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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Im Blickfeld: Mit Sicherheit nicht weniger sicher

Von Stefan Kuhn

Da geh'n se hin, die GIs. US-Präsident Donald Trump hat seine Drohung wahr gemacht und den Abzug eines Drittels der in Deutschland stationierten US-Soldaten eingeleitet. 12.000 der 36.000 Männer und Frauen sollen in den nächsten Monaten gehen. Etwa die Hälfte wird in die USA verlegt, der Rest auf andere europäische Nato-Länder verteilt. Trump hatte den Abzug bereits im Juni angekündigt und ihn mit dem zu geringen Verteidigungsbeitrag Deutschlands begründet.

Das trifft durchaus zu. Die Nato-Mitglieder sollten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Der deutsche BIP-Anteil liegt bei knapp 1,4 Prozent. Die USA geben 3,2 Prozent aus, aber das täuscht etwas. Insgesamt sind es 713 Milliarden US-Dollar (2019). Das entspricht rund 40 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben. Deutschland kommt auf knapp 50 Milliarden Dollar jährlich. Nun hat Deutschland allerdings auch keinen Anspruch eine Supermacht zu sein, die überall auf der Welt militärisch präsent sein muss. Rund 150.000 US-Soldaten und -Soldatinnen sind außerhalb den USA stationiert oder im Einsatz. Die Supermacht leistet sich elf Flugzeugträger, von denen jeder einzelne 130 Millionen Dollar Betriebskosten pro Monat verursacht. Das würde 17 Milliarden Dollar im Jahr bedeuten. Viele Militärstrategen bezweifeln inzwischen den Nutzen der schwimmenden Flugplätze, aber die Hauptfrage ist, warum die USA elf von ihnen brauchen, wenn ihre potenziellen Hauptfeinde China und Russland nur je einen haben. Die exorbitanten Militärausgaben der USA dienen in erster Linie dem Land selbst.

Dass die in Deutschland stationierten US-Truppen dem Schutz Deutschlands dienen, wie es der US-Präsident behauptet, ist eine gezielte Halbwahrheit. Das ist "obsolet", um Trumps eigen Worte zu benutzen. So hat er die Nato kurz nach seinem Amtsantritt bezeichnet. Zur Zeit des Kalten Krieges waren bis zu 250.000 US-Soldaten in Deutschland stationiert. Der Eiserne Vorhang teilte das Land. Nach dessen Fall wurde die Truppenstärke auf 70.000 reduziert, 2010 waren es noch 44.000 und nun 36.000. Der Feind steht nicht mehr im Osten, seit dreieinhalb Jahren hat man das beklemmende Gefühl, dass er ganz weit im Westen steht.

Zum Schutze Deutschlands sind die US-Truppen kaum mehr da. Und wenn ein Teil der abgezogenen Soldaten und Soldatinnen nach Polen verlegt werden, dienten sie zumindest theoretisch auch dem Schutz der Bundesrepublik. Obwohl dies natürlich eine Provokation gegenüber Russland ist. Die US-Stützpunkte in Deutschland dienen in erster Linie den Interessen der USA. Im rheinland-pfälzischen Ramstein etwa befindet sich eine der wichtigsten US-Basen. Sie ist logistischer Drehpunkt für Einsätze im Nahen und Mittleren Osten. Im nahegelegenen Landstuhl ist das größte US-Militärkrankenhaus außerhalb der USA beheimatet. Natürlich könnten auch diese Einrichtungen in andere europäische Nato-Länder verlegt werden, aber das wäre eine teure Angelegenheit. Allein für den jetzt beschlossenen Teilabzug veranschlagt US-Verteidigungsminister Marc Esper etwa eine Milliarde Dollar.

Mit Sicherheit macht der Teilabzug Deutschland nicht weniger sicher. Er ist, wie das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schreibt, "Trumps Rache an Merkel". Bei dieser Rache dürfte es nur am Rande um den Militärbeitrag Deutschlands gehen. Die Nato hat 2014 von ihren Mitgliedern eine Annäherung des Anteils der Verteidigungsausgaben an zwei Prozent des BIP binnen zehn Jahren verlangt. Deutschland hat seine Militärausgaben seither ständig erhöht, die zwei Prozent hätte das Land wohl auch ohne die Corona-Krise nicht erreicht. Dass das Land allerdings schon dreieinhalb Jahre vor Ablauf der Frist sanktioniert wird, ist nicht so recht nachvollziehbar.

Es ist ein persönlicher Rachefeldzug Donald Trumps gegen die deutsche Kanzlerin. Für ihn muss Angela Merkel eine persönliche Provokation sein. Schon nach seinem Amtsantritt stilisierten sie selbst US-Medien zur letzten Galionsfigur der freien Welt hoch. Für den Egomanen Trump war das vermutlich eine gewaltige Demütigung. Dazu kommt, dass er Frauen nicht gerade für ebenbürtig hält. Natürlich haben beide auch etwas gemeinsam. Sie vertreten beide die Interessen ihres Landes. Der Unterschied ist, dass Merkel dies tut, und Trump davon überzeugt ist, dass er es tut. Merkel ist überzeugte Demokratin und denkt multilateral, Trump sympathisiert mit Autokraten wie Wladimir Putin, Xi Jinping und Kim Jong Un und isoliert sein Land. Merkel schließt Kompromisse und Trump ändert seine Meinung fast täglich.

Der Teilabzug der US-Truppen aus Deutschland ist eine persönliche Strafaktion Donald Trumps, gegen die es im Übrigen Widerstände im US-Kongress gibt. Man könnte sie als regionale Wirtschaftssanktion klassifizieren, denn sie betrifft die entsprechenden Standorte relativ hart. Besonders betroffen werden die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sein, aber diese Länder zählen zu den wirtschaftlich stärksten in Deutschland. Sie werden den Verlust verkraften. Seit 1990 sind schon über 200.000 Soldaten abgezogen worden, ohne das diese Bundesländer zahlungsunfähig geworden wären.

Den vermutlich größten Schaden dürfte die deutsch-amerikanische Freundschaft erfahren, denn aus den früheren Besatzern sind vielerorts wirklich Freunde geworden. Aber wer jetzt seinen Job wegen Trump verloren hat, dürfte sein Amerika-Bild verändern. Aber eine Hoffnung bleibt: Am 3. November finden in den USA Präsidentschaftswahlen statt.

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