt es weniger Werbeeinnahmen und wenn der Marktanteil sinkt, werden auch die Gebühren hinterfragt. Ob man deshalb allen Quotenmist der Privaten kopieren muss, steht auf einem anderen Blatt.
Was die politische Ausrichtung der Sender angeht, herrscht Ausgewogenheit. Parteien sind zwar auch in den Rundfunkräten präsent, stellen aber maximal 30 Prozent der Mitglieder. Früher galten manche Sender wie Radio Bremen oder der Hessische Rundfunk als "Rotfunk", aber dies dem Bayrischen Rundfunk zu unterstellen, würde dem Straftatbestand der Beleidigung nahekommen. Und der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), der Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bedient, ist weder links- noch westlastig.
Das Rundfunksystem wurde nach dem 2. Weltkrieg nach dem Vorbild der britischen BBC von den Alliierten in Westdeutschland eingeführt. Es sollte die Deutschen zu Demokratie erziehen. Das ist heute nicht mehr nötig, auch wenn derzeit einige wieder ein gespaltenes Verhältnis zur Demokratie haben. Aber Vielfalt und Ausgewogenheit sind wichtig. Und Umfragewerte geben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Existenzberechtigung. Er hat einen Marktanteil von knapp unter 50 Prozent und zwei Drittel der Bevölkerung halten die Informationen für glaubwürdig.
Das alles klingt nach einer Lobeshymne. Das soll es auch sein, denn die Alternativen sind ein Alptraum. Will jemand ernstlich Nachrichtensender wie in den USA oder Argentinien, wo die Zuschauer das geboten bekommen, was sie hören wollen? Wo Nachrichten unterschlagen oder glatte Lügen verbreitet werden. Unterhaltungssender, in denen ständig die gleichen Seifenopern und Realityshows laufen, unterbrochen von Werbeblöcken? Länder, in denen man Bezahlanbieter wie Netflix braucht, um ordentliche Filme und Serien zu sehen.
Die Öffentlich-Rechtlichen machen nicht alles, aber vieles richtig. Das wird man hoffentlich auch in Sachsen-Anhalt noch merken.
Comments